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Kinotipp der WocheUrschleim des Punk

Gegen Repression und Faschismus: Das 11. Punkfilmfest Berlin zeigt weltweite Punkbewegungen von Bombay bis Südtirol – Dazu Livemusik, was sonst?

Auch in den Niederladen ging's ab: „Jimmy is punk: The story of Panic“ feiert am 17. 10. beim Punkfilmfestival Deutschlandpremiere

„Es war ja so: es ging um Musik, die wir gut fanden und es ging darum, 'ne Lederjacke sich anzuziehen und die Haare aufzustellen. Und das war alles. Und da gab’s dann wirklich Leute, die dadrauf derart abgegangen sind… Da wurdest Du auf der Straße von Leuten angesprochen, die Du nicht kanntest, die zu Dir sagten: ‚Euch haben sie wohl in Auschwitz vergessen zu vergasen.‘“

Und wer jetzt denkt, die Geschichte spielt in Nordhessen am Rande eines CDU-Parteitags in den 1980er Jahren, liegt falsch. Der da spricht ist Steffen, Gitarrist der Punkband Brechreiz 08/15 aus der thüringischen Kreisstadt Sömmerda, und die Geschichte spielt in der DDR, von der manche bis heute meinen, sie sei ein antifaschistischer Staat gewesen.

Jan Hecks zu recht viel gelobte Dokumentation „Schleimkeim – Otze and the GDR from Under Ground“ zeichnet eben nicht nur die Geschichte der Namensgeber nach oder entrollt eine Geschichte des Punks in der DDR, sondern zeigt im Zug all dessen einmal mehr, wie repressiv und spießig die DDR in vieler Hinsicht war. „Schleimkeim“ eröffnet am Mittwoch „too drunk to watch“, das 11. Punkfilmfest Berlin. Auch in diesem Jahr kombiniert die Reihe wieder mitreißende Filme und live Akustikpunk im Kino Lichtblick.

Ein Schwerpunkt der Auswahl sind auch in diesem Jahr Filme, die Punk-Bewegungen in aller Welt dokumentieren. Gleich am ersten Abend wirbeln nach „Schleimkeim“ Anindita Dutta Roy und Abhishek Chandran in gerade einmal knapp einer Stunde durch ein beeindruckendes Panorama der musikalischen Gegenkultur in Bombay („Back Then – The Story of Live Music in Bombay“).

Am Samstag entreißt „100db“ von Jaka Terpinc und Gregor Bauman Indust-Bag, eine der Bands dem Vergessen, die Punk im ehemaligen Jugoslawien bekannt machten. Am Sonntag folgen Dokumentationen zum Punk in Südtirol („Südtirock – Music on the Edge“) und Gran Canaria („Punkrock auf Gran Canaria – Supervivencia y combate“).

Die Musikgeschichte des Rocks in Paraguay, die Luis Bogado in „Sobrevive la música – The Music Survives“ zeigt, hat einige Ähnlichkeit mit der Geschichte des Punk in „Schleimkeim“ – vor allem in den Erzählungen der älteren Generation von Musiker_innen, die ihre Karriere während der brutalen, repressiven Herrschaft von Alfredo Stroessner begann und der Repression, der sie sich gegenüber sahen. Viele Aussagen ihrer jüngeren Kolleg_innen hingegen kreisen eher um Musik als nationale Unterhaltungsindustrie und eine allgemeine Mediengeschichte Paraguays.

Ergänzt werden all diese Film noch einmal durch ein komplettes Kurzfilmprogramm, vier Liveacts, Chris Hölzings Dokumentarfilm „Solidarität verbindet“ zum 100. Jubiläum der Roten Hilfe, sowie Marco Heinigs und Steffen Maurers Dokumentarfilm „ANTIFA – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“ – und zum Abschluss nimmt Margaret Anne Plumb in „Trans Punk“ den Hass auseinander, der der trans Community entgegenschlägt.

Kurzum: auch dieses Jahr ist „too drunk to watch“ es wert, mit dem Lichtblick darüber zu verhandeln, ob man die Festivaltage über sein Bett nicht doch vielleicht direkt im Kino aufstellen könnte.

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