Kinotipp der Woche: Kreuzberger Trio

“Kreuzberg 'Ahoi’“ ist B-Movie, Kunstsatire, Milieustudie. Die Brotfabrik zeigt den Kult-Film von Steven Adamczewski und Christian Sievers.

Filmteam beim Dreh von “Kreuzberg 'Ahoi’“ 1980

Filmteam beim Dreh von “Kreuzberg 'Ahoi’“ 1980

Ein Seemann strandet in Berlin. Er stößt auf einen alten Zausel, der gerade seinen Rausch ausschläft. Weil er nicht weiß, wo er sonst hin soll, nistet er sich bei dem Alten ein, der zusammen mit seiner Tochter wohnt. Sein Gastgeber, der mit seinem schütteren Langhaar und dem Fusselbart aussieht wie eine Mischung aus Catweazle und Harry Rowohlt, kann kaum vom Alkohol lassen, braucht aber unbedingt Geld.

Zusammen mit seiner Tochter und dem neuen WG-Mitbewohner kommt er auf eine Idee nach der anderen, um die Haushaltskasse zu füllen. Warum es nicht mal mit Kunst probieren, denkt sich das Trio, und legt dann auch gleich los mit der Produktion selbiger. Und sobald man mit der einen Sache scheitert, überlegt man sich eben etwas Neues.

Schon die Rahmenhandlung des Films “Kreuzberg 'Ahoi’“ (1980) von Steven Adamczewski und Christian Sievers ist krude. Dazu reden die Schauspieler allesamt gekünstelt und mit seltsamem Zungenschlag daher.

Dazu noch diese komischen Dialoge! Aber das soll und muss vielleicht sogar alles so sein bei dieser Trashperle eines Berlin-Films, den kaum jemand kennt, und den das Kino in der Brotfabrik nun für drei Sondervorstellungen vom 11. bis zum 13. Juli ausgegraben hat.

Kreuzberg ‚Ahoi‘“, Kino Brotfabrik, 11.–13. 7., 19 Uhr, Caligaripl. 1; 11. 7.: Ein­füh­rung von Jan Gym­pel & Gespräch mit Christian Sievers und Ulrike SchirmMehr Kino: taz.de/tazplan

Da wäre einmal die Kunst, die sich die drei ausdenken. Alleine schon, sich diese minutenlang anzusehen, tut weh und ist doch ziemlich amüsant. Zuerst versuchen sie es mit Musik. Disco ist gerade angesagt, das haben sie irgendwie mitbekommen, also machen sie Disco. Oder zumindest so etwas in der Art. Und tanzen dazu, aber wirklich nicht unbedingt wie John Travolta.

Dann ist die Bildende Kunst an der Reihe. Auch die gefällt niemandem, am allerwenigsten dem Chefkritiker, der der Kunstperformance beiwohnt und sich ewig darüber auslässt, dass es das doch alles schon einmal gegeben hat.

Derweil hat sich in den Film, den ein paar Schüler von Rosa von Praunheim zusammengebastelt haben, von dessen ausgestelltem Dilettantismus sie sichtbar beeinflusst sind, noch ein weiterer Handlungsstrang eingeschlichen.

Ein gelangweiltes Paar, das in einer schicken Villa lebt, wird aufmerksam auf das bizarre Künstler-Trio. Er will eigentlich nur Geld verdienen, sie sehnt sich nach neuen Impulsen, einem aufregenderen Leben. Und fordert von ihrem Mann, mal darüber nachzudenken, ob er die drei nicht fördern könnte.

So kommt es zum nächsten Desaster. Jetzt wird sich am Theater versucht und der “Glöckner von Notre Dame“ aufgeführt. Der Seemann gefällt sich so in seiner Rolle als Quasimodo, dass er gar nicht mehr aufhören kann damit, den humpelnden Buckligen zu spielen. Die Vorstellung fällt natürlich trotzdem durch.

Was bleibt jetzt noch? Ach ja, wie wäre es mal damit, einen Film zu drehen. Aber was braucht man dazu: Geld. Das haben die drei bekanntlich nicht, aber dafür eben das gelangweilte Ehepaar aus der Villa. Der Seemann macht noch einmal auf Schauspieler, um an dieses Geld heranzukommen. Aber nun geht endgültig alles schief. Und bei den dreien reift die Erkenntnis, dass es mit ihrer Kunst einfach nicht mehr weitergeht.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

“Kreuzberg 'Ahoi’“ ist letztlich alles mögliche. B-Movie, Kunstsatire, Milieustudie, ein riesiger Quatsch und gleichzeitig herrlich amüsant. Auch an Details kann man sich erfreuen. Die Blicke auf kaputte Berliner Hinterhöfe in den frühen Achtzigern machen Spaß, ebenso das Rezitieren kruder Schlagertexte. “Kreuzberg 'Ahoi’“ hat eigentlich Kultfilmpotential. Vielleicht wird dieses ja bei der Wiederaufführung endlich erkannt.

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