: Kino und Vino
Ein Großteil der kleinen Kinos wird ehrenamtlich betrieben. Bei allen Problemen sind Lichtspielhäuser in der Provinz gerade bei der Generation Ü 60 beliebt
Die Besucherzahlen in den Kinos gehen zurück – in Deutschland wurden 2019 rund 118 Millionen Eintrittskarten verkauft, im vergangenen Jahr waren es nur noch 90 Millionen Kinotickets. „Das hat natürlich mit den Angeboten der Streamingdienste zu tun, aber auch damit, dass die Endgeräte immer besser werden. Heutzutage muss es einen wirklich guten Anreiz geben, um ins Kino zu gehen“, sagt Meike Götz, Geschäftsführerin von Nordmedia, die Filmförderungsgesellschaft von Niedersachsen und Bremen.
Sie zeichnete kürzlich mehr als 60 Kinos aus diesen Bundesländern für die Qualität ihres Programms aus. Wie erreicht man trotz Amazon Prime und Co sein Publikum mit anspruchsvollen Filmen und füllt die Kinosäle, gerade in kleinen Orten abseits der Großstädte? „Das Publikum über 60 Jahre ist unsere Chance. Da ist Geld vorhanden, die wollen ausgehen. Der Film,Like a Complete Unknown' über Bob Dylan läuft bei uns am Sonntagabend seit zehn Wochen. Man braucht die richtigen Themen für die Boomer und man muss neben Wasser auch Sekt und Rotwein zur Vorstellung anbieten, dann kommen die Leute“, sagt Karl-Heinz Meier. Er leitet die Lichtburg in Quernheim, ein Kino mit insgesamt 360 Plätzen – in einem 500-Einwohner-Dorf im Landkreis Diepholz, der kleinste Ort in Deutschland mit einer gewerblichen Lichtspielbühne.
Christian Lindemann führt in der dritten Generation die Neue Schauburg in Burgdorf in der Region Hannover, ein 1931 eröffnetes Kino mit einem großen Saal und 220 Plätzen. „Die Verbreitung von Netflix in den jüngeren Jahrgängen ist schon eine Herausforderung. Wir setzen auf die besondere Atmosphäre in unserem historischen Filmpalast mit großer Leinwand“, sagt Lindemann. Zu den Angeboten zählen einmal im Monat das Filmcafé mit einem besonders sehenswerten Film plus Kaffee und Kuchen, die Reihe Kino & Vino, regelmäßig Veranstaltungen inklusive Filme zum Thema Demenz, einmal im Monat ein Überraschungsfilm oder auch der jährliche Kinobesuch von Konfirmandengruppen.
Auch die drohende Schließung des einzigen Kinos im Ort muss nicht das Aus bedeuten – dies zeigt das Beispiel in der 11.000-Einwohner-Stadt Geisenheim in Hessen. Das dortige Linden-Theater wird seit 2011 nach dem Einstieg der Rheingau Werkstätten Rüdesheim als gemeinnütziges Integrationsunternehmen geführt, ein bundesweit einmaliges Modell. Durch finanzielle Zuschüsse konnte das sanierungsbedürftige und technisch veraltete Kino auf den neuesten Stand und durch die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen weiter professionell geführt werden.
951 Kinospielorte mit 4.842 Leinwänden gab es Ende 2024 in Deutschland. Ein Großteil von ihnen wird ehrenamtlich betrieben. In Achim bei Bremen bekommt das Kommunale Kino pro Jahr einen Zuschuss von 4.500 Euro von der Stadt für Saalmiete und sonstige Kosten. Ein harter Kern von 16 Cineasten sorgt dafür, dass zweimal pro Woche ein Film im Kulturzentrum läuft. Von den knapp 100 Plätzen sind im Schnitt mehr als die Hälfte belegt. „Wir zeigen keine Blockbuster, die kann man in den Multiplex-Kinos in Bremen sehen. Unsere Besucher schätzen die Nähe – zu uns kommen viele zu Fuß oder per Fahrrad. Und sie vertrauen auf unsere Auswahl: Wir sind ein Treffpunkt, viele lassen sich vom Thema überraschen“, berichtet Sven Rohde. „Wir entscheiden nach dem Mehrheitsprinzip, welche Streifen wir zeigen“, ergänzt Silke Thomas. Nach ihren Worten laufen Filmbiografien wie über Maria Callas, Hildegard Knef oder Bob Dylan sehr gut, zu den Rennern in letzter Zeit zählen auch „Der Buchflüsterer“ und „Alter weißer Mann“. Der Titel scheint Programm: Auch in Achim gehört das Publikum zur Altersgruppe Ü 60. Joachim Göres
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