Kinderbetreuung in Norddeutschland: Unklare Regelungen
Kitas und Schulen sind nun geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus abzubremsen. Das stellt vor allem die Eltern vor große Herausforderungen.
Auf die Frage, wer in den für den Anspruch auf eine Notbetreuung der Kinder notwendigen „systemkritischen“ oder „für die öffentliche Daseinsfürsorge relevanten“ Bereichen arbeitet, hat Schleswig-Holstein bisher die umfangreichste und auch die präziseste Antwort gegeben.
Zehn Arbeitsfelder werden in dem Rundschreiben aus Kiel an die Eltern aufgelistet: Darunter nicht nur die offensichtlichen wie Gesundheitswesen und Katastrophenschutz, sondern auch Ernährung und Hygiene (Produktion, Groß- und Einzelhandel), Transport und Verkehr oder Entsorgung (Müllabfuhr, Abwasser). In Zeiten leerer Regale und von Hamsterkäufen können also auch Verkäufer:innen und Trucker:innen bedeutsam sein.
In Niedersachsen war die Formulierung sehr viel vager: „Für Beschäftige aus den Bereichen Pflege, Gesundheit, Medizin und öffentliche Sicherheit wie Polizei, Justiz, Rettungsdienste, Feuerwehr und Katastrophenschutz, sowie zur Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge soll eine Notbetreuung angeboten werden“, hieß es hier in der Bekanntmachung des Kultusministeriums. Für Nachfragen verwies man die Eltern an die regionalen Hotlines der Landesschulbehörde.
Unterschiedliche Handhabung in den Bundesländern
In Niedersachsen und Schleswig-Holstein heißt es, es werde niemand abgewiesen, der in diesen ersten Tagen mit seinem Kind in der Schule oder der Kita auftaucht. Das gilt für Kinder bis zur sechsten Klasse. Dann aber soll die Notbetreuung formal beantragt werden, dazu gehört in der Regel auch eine Bestätigung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin. Überprüfen und zulassen müssen den Antrag dann die Schulen, Kitas und sonstigen Träger vor Ort erst einmal selbst.
Hamburg hingegen überlässt die Entscheidung den Eltern von Schulkindern bis 14 Jahren, ob sie ihre Kinder in Betreuung geben. „Die Betreuung steht vornehmlich Personen zur Verfügung, deren Tätigkeit bedeutsam ist für die Daseinsfürsorge und die Aufrechterhaltung der Infrastruktur“, sagte ein Sprecher der Sozialsenatorin. Letztendlich entschieden aber die Eltern.
„Es kann nach unserer Auffassung sehr unterschiedliche Ursachen für eine Notwendigkeit zur Betreuung geben“, so der Sprecher der Behörde. Im Grundsatz sollten aber möglichst alle Kinder zu Hause betreut werden.
Hamburg hat das zusätzliche Problem, dass in dem Bundesland gerade die Ferien zu Ende gegangen sind und am Montag erst mal geschaut werden musste, wie viele Erzieher:innen und Lehrkräfte in Quarantäne müssen, weil sie aus einem Risikogebiet eingereist sind.
In Bremen will der Senat nach Auskunft einer Sprecherin der Bildungsbehörde am heutigen Dienstag darüber informieren, welche Berufsgruppen noch ein Recht auf Notbetreuung von Kindergarten- oder Schulkindern haben. Bis dahin war nur die Betreuung „für Beschäftigte des Gesundheitswesens, Feuerwehr und Polizei“ sichergestellt, wie der Senat am Freitag mitgeteilt hatte.
Zudem informierte die Kinder- und Bildungssenatorin am Montag darüber, dass acht Kindertagesstätten des städtischen Trägers Kita Bremen geschlossen bleiben müssen, weil es dort Verdachtsfälle gegeben hatte. Dasselbe galt am Montag für vier Grundschulen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hamburg (GEW) hatte am Freitag noch an die Kita-Träger appelliert, „die Beschäftigten darin zu bestärken, sehr genau zu sortieren, welche Kinder welcher Eltern von der Notbetreuung Gebrauch machen dürfen“, wie es in einer Pressemitteilung hieß.
Am Montag zeichnete sich aber in vielen Bereichen ab, dass dieses Misstrauen vielleicht gar nicht nötig ist: Bisher scheint es keinen ganz großen Run auf die Notbetreuung zu geben. So wurden in den 179 Kindergärten der Hamburger Elbkinder-Kita-Vereinigung lediglich 774 Kinder betreut. Das sind 3,3 Prozent der normalerweise dort betreuten 23.554 Kinder.
Viele Schulen sind jetzt auch schon damit beschäftigt, Aufgaben für das Studium Zuhause zusammenzustellen und den Schülerinnen und Schülern zukommen zu lassen. Im Vorteil sind diejenigen, die über funktionierende digitale Lernplattformen verfügen – aber das dürften die wenigsten sein. Bei den meisten läuft es wohl darauf hinaus, die guten alten Arbeitsblätter an die Eltern zu verschicken.
Womit sich hier erneut die gleichen Ungerechtigkeiten auftun, die sich das deutsche Bildungswesen ohnehin regelmäßig bescheinigen lassen muss: Im Vorteil sind jene Schüler:innen, die über Computer und Eltern mit Bildungshintergrund und Homeoffice tauglichen Jobs verfügen.
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