Kinder fragen, die taz antwortet: Wie fühlt man sich nach einer Psychotherapie?
Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Diese kommt von Mio, 7 Jahre alt.
Lieber Mio, hast du schon mal davon gehört, dass viele Menschen Psychotherapie mit einem großen Berg vergleichen? Bevor man eine Therapie beginnt, steht man unten im Tal und weiß überhaupt nicht, was einem auf dem Weg nach oben alles begegnen wird. Klar ist, dass der Weg nicht einfach wird. Denn bei einer Psychotherapie geht es darum, sich viel mit sich selbst und seinen Problemen zu beschäftigen.
Im Alltag, finde ich, kann man über viele Probleme gut hinwegsehen. Wenn ich zum Beispiel an ein blödes Erlebnis aus der Vergangenheit denke oder daran, wie viel ich in nächster Zeit zu tun habe, dann lenke ich mich ab, gucke eine Serie oder treffe mich mit Freunden. Aber jetzt stell dir vor, du sitzt einer Person gegenüber, die dir tief in die Augen sieht und Fragen stellt wie: Wie fühlst du dich heute? Wovor hast du Angst? Warum tut es so weh, wenn ich den Namen einer bestimmten Person erwähne?
Genau so ist es bei einer Psychotherapie, und solche Fragen zu beantworten, ist ganz schön schwer. Denn oft weiß man ja gar nicht so richtig, warum man gerade traurig oder wütend ist. In einer Psychotherapie will man genau das herausfinden. Du bekommst dort viele Tipps, wie du deine Gefühle besser verstehen kannst. Und du lernst, dass es total in Ordnung ist, sich auch mal schlecht zu fühlen.
Indem man mit einer anderen Person über seine Probleme und Sorgen spricht, stärkt man außerdem eine wichtige Fähigkeit. In der Fachsprache nennt man sie „Resilienz“. Resilienz bedeutet, trotz schwieriger Situationen gut im Leben zurechtzukommen.
Du kannst sie dir wie die Hornhaut an deinen Füßen vorstellen: Wenn du barfuß auf einen spitzen Stein trittst, schützt sie dich zwar nicht vollständig vor Schmerzen, aber sie macht sie zumindest etwas erträglicher.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Irgendwann ist eine Psychotherapie vorbei. Ich glaube, dass sich dieser Moment für jeden Menschen ein bisschen anders anfühlt. Für mich war es ungefähr so, als wäre ich ganz oben auf dem Gipfel eines Berges angekommen. Die Aussicht ist gut, denn viele Probleme, die mir auf meinem Weg begegnet sind, wirken plötzlich ganz klein und unwichtig.
In der Ferne erkenne ich allerdings noch viele weitere Berge voller Herausforderungen. Aber ich fühle mich stärker und mutiger als vorher und habe weniger Angst vor dem Weg nach oben. Dir, lieber Mio, wünsche ich, dass du all deine Berge mit Leichtigkeit erklimmst.
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