piwik no script img

Kennzeichnung von MogelpackungenAchtung, luftig verpackt!

Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen fordern Maßnahmen gegen Mogelpackungen – wie in Frankreich. Doch hierzulande geht es kaum voran. Helfen könnte die EU.

Aufgeblasen: Bei Chips und Nüssen ist oft viel Luft mit in der Verpackung Foto: Waldmüller/imago

Berlin taz | Die Zahl der Mogelpackungen in Deutschland steht auf einem Rekordhoch. Die Verbraucherzentrale Hamburg, die seit mehreren Jahren eine Mogelpackungsliste führt, zählte für 2023 exakt 104 Meldungen von Ver­brau­che­r:in­nen. Auch für das laufende Jahr zeichne sich eine hohe Zahl von Beschwerden ab. Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen fordern daher nun eine Gesetzgebung, die die täuschenden Verpackungen ins Visier nimmt.

Was Mogelpackungen genau sind, ist bislang nicht eindeutig gesetzlich geregelt. Landläufig handelt es sich um Produkte, deren Verpackungen einen größeren Inhalt versprechen, als sie einhalten. Typisch sind etwa Cremetiegel in einer zusätzlichen Pappverpackung, die den Tiegel leicht erhöht – und damit größer wirken lässt. Bei Cerealien, Nüssen, Chips oder Keksen lässt sich durch Luft in der Verpackung tricksen.

Das Thema hat durch die in den vergangenen Jahren ungewöhnlich hohe Inflation neue Bedeutung bekommen. Denn immer wieder fielen Produkte auf, bei denen der Hersteller den Inhalt verringert hatte – die Packungsgröße war aber gleich geblieben.

Shrinkflation heißt das Phänomen, ein Kofferwort aus dem englischen „to shrink“ (schrumpfen) plus „Inflation“. Sie kommt in Varianten vor, so können etwa hochwertigere und teurere Zutaten durch minderwertigere und günstige ersetzt werden – bei gleichem Produktpreis. Verboten ist das alles nicht. Das Mess- und Eichgesetz verbietet es zwar, Produkte auf den Markt zu bringen, wenn die Verpackungen „ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen als in ihnen enthalten ist“. Ein Grenzwert aber fehlt. Als allgemeine Richtgröße gelten 30 Prozent Luft in der Verpackung.

Warnung am Regal gefordert

Die Verbraucherzentrale Hamburg und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordern nun zumindest eine Kennzeichnungspflicht. „Produkte mit veränderten Zusammensetzungen oder niedrigerer Füllmenge bei gleichem oder höherem Preis sollten für mindestens sechs Monate mit einem Warnhinweis versehen werden“, sagt Ramona Pop, Vorständin des vzbv. Sie fordert: „Die Bundesregierung muss dieser Verbrauchertäuschung einen Riegel vorschieben.“

Ein Vorbild könnte Frankreich sein. Dort tritt eine entsprechende Gesetzgebung am 1. Juli in Kraft. Große und mittelgroße Supermärkte müssen dann am Regal kennzeichnen, wenn der Preis auf Gramm, Kilo oder Liter gerechnet gestiegen ist. Die Pflicht gilt für zwei Monate nach der Veränderung bei Verpackung und/oder Inhalt.

Das Bundesverbraucherschutzministerium (BMUV) hatte die Mogelpackungsproblematik vor einem Jahr in einem Eckpunktepapier zur Reduzierung von Verpackungsmüll berücksichtigt. Darin heißt es, es brauche eine Klarstellung, dass eine „Verringerung der Füllmenge bei gleichbleibender Verpackung in der Regel unzulässig ist“.

Doch ob es diese Forderung in ein Bundesgesetz schafft, ist offen – das Verbraucherschutzministerium teilt auf taz-Anfrage mit, dass man sich bislang nicht mit den anderen Ministerien einigen konnte. Doch im BMUV scheint man ohnehin mehr auf die EU-Ebene zu setzen – und dort auf die europäische Verpackungsverordnung. Wird sie, wie es das Ministerium hofft, zum Jahresende beschlossen, würden EU-weit einheitliche Regeln kommen – allerdings erst 2030.

Hersteller beziehungsweise Händler müssten ihre Verpackungen dann auf „das für den Produktschutz erforderliche minimale Volumen reduzieren“. „Verpackungen mit Eigenschaften, die lediglich darauf abzielen, das wahrgenommene Volumen des Produkts zu vergrößern, beispielsweise durch Doppelwände, falsche Böden und unnötige Schichten, dürfen grundsätzlich nicht mehr in Verkehr gebracht werden“, so eine Sprecherin.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Deutsche Politiker (gerade die der Grünen) rühmen sich ja oft damit, Deutschland hätte mit die strengsten Verbraucherschutzgesetze.

    Das mag in einigen Bereichen auch tatsächlich stimmen.

    Aber lange nicht überall.

    Vor allen dort nicht, wo große Konzerne ihre Finger "im Spiel" haben.

    Aber das passt ja hervorragend zum Schlagwort "Mogelpackung".

    Insbesondere zur Mogelpackung Grüner Politik.

    • @Bolzkopf:

      Gut, dass ja nur gemogelt und geschummelt wird statt gelogen und betrogen.

  • "Hersteller beziehungsweise Händler müssten ihre Verpackungen dann auf „das für den Produktschutz erforderliche minimale Volumen zu reduzieren“."

    Gilt das dann auch für die unglaubliche Pappkartonschwemme wie durch Amazon?

  • Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Seit geraumer Zeit werden in Deutschland 100 Gramm Preise angegeben. Von daher kann von mir aus soviel Luft in der Verpackung sein, wie es dem Hersteller beliebt.

    • @Michas World:

      Löst aber nicht das Problem mit unnötigen Verpackungsmüll.

    • @Michas World:

      Hand aufs Herz: Wer schaut bei einem Produkt, das er mehr oder weniger regelmäßig kauft, jedes Mal auf den Grundpreis, zumal wenn die Verpackung gleich aussieht beziehungsweise so groß ist wie immer bis auf die geänderte Mengenangabe?

    • @Michas World:

      Von mir aus nicht, denn ich bin am Sparen von Ressourcen interessiert. Auch wenn ich nicht direkt "etwas davon habe", geht mir trotzdem der Rest er Welt nicht hinten vorbei.

    • @Michas World:

      Stimmt.

      Aber man muss eine extrastarke Lupe mit in den Supermarkt nehmen.

      Um den Kilopreis zu entziffern.

  • „ Die Pflicht gilt für zwei Monate nach der Veränderung bei Verpackung und/oder Inhalt.“

    Das kann man unterlaufen, indem man laufend unterschiedliche Mengen anbietet. Unrealistisch? Haribo zeugs gibt es dauernd in unterschiedlichen Größen. Was ist da dann das „normal“?

    • @fly:

      Nachdem bei der französischen Regelung die Referenz anscheinend Preisänderung pro Einheit (Gramm, Liter, ...) ist, sollte es irrelevant sein.



      Ändert der Hersteller die Packungsgröße von 100 auf 90 Gramm, aber der Preis sinkt nicht entsprechend -> Hinweis



      Bleibt die Packungsgröße identisch, aber der Preis steigt -> Hinweis

      Ich bin mir jedoch sicher, dass falls in D eine "Shrinkflation"-Regelung kommt, wird sie deutlich komplexer sein, dadurch Ausnahmen erlauben und im Sinne des politischen Kunden (der Industrie) ausfallen. Denkbar wäre auch ein Hinweis in 5 Punkt-Größe, hellgrau auf weiß. So wie bei der jahrzehntelangen Verzögerung einer Lebensmittelampel, auf die deutsche Politik ist Verlass.