Kenia-Koalition in Magdeburg bröckelt: Triumph des Starrsinns
Was gerade im Magdeburger Landtag passiert, ist keine Provinzaffäre. Es kann die politische Achse der Republik nach rechts verschieben.
D ie Kenia-Koalition ist fast am Ende. Gleich zwei ergebnislose Koalitionsschüsse an einem Tag gab es wohl noch nie. Stundenlang haben die PolitikerInnen im Streit über eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags verhandelt, um sich mühsam darauf zu einigen, dass man weiter verhandelt. Wie eine Lösung aussehen kann, ist unklar. Der übliche Weg – man entsorgt Unlösbares in Formelkompromissen und verschiebt die Entscheidung – funktioniert nicht, weil 15 andere Bundesländer involviert sind. Die Situation hat etwas Paradoxes. Denn eigentlich wollen Grüne, SPD und die Mehrheit der CDU die Regierung nicht zerstören. Und doch gibt es kaum einen Ausweg.
Schuld daran ist die CDU-Fraktion. Sie sagt Nein zur Gebührenerhöhung der Rundfunkanstalten – und verweist mit grimmigem Stolz darauf, dass sie schon immer dagegen war. Diese Treue zu eigenen Grundsätzen will tapfer wirken. Doch sie ist mit dem nahen Ende der Regierung und einer Aufwertung der AfD zu teuer erkauft. Denn dieses Nein der CDU zahlt direkt bei der Hetze der AfD gegen „die Systemmedien“ ein. So schlägt Eigensinn in politischen Starrsinn um, der blind für die Folgen ist. Ist es nicht Hybris, dass die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt allen anderen Bundesländern und auch allen Unionsfraktionen, die in der Republik für die Erhöhung um 86 Cent im Monat gestimmt haben, jetzt ihren Willen aufzwingt?
Die tragische Figur der Affäre ist CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff. Er hat Eskalationsdynamik und Komplexität des Problems unterschätzt. Er hätte in der CDU-Fraktion mit Druck und Deals früh eine Mehrheit für das Ja organisieren müssen. Dann wäre die CDU-Fraktion in der Gebührenfrage unerfreulicherweise zwar gespalten gewesen. Aber das wäre nur ein Blechschaden gewesen. Jetzt gibt es einen Unfall mit vielen Verletzten.
Denn nun ist aus einer eher nebensächlichen eine fundamentale Frage geworden. Wer hat in der CDU in Sachsen-Anhalt das Sagen? Die Pragmatiker, die bislang meist die Mehrheit hatten, oder der rechte Flügel, der lieber mit der AfD als mit den Grünen regieren will? Die Kräfte in der Union in Sachsen-Anhalt, die die politische Quarantäne der AfD beenden wollen, haben Aufwind.
SPD und Grüne wollen die Regierung unbedingt retten. SPD und Grüne sind in der Kenia-Koalition schon mehrfach bis an die Grenze ihrer Selbstachtung gegangen. Mal stimmten Teile der CDU mit der AfD ab oder attackierten rot-grüne MinisterInnen der eigenen Regierung. Diese Duldsamkeit hat einen einleuchtenden Grund: Es gab keine bessere Alternative. Und das ist noch immer so. Es gibt keinen Plan B für die Zeit nach Kenia. Eine Mehrheit für eine Mitte-links-Regierung nach der Wahl 2021 ist sehr, sehr fern. Nach Kenia kommt wahrscheinlich wieder Kenia.
Die CDU spielt in Magdeburg mit der von Rechtsextremen durchsetzten AfD politisch über Bande. Das ist keine Provinzposse. Hier wird die politische Achse der Republik nach rechts verschoben. Dabei verlieren derzeit fast alle. Haseloff, der die AfD für antidemokratisch hält, schien immer der Garant zu sein, dass die starke rechte Minderheit in der Union bei der Stange bleibt. Jetzt muss man wohl sagen: Er war der Garant.
Für SPD und Grüne rückt näher, was sie mit bangem Blick in die Zukunft immer verhindern wollten – die Regierung verlassen. Und auch die Mitte-Politiker in der CDU-Fraktion in Magdeburg, die nun glauben, standfest einen Sieg gegen einen diffusen linksliberalen Mainstream zu erringen, gehören zu den Verlierern – sie ganz besonders. Sie haben die Tür für eine Zusammenarbeit mit der AfD weit aufgestoßen und einen politischen Raum geöffnet, den sie selbst nie betreten wollten. Der einzige Gewinner ist die AfD.
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