Kein Platz für Kinder: Spielplatz versus Kita

Über 1.100 Kindergartenplätze fehlen in Bremen. Die Behörde will nun Spielflächen bebauen. Nach den Ferien soll ein runder Tisch tagen.

Aus einigen öffentlichen Spielflächen in Bremen werden nun private Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BREMEN taz | Zehn Spielplätze sollten für Neubauten von Kindertagesstätten und Schulen abgerissen werden, so hieß es vor einigen Wochen. In die Welt gesetzt hatte das Gerücht das Bündnis „Grünes Bremen“. Umgehend fanden sich in den reicheren Stadtteilen Eltern zu Protestgruppen zusammen – und erfuhren dann, dass es doch nicht so arg kommen wird wie befürchtet. Entwarnung gab es etwa für den Spielplatz an der Hardenbergstraße in der Neustadt. Doch in mindestens drei Fällen bleibt es dabei: Aus öffentlichen Spielflächen werden private.

Nicht alle finden das verkehrt – gehe es doch darum, den Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung umzusetzen. So sieht es Ulrich Schlüter, Ortsamtsleiter von Osterholz. Bevor ein Haushaltsnotlageland wie Bremen für viel Geld private Areale ankaufe, müsse bei der Suche nach Bauflächen erst einmal geschaut werden, ob es nicht städtischen Grund gebe, der nicht oder kaum genutzt werde. „Im Bremer Osten gibt es solche Flächen“, sagt Schlüter. Und auch einen Mangel an Kitaplätzen. Am Ende der Sommerferien würden allein in Osterholz etwa 60 Plätze fehlen, bis Ende des Jahres seien es deutlich über 100, Tendenz steigend. Denn gerade würden zwei neue Wohneinheiten für 150 Familien errichtet. „Zwei komplette neue Kitas brauchen wir“, sagt der Ortsamtsleiter. Deswegen habe der Beirat zugestimmt, 50 Prozent des Spielplatzes an der Poggenburg zu bebauen. Der sei etwa 5.000 Quadratmeter groß – die Hälfte aber nur ein Hartplatz, der so gut wie gar nicht für Ballsport genutzt werde, so der Ortsamtsleiter. Doch eine Zeit lang wird der noch zur Verfügung stehen. Denn derzeit gebe es weder einen interessierten Träger für den Kindergarten, noch eine Planung der Behörde.

Konkreter sieht es im dicht bebauten Findorff aus. „Wir haben keine einzige städtische Freifläche, die wir anbieten können“, so Ulrike Pala, Leiterin Orts­amt West. „Dieses Jahr ruckelt sich das mit den Kitaplätzen in Findorff noch zurecht“, sagt sie, „auch weil Kindergruppen um- und nach Walle ausgelagert wurden.“ Aber der Bedarf steige stetig. Deswegen habe der Beirat 2015 einstimmig für einen Kitaneubau gestimmt – auf dem Areal eines abgerissenen Spielhauses auf der Freizeitfläche Corveyplatz. Als Ausgleich habe das Sportamt die Erlaubnis erteilt, von der angrenzenden Erweiterungsfläche der Bezirkssportanlage 360 Qua­dratmeter für die Kinder abzuknapsen. „Es gibt sechs weitere größere Spielplätze im Stadtteil – und den Bürgerpark“, sagt Pala. Aber inzwischen sei das Übergangswohnheim für Geflüchtete an der Corveystraße errichtet worden. Von den 3.200 Quadratmetern Spielplatz jetzt noch ein Viertel an Grün-, Spiel- und Sportfläche für eine zweigeschossige Kita wegzunehmen, sei nicht akzeptabel, meint Pala. 1.621 von einer Bürgerinitiative gesammelte Unterschriften liegen gegen die Bebauungspläne vor. Auf 685 Quadratmetern habe die Behörde daher den Bau bereits zurückgeplant, 660 habe der Beirat einst genehmigt, so Pala: „Gleich nach den Sommerferien nehmen alle Beteiligten und Betroffenen Platz an einem runden Tisch.“

Klagen drohen

„Auf einen von allen zähneknirschend akzeptierten Kompromiss wird es hinauslaufen“, prophezeit Annette Kemp, Sprecherin der Senatorin für Kinder und Bildung. Laut aktueller Erhebungen, sagt sie, würden schon nach den Sommerferien im Stadtgebiet 172 Drei- bis Sechsjährige und 64 U3-Kinder keinen Kitaplatz bekommen, könnten ihren Rechtsanspruch also geltend machen und diesen einklagen. „Das kam in Bremen aber bisher noch nicht vor“, so Kemp. Andere Eltern hätten dieses Recht abgetreten – und sich auf Wartelisten ihrer Lieblingskita setzen lassen, um dort bevorzugt behandelt zu werden. Von diesen seien derzeit noch 405 unter dreijährige und 481 über dreijährige Kinder ohne Betreuungsplatz. Insgesamt fehlen also 1.122 Plätze.

Eine durchaus absehbare Entwicklung? Bevor die Verantwortlichkeit für das Thema vom Sozial- zum Bildungsressort wechselte, was die behördliche Planung und Umsetzung verzögerte, wurde von einem Bedarf bis 2020 für 32 neue Kitas mit jeweils vier bis sechs Gruppen à 20 Kindern ausgegangen. „Wir brauchen aber deutlich mehr“, sagt Kemp.

Auch die „absolute Notvariante“, Gruppen mit mehr als 20 Kindern zu belegen, sei im Gespräch. Ebenso die Aufstockung und Erweiterung bestehender Kitas und der Umbau nicht genutzter städtischer Räume. Baugrundstücke würden auf Schulgeländen, Brach-, Sport-, Parkflächen gesucht. Und eben auf Spielplätzen. Auch der zwischen Bismarckstraße und Getekamp sei in der Diskussion. Kemp: „Aber das dauert, bis Qualitätsvorgaben gesichert sind und die Finanzierung ermöglicht ist.“ 2018 stehen alle neuen Kitas? „Hoffentlich die ersten“, so Kemp.

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