Kein Gender Gap beim Taschengeld: Kinder gleicher als Erwachsene
Bei Gehältern, Renten und Erbschaften klafft eine deutliche Lücke zwischen Frauen und Männern. Nicht so beim Taschengeld, zeigt eine Studie.

Mädchen und Jungs, beim Taschengeld noch gleich bedacht Foto: Iris Wolf/plainpicture
BERLIN taz | Dass Frauen für gleiche Arbeit weniger Geld bekommen als Männer, ist eine ebenso traurige wie allgemein bekannte Tatsache. Umso erfreulicher ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die am Mittwoch veröffentlicht wurde und der taz vorab vorlag: Beim Taschengeld gibt es in Deutschland keine systematische Ungleichbehandlung zwischen beiden Geschlechtern.
In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach über eine vermeintliche Gender Pay Gap auch beim Taschengeld in Deutschland und Großbritannien berichtet. Die Studienlage stützt diese Behauptung jedoch nicht: Der Großteil der Untersuchungen findet hierfür keine Belege. Vielmehr fokussieren sich die Berichte auf wenige Ausreißer, deren Ergebnisse lediglich auffälliger sind.
Eine neue Analyse von Daten des sozio-oekonomischen Panels, einer vom DIW durchgeführten, repräsentativen Wiederholungsbefragung von Privathaushalten in Deutschland, ergab keinen signifikanten Unterschied in der Höhe der finanziellen Zuwendungen, die Jungen und Mädchen in Deutschland von ihren Eltern erhalten. Spannend ist das vor allem deshalb, weil Väter und Mütter bei Schenkungen und Erbschaften sehr wohl zwischen den Geschlechtern ihrer Kinder zu diskriminieren scheinen, wie frühere Studien des DIW belegen.
Augenscheinlich spielt es für Eltern bei großen finanziellen Entscheidungen also durchaus eine Rolle, ob ihr Kind ein Mann oder eine Frau ist – nicht aber beim Taschengeld. „Viele Leute sind der Ansicht, dass Frauen sich mit weniger ökonomischen Ressourcen zufriedengeben sollen als Männer, und vor diesem Hintergrund ist es eine besonders erfreuliche Nachricht, dass das auf Kinder offenbar nicht zutrifft.“, kommentiert Katharina Wrohlich, eine Autorin der Studie.
Niedriges Einkommen, hohes Taschengeld
Woran genau das liegt, bleibt zu klären. Es liegt aber nah, dass Eltern ihren Kindern im jungen Alter noch keine geschlechtsspezifischen Eigenschaften andichten, wenn es um Geld geht. Eine solche Unterscheidung stellt sich offenbar erst später ein.
Eine weitere Erkenntnis der Studie ist die, dass Kinder aus unterschiedlich einkommensstarken Haushalten nahezu das gleiche Taschengeld bekommen. Im Gegenteil: Kinder aus einkommensschwächeren Familien erhalten tendenziell sogar mehr Geld zur eigenen Verfügung als solche aus besser situierten. Die Autor*innen führen als mögliche Erklärung an, „dass ärmere Haushalte mehr Wert auf die finanzielle Selbstbestimmung ihrer Kinder legen als reichere.“
Leser*innenkommentare
Xanyd
Dass Frauen für gleiche Arbeit weniger Geld bekommen als Männer, ist eine ebenso traurige wie allgemein bekannte Tatsache.
Wenn ich diese Aussage lese schwillt mir der Kamm, weil hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. In tarifgebundenen Unternehmen wird gleich bezahlt, gleiche Arbeit - gleicher Lohn. Einen Branchen-Pay-Gap kenne ich aus eigener Erfahrung, identischer Job, andere Branche: 50% mehr.
Jeder Arbeitgeber würde doch nur noch Frauen einstellen, wenn er dann weniger Lohn zahlen kann.
Dorian Müller
"Die Autor*innen führen als mögliche Erklärung an, „dass ärmere Haushalte mehr Wert auf die finanzielle Selbstbestimmung ihrer Kinder legen als reichere.“"
Außerdem ist anzunehmen, dass ärmere Haushalte nicht das Geld für die zahlreichen Zusatzausgaben für Kinder haben, welche bei reicheren Familien oft nicht aus dem Taschengeld bezahlt werden müssen, wie Kleidung, Spielsachen, Kino, Schulsachen, etc.
CRSvsLOWA Fanboiii
@Dorian Müller Darüber hinaus gibt es halt auch die (Groß-)bürgerliche Neigung die "Blagen kurzzuhalten". Es ist mMn aber ein Unterschied im Aufwachsen, ob ich etwas nicht habe weil meine Eltern es nicht erlauben, oder sich nicht leisten können. Vergleichbar in meiner Erinnerung "Kinderarbeit": Bürgerliche haben zumindest bei Oma den Rasen für nen Heiermann gemäht, andere bekamen einfach mehr Taschengeld...
Klaus L.
Auch der Gender Pay Gap bei Erwachsenen relativiert sich bei genauem Hinsehen:
Der BEREINIGTE Gender Pay Gap ist die adäquate Größe, und für Deutschland liegt er mit 6%* deutlich unter den üblicherweise zitierten zweistelligen Werten (um die 20 %) .
"Der bereinigte Gender Pay Gap wird auf Basis der vierjährlichen Verdienststrukturerhebung berechnet. Hier wird jener Teil des Verdienstunterschieds herausgerechnet, der auf strukturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtergruppen zurückzuführen ist, wie Unterschiede bei Berufen, Beschäftigungsumfang, Bildungsstand, Berufserfahrung oder der geringere Anteil von Frauen in Führungspositionen. Es muss berücksichtigt werden, dass der ermittelte Wert eine Obergrenze ist. Er wäre geringer ausgefallen, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen zur Verfügung gestanden hätten, wie vor allem Angaben zu Erwerbsunterbrechungen. " **
Für Großbritannien wird eine Differenz von unter 1% festgestellt: "Women in the same job, at the same level, and in the same company as men are paid almost exactely the same. The difference is less than 1%" ***
* www.antidiskrimini...18_Lohnluecke.html
** www.destatis.de/DE...ender-pay-gap.html
*** counterweightsuppo...-are-everywhere-2/
Encantado
@Klaus L. "Der BEREINIGTE Gender Pay Gap ist die adäquate Größe, und für Deutschland liegt er mit 6%* deutlich unter den üblicherweise zitierten zweistelligen Werten (um die 20 %) ."
Wobei man noch hinzufügen sollte, dass diese 6 % eben nicht besagen, dass der Unterschied in der geschlechtsspezifischen Ungleichbehandlung liegt, sondern erst einmal nur bedeutet, dass man den Unterschied bei der vorliegenden Datenlage nicht erklären kann. Nicht mehr, nicht weniger. Daraus direkt Geschlechtsdiskriminierung abzuleiten wäre schlicht unredlich.