Kein Geld für Qualifizierung: Quirl ist insolvent

Der Beschäftigungsträger „Frauenbetriebe Quirl“ hat Insolvenz angemeldet und protestiert damit auch gegen Verfehlungen in der Arbeitsmarktpolitik.

Arbeiten und Lernen: Bei Quirl schaffte das bisher Perspektiven für 125 Frauen. Bild: Andrea Lühmann/Quirl

Der Beschäftigungsträger „Quirl“ hat Insolvenz angemeldet. Mit seinen Frauenbetrieben bietet der Verein 125 langzeit-erwerbslosen Frauen eine Perspektive, die auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten. In sechs Küchenbetrieben und Gasträumen, einem Waschsalon und einem Kolleg werden sie unterstützt und qualifiziert. Quirl existiert seit 27 Jahren und hat mittlerweile 85 MitarbeiterInnen, die meisten in Teilzeit. Etwa die Hälfte arbeite in den drei Kinderhäusern des Vereins, deren Betrieb laut Geschäftsführerin Katja Barloschky nicht gefährdet ist. Die Insolvenz ist dabei eine politische Ansage: Man ziehe damit „Konsequenzen aus den systemischen Verwerfungen arbeitsmarktpolitischer Förderinstrumente“, heißt es in einer Erklärung des Vereins.

Worum geht es? Die Frauen, die zu Quirl kommen, haben oft keinen Schulabschluss, sind alleinerziehend, können nicht so gut deutsch oder sind traumatisiert. Bei Quirl finden sie zusätzlich zu einem Ein-Euro-Job individuelle Unterstützung: Durch Sprachkurse oder Workshops, die erklären, wie man Kassenbücher führt oder mit Kunden redet. Acht Prozent der Frauen schafften dabei den Schritt in den ersten Arbeitsmarkt.

Bezahlt wird das mit Fördermitteln des Jobcenters. Doch seit im April 2012 diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente durch die Bundesregierung reformiert wurden, geht das nicht mehr so einfach. Ein-Euro-Jobs etwa dürfen nichts mehr mit Qualifizierung zu tun haben. Doch gerade die Kombination aus Arbeit und Lernen setze Quirl sinnvoll ein, so Vereinsvorsitzende Adelheid Biesecker. Ein Modellprojekt mit dem Jobcenter Bremen, bei dem den Frauen neben Ein-Euro-Jobs noch eine Qualifizierung genehmigt wurde, sei am enormen Verwaltungsaufwand gescheitert.

Zudem darf Quirl Einnahmen, wie etwa durch den Cateringbetrieb, nicht behalten: Etwa 460.000 Euro Umsatz machte der Verein damit 2012. Die 95.000 Euro Verlust des gleichen Jahres wären damit leicht ausgeglichen – doch laut Zuwendungsrecht müssen Gewinne abgeführt werden. Insgesamt fehlten pro Jahr mindestens 150.000 Euro, schätzt Barloschky.

Nun könnte Quirl darauf so kreativ reagieren, wie andere Weiterbildungsträger im Jobcenter-Maßnahmen-Dschungel: Hochbezahltes Abstellgleis für Hartz-IV-Empfänger sein, sie in Massen vor einen Computer mit Stellenanzeigen absetzen. Damit können Weiterbildungsträger Geld verdienen und die Jobcenter sind ihre „Kunden“ los.

Doch Quirl will das: Eckpfeiler wie die „hohe fachliche Qualität in der Betreuung der Teilnehmerinnen“, die „strikte Beachtung der gesetzlichen Vorgaben“, sowie „Tariflöhne für die MitarbeiterInnen“ will der Verein „nicht verleugnen“. Katja Barloschky wird noch grundsätzlicher: „Der repressive Charakter der Arbeitsmarkt-Politik, der sich mit der Instrumentenreform noch verschärft hat, hilft niemandem und entmündigt und entwürdigt die Menschen“, sagte sie zur taz.

Für Peer Rosenthal von der Arbeitnehmerkammer müsse man die Instrumentenreform gemeinsam mit den Kürzungs-Beschlüssen der Bundesregierung von 2010 betrachten: In der Folge seien Fördermittel für das Jobcenter Bremen von 70 Millionen Euro in 2010 auf 45,7 Millionen in 2012 gesunken. „Die Kürzung war völlig kontraproduktiv, insbesondere, wenn man arbeitsmarktfernen Gruppen eine Perspektive auf Teilhabe durch Arbeit ermöglichen will“, so Rosenthal.

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