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Kein Bürgerentscheid über OlympiaBerlin ist basisdemokratisch hinten dran

Kommentar von Stefan Alberti

Während in München, Kiel und Hamburg die örtliche Wählerschaft über eine Olympia-Bewerbung abstimmen darf, soll das in Berlin nicht möglich sein.

Ob es in Berlin nach 1936 nochmals Olympische Spiele gibt, ist offen. Ein Bürgerentscheid darüber ist jedenfalls nicht geplant Foto: Achille Abboud/Imago

F ormal hat die Senatssprecherin Recht. Ja, in der Berliner Landesverfassung ist es nicht vorgesehen, dass der Senat eine Volksabstimmung oder Bürgerbefragung ansetzt, mit der sich eine Olympiabewerbung basisdemokratisch klären ließe. Und ja, in Hamburg, wo am 31. Mai 2026 genau das passiert, ist das tatsächlich anders: Dort kann die Landesregierung, die dort ebenfalls Senat heißt, zumindest indirekt einen Bürgerentscheid anleiern. Das Landesparlament könne „auf Vorschlag des Senats oder mit dessen Zustimmung einen Gesetzentwurf oder eine andere Vorlage von grundsätzlicher und gesamtstädtischer Bedeutung zum Volksentscheid stellen“, heißt es dort in Artikel 50, Absatz 4b der Verfassung. Als Hürde ist eingebaut, dass dafür eine Zweidrittelzustimmung im Parlament nötig ist.

Auf diese Weise haben Hamburger schon einmal über eine Olympiabewerbung abgestimmt: Im November 2015 sprachen sich 51,6 Prozent gegen eine Bewerbung aus, knapp die Hälfte der Wahlberechtigten beteiligte sich. Die dafür nötige Verfassungsänderung beschloss das Parlament erst fünf Monate vorher.

In Berlin denkt man aber nun schon weit länger als fünf Monate über eine erneute Olympiabewerbung nach. Schon im Koalitionsvertrag, ausgehandelt im Frühjahr 2023, steht auf Seite 119: „Die Koalition bekräftigt die Bereitschaft, dass Berlin als ein Austragungsort im Rahmen einer nationalen Bewerbung um die Durchführung von Olympischen Sommerspielen zur Verfügung steht.“ Da wären also durchaus mehr als fünf Monate Zeit gewesen, etwas wie in Hamburg auf den Weg zu bringen.

Bürgerbeteiligung 2. Klasse

Gut, kann man nun sagen, die schwarz-rote Koalition hat im Abgeordnetenhaus keine Zweidrittelmehrheit und wäre auf die oppositionellen Grünen und Linken angewiesen gewesen. Hätten die ein Referendum, das der Senat nur anregen kann, über das aber das Parlament entscheidet, tatsächlich abgelehnt, wäre das zwar sehr befremdlich, aber trotzdem nicht das Ende aller Möglichkeiten gewesen. Ob breiter gefächerte Umfrage, ob nicht bindende Abstimmung im Auftrag des Senats – so manches wäre zumindest als Ausgangspunkt weiterer Überlegungen denkbar gewesen.

Was es stattdessen gibt, ist eine in diesem Juli gestartete Volksinitiative des Landessportbunds. Kommen dafür mindestens 20.000 Unterstützerunterschriften zusammen, muss sich das Abgeordnetenhaus mit dem Anliegen der Initiative befassen – hier eben die Olympiabewerbung. Die Olympiabefürworter erhoffen sich dabei ein klares Votum des Landesparlaments für die Spiele.

Doch im Vergleich zu dem, was demnächst schon beim weiteren Olympia-Aspiranten München, am 19. April in Kiel und eben am 31. Mai 2026 in Hamburg ansteht, ist das noch nicht mal Bürgerbeteiligung 2. Klasse. Senat und Abgeordnetenhaus, Regierung wie Opposition, Befürworter wie Gegner haben es sichtlich verpasst, Berlins Wählerschaft ein direktes Stimmrecht in Sachen Olympia zu geben.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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