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Kein Bleiberecht für GewaltopferDer Bund zeigt Härte

Berlin führt ein Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt ein, Thüringen will folgen. Der Bund hält nichts davon: Das berge zu hohes „Missbrauchspotenzial“.

Ein bleiberechtliches Signal gegen rechte Gewalt? Vorerst nur aus Brandenburg und Berlin Foto: ap

Berlin taz | Diese Woche verkündete Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) seinen Beschluss: Abschiebepflichtige Migranten, die Opfer rechter Gewalt wurden, erhalten ab sofort ein Bleiberecht. „Den Tätern muss klar gemacht werden, dass ihre Straftaten zu nichts führen und genau das Gegenteil dessen bewirken, was sie vielleicht im Kopf haben“, stellte Geisel klar.

Das rot-rot-grün geführte Berlin ist damit nach dem rot-roten Brandenburg das zweite Bundesland, das diese Regelung einführt. Auf der Innenministerkonferenz, die Anfang der Woche in Dresden tagte, warben beide Länder für ihre Idee.

Unterstützung kommt auch von den Grünen im Bundestag, sie fordern den Erlass im Bund. „Die Berliner Weisung setzt die Große Koalition unter Zugzwang“, sagte Volker Beck, Sprecher für Migrationspolitik. „Ein Bleiberecht für Opfer rechter Gewaltstraftaten müsste auf Bundesebene geschaffen werden.“ Eine Anzeigebereitschaft der Betroffenen könnte so erhöht, die Aufklärung der Straftaten verbessert werden, so Beck.

Bei Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) indes stößt die Forderung auf Granit. Ein Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt werde es nicht geben, sagte sein Sprecher der taz. „Aus Sicht des Bundesinnenministeriums sind diese Regelungen zur Bekämpfung rechtsmotivierte Gewaltstraftaten ungeeignet.“ Sie würden ein „erhebliches Missbrauchspotenzial“ bergen. Dies, so der Sprecher, habe de Maizière auch auf der Innenministerkonferenz bekräftigt. „Die Ahndung rassistisch oder extremistisch motivierter Straftaten muss den Strafgerichten vorbehalten bleiben und lässt sich nicht aufenthaltsrechtlich lösen.“

Berlins Innensenator Geisel hat einem Missbrauch der Regelung vorgebeugt. Stelle sich heraus, dass Betroffene selbst für ihre Opferrolle verantwortlich seien, gebe es kein Bleiberecht, teilte seine Verwaltung mit. Gleiches gelte für verurteilte Straftäter oder Gefährder.

Auf Länderebene hat sich dagegen bereits ein weiterer Nachahmer gefunden: Thüringen. Das rot-rot-grün geführte Land will als nächstes die Bleiberechtsregelung einführen. Ein entsprechender Erlass werde derzeit erarbeitet, bestätigte ein Sprecher des Justizministeriums am Donnerstag der taz.

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13 Kommentare

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  • Thomas de Maizière sieht „erhebliches Missbrauchspotenzial“. Wie kommt er nur darauf? Bei der tatkräftigen Unterstützung der rechten Szene durch bezahlte V-Leute hat er dieses Missbrauchspotenzial doch nie gesehen. Keine Frage - will man rechte Übergriffe unterbinden, muss man sie von vorneherein ins Leere laufen lassen, aber genau das will Thomas de Maizière nunmal gar nicht. Am Ende würde sein ganzes sicherheitspolitisches Kartenhaus noch einstürzen.

    • @Rainer B.:

      Sie können doch dem armen Herrn de Maizière nicht den Verfassungsschutz nehmen, den wollte er doch so gerne ausbauen! Tststs.... .

  • Ja, ich finde auch, es kann ja gar nicht angehen, dass geflüchtete Menschen, die auch hier Gewalt erfahren, bleiben dürfen.

     

    Schliesslich ist es viel praktischer, wenn sie wieder ausser Landes geschafft werden, es spart Kosten für die Therapie und auch das lästige Suchen nach den Täter*innen erübrigt sich dann. Schliesslich können wir nicht zulassen, dass die Statistik an rechter Gewalt steil nach oben geht. Nich? (Wer Zynismus findet: es ist nicht meiner!)

     

    Für unsere Bundesregierung kommt man, was die Asylpolitik betrifft, aus dem Fremdschämen nicht mehr heraus. Danke Berlin, bleibt widerständig!

  • Bestimmte Gewaltverbrechen (z.B. Brandstiftung in einem Heim) sind derzeit ausschließlich durch Ausländerfeindlichkeit motiviert und gehen ohne weitere Prüfung in die entsprechenden Statistiken ein. Wenn nunmehr das Abschiebehindernis als Motiv dazu kommt, dann entfällt denklogischerweise dieses "ohne Weiteres". Eine wunderbarer Zirkelschluss, der dafür sorgen müsste, dass die rechten Gewaltverbrechen statistisch schlagartig zurück gehen.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Das ist jetzt nicht das Wichtigste, aber es wäre doch schön, würden Artikel über rechte Gewalt nicht mit diesen ewigen Stiefeln mit weißen Schnürsenkeln bebildert.

     

    Diese Sorte Nazis muss man heutzutage ja eher mit der Lupe suchen. Sie sehen ja schon lange eher so aus wie Du und ich oder wie Autonome.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Und sofort haben Sie das Wichtigste des Artikels erkannt... (facepalm)!

    • @88181 (Profil gelöscht):

      ja das wäre wünschenswert. Damit das Bild des "Nazis" mal einem Update unterzogen wird.

  • Schön dass so eine Regelung für Berlin gelten wird. Denn Berlin steht für Vielfalt und Toleranz. Und diese Werte müssen wir alle gemeinsam beschützen! Es werden noch die Zeiten kommen und Berlin wird als die Hauptstadt für Menschenrechte überall in der Welt angesehen werden! Schon jetzt sind wir einer der beliebtesten Orte weltweit für Touristen, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Studenten und Migranten.

    • @Stefan Mustermann:

      Werden Sie von der Berliner Wirtschaftsförderung bezahlt oder vom Berliner Bund der Haus- und Grundbesitzer, der noch mehr Menschen nach Berlin locken will, damit die Mieten da noch etwas steigen?

      • @Age Krüger:

        Es ist im Interesse von jedem Landespolitiker, der die Regierung in einem Bundesland bildet, neue Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Touristen usw. in das eigene Bundesland zu locken. Wenn Immobilienbesitzer dabei Mietpreise zu erhöhen versuchen und dadurch u.a. die Mitpreisbremse missachten, dann muss man entscheidender dagegen vorgehen und die Politik darauf aufmerksam machen.

  • Man darf natürlich nicht vergessen, dass Menschen, die rechte Gewalt erfahren, erzählen das auch weiter. Und das schadet unserem gegenwärtigen Ruf in der Welt. Denn Deutschland ist ein Land, das sich am stärksten für die Gerechtigkeit, den Weltfrieden und die Menschenrechte in der Welt einsetzt.

     

    Ex-V-Mann und Neonazi verurteilt. Kindesmissbrauch in 156 Fällen.

    http://www.taz.de/!5025803/

     

    Zwei Männer haben in einer Berliner S-Bahn rassistische Parolen gegrölt. Dann pinkelte einer von ihnen auf zwei Kinder mit Migrationhintergrund. Augenzeugen riefen die Polizei.

    http://www.taz.de/!5226102/

     

    So etwas hätte in unserem Land nie geschehen dürfen!

     

    Rechte Straftaten müssen mit allen Möglichkeiten eines Rechtsstaates bekämpft werden!

  • aha...

    Wie wärs mal mit: Verbrechen überhaupt aufklären?

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Pepe le Pew:

      Da kann ich nur zustimmen!

      Wie wäre es mal mit Opferhilfe allgemein?

      Mit Unterstützung der Frauen, die ins Frauenhaus fliehen müssen? Mit Menschen, die sexuelle Gewalt erlebt haben? Die Liste ist erweiterbar.

      Wenn sich schon eine braune Dumpfbacke als Flüchtling ausgeben kann, dann vertraue ich voll und ganz auf die Behörden, dass sie Missbrauch vorbeugen können und Betrug erkennen.

      Absurd!