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Katholische KircheKeine Revolution

Kommentar von Lara Ritter

Eine neue Grundsatzerklärung des Vatikans erlaubt künftig auch die Segnung homosexueller Paare. Das ist aber noch lange keine progressive Kehrtwende.

Verhedderte Regenbogenfahne an einer katholischen Kirche in Osnabrück Foto: Jörg Sabel/imago

Kehrtwende“ (WDR)? „Revolution“ (Bild)? Wer die Schlagzeilen zum neuesten Beschluss der katholischen Kirche überfliegt, könnte glauben, der Papst hätte den ägyptischen Imam Ahmed al-Tajjeb auf die Lippen geküsst, wie in der Benetton-Kampagne aus dem Jahr 2011. Dabei sieht die am Montag veröffentlichte Grundsatzerklärung des Vatikans keineswegs eine Anerkennung homosexueller Paare vor. Der Beschluss besagt lediglich, dass auch gleichgeschlechtliche und nichtverheiratete Paare in kirchliche Ritualen miteinbezogen werden sollen.

Bei Wallfahrten, Begegnungen mit Priestern und kollektiven Gebeten etwa sollen auch sie ein Kreuzchen auf die Stirn erhalten oder mit Weihwasser besprengt werden dürfen – ebenso wie Autos, Traktoren und sonst allerlei Dinge. Das ist insofern neu, als eine Erklärung des Vatikans von 2021 die Segnung homosexueller Paare noch ablehnte.

Im Rahmen von Eheschließungen ist sie auch zukünftig nicht vorgesehen, sie darf weder während eines Gottesdiensts noch im Standesamt erfolgen. Reformbewegungen innerhalb der katholischen Kirche wie „Wir sind die Kirche“ und das Katholische LSBT+-Komitee begrüßen den jetzigen Beschluss, weisen aber darauf hin, dass sich an der Haltung der Kirche zu Beziehungen abseits der heterosexuellen Ehe nichts geändert hat.

In seinem 45 Absätze langen Beschluss bekräftigt der Vatikan vielmehr seine bisherige Haltung zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Sollte das im allgemeinen Gejubel untergegangen sein: Diese ist zutiefst konservativ und liefert die Grundlage für die weltweite Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare, also die Vorstellung, dass ihre Beziehung nicht „natürlich“ sei.

Good News? Wohl eher nicht

Die Vorstellung einer „natürlichen, vorherbestimmten“ Daseinsweise kommt nämlich nicht ohne Gott aus. Und der gibt gleichgeschlechtlichen Ehen, das lässt sich auch anders formuliert in der Erklärung nachlesen, kein Go, sondern ein No. Dass niemand den Beschluss für progressiv hält, dessen wollten sich die Erklärungsschreiber ausdrücklich versichern.

Wenn es nach dem Vatikan geht, sollen sich homosexuelle Paare lieber von Gott bekehren lassen

Es wäre ein „Skandal“, verlautbart der Vatikan wortwörtlich in Absatz 39 der Erklärung, würde die Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares mit dem Sakrament der Ehe verwechselt werden. Dieser Verwechslungsgefahr müsse vorgebeugt werden, nichts an der Segnung (also auch nicht „Kleidung, Zeichen und Worte“) dürfe an eine Hochzeit erinnern.

Etwaige Grauzonen, die in diesem Beschluss enthalten sein könnten, werden dadurch sorgfältig ausgeschlossen. Es scheint, als hätten sich die Denker hinter diesem Entwurf alle möglichen Szenarien ausgemalt – etwa, dass gleichgeschlechtliche Paare im Hochzeitskleid pilgern, um sich so das Sakrament der Ehe zu erschleichen. Es ist deshalb ein Skandal, dass manche den Vatikan nun verdächtigen, progressiv zu sein.

Wieso hat sich der Vatikan dann mit so einem Beschluss auf das Fahrwasser der medialen Eigenlogik begeben, die in der Nachricht am liebsten eine „Kehrtwende“ wittern will? Grund dafür ist, dass der im Juli neu ins Amt versetzte Glaubenspräfekt Víctor Manuel Fernández die katholische Seelsorge lebensweltlicher gestalten will.

Er sitzt in vielen hochrangigen Gremien des Vatikans und ist unter anderem an der offiziellen Auslegung kirchlicher Gesetzestexte beteiligt. Wenn es nach ihm geht, sollen Pfarrer und Bischöfe in der kirchlichen Praxis Sün­de­r:in­nen nicht canceln, sondern ihnen gegenüber Barmherzigkeit walten lassen.

Allen soll die Erfahrung Gottes ermöglicht werden. Dass Fernández nicht angetreten ist, um die Kirche auf einen progressiven Pfad zu bringen, war auch schon vor der Erklärung am Montag klar. Zu Reformvorhaben der deutschen Kirche äußerte er sich in der Vergangenheit kritisch. Diese ist nämlich in einigen Fragen offener als der Vatikan und plant, ab März 2026 offizielle Segensfeiern für homosexuelle Paare zuzulassen. In der Vergangenheit wurden diese mitunter aus Protest ohne Einverständnis des Vatikans durchgeführt.

Wenn es nach dem Vatikan geht, sollen sich homosexuelle Paare lieber von Gott bekehren lassen. So zumindest ließe sich der ebenfalls in der Erklärung enthaltene Satz verstehen, auch jene, deren Beziehungsform nicht der Ehe entspricht, sollen Gottes „Hilfe erflehen und zu einem besseren Verständnis seines Plans der Liebe und der Wahrheit geführt werden“. Good News? Wohl eher nicht.

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13 Kommentare

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  • Nun, ein Verein legt sich und seinen Mitgliedern Regeln auf. So weit normal.

    Wer diese Regeln nicht will, muss nicht Mitglied dieses Vereins sein. Sollten die Eltern die Mitgliedschaft unterschrieben haben, kann man mit 14 austreten.

    Das gilt nicht nur für die Kirche.

    • @Angelika70:

      Sorry, das ist eine formalistische Blase, die die Lebenswirklichkeit katholisch aufwachsender und sozialisierter queerer Menschen und ihrer Familien (und übrigens auch ihrer Gemeinden) komplett negiert. Religions- und Kirchenzugehörigkeit ist kein Buchclub, den ich mal eben kündige, wenn mir das Angebot nicht mehr gefällt.



      Menschen sind in schwere Gewissenskonflikte gestoßen worden, manche Familien in die Zerreißprobe. Junge Menschen haben unter Druck schwerwiehende Entscheidungen getroffen, sind in den Zölibat oder manchmal auch in den Freitod geflohen. Viele Menschen haben ihr ganzes Leben für diese Kirche gearbeitet und mussten dabei zwanzig, dreißig, vierzig Jahre Partnerschaft und Liebe leugnen und verstecken.



      Also alle nur zu blöd zum Austreten?

  • Danke für die fundierte Konkretisierung der Nachricht, die ich zuerst begrüßt habe.



    So ganz negativ möchte ich den Umstand allerdings nicht bewerten.



    Es ist Jahrzehnte her, dass in meinem Heimatort Fahrzeuge, in erster Linie fahrradfahrende Kinder, gesegnet wurden.



    Am Ende einer Messe werden die Menschen gesegnet und Kranke und Verstorbene ebenso.



    Die Segnung wir in dem Artikel unverhältnismäßig herabgewürdigt.



    Der Vatikanstaat ist nicht progressiv.



    Der Katholizismus ist nicht progressiv.



    Allerdings wird Homosexualität in 66 Ländern strafrechtlich verfolgt, in 12 Ländern droht die Todesstrafe.



    Demgegenüber darf die Entwicklung in der katholischen Kirche durchaus als positiv bewertet werden.

  • Im Übrigen soll jeder so leben, wie der Herr es ihm zugemessen, wie Gottes Ruf ihn getroffen hat. 1 Kor 7,17



    Das klingt doch eindeutig.



    Na gut, Paulus war auch nur Kind seiner Zeit:



    Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und jede soll ihren Mann haben. 1 Kor 7,2

  • Ich vermute, das Problem des Vatikan ist vor allem der schmerzhafte Grätschschritt zwischen den mit zunehmender Geschwindigkeit auseinanderdriftenden regionalen Teilen bzw. ideologischen Fraktionen seiner Kirche. Zum Glück trägt man Talar, eine Hose würde das nicht aushalten. Aus ersterem kann man selbst dann noch smartes Gesäusel hervorzaubern, wenn es im Schritt schon knackt.

    • @mats:

      Gutes Gleichnis, Ich finde auch, die Autorin sieht es zu kritisch. Wobei ich den Spagat, den der Papst für die Weltkirche hinlegen muss, eher einer Blutgrätsche gleicht, die von z.B. Uganda mit seinen 40 Prozent Katholiken wo auf schwere Homosexualität die Todesstrafe steht und z.B. Deutschland reicht, wo Teile des synodalen Wegs die kirchliche Homoehe fordern, wenn er alle unter eine Tiara bekommen will.



      Aus dem Blickwinkel katholischer Evolution betrachtet, also dass Veränderungen so langsam abzulaufen haben, dass die Alten wegsterben, bevor sie es bemerken und die Jungen meinen, es wäre schon immer so gewesen, legt er noch dazu geradezu einen Sprint hin:



      Lagen bei interkonfessionellen Paaren zwischen Exkommunikation und Segnungserlaubnis noch mehrere Jahrhunderte und zwischen Segnungserlaubnis und Akzeptanz als Vorbild gelebter Ökumene 75 Jahre.



      Das ist ein Hürdenlauf im Minenfeld. Aber wie sagte schon ein berühmter Punchingball der Dogmatiker: Sie bewegt sich doch, nur um es selbst zu erleben, muss man ein paar andere Reinkarnationen hinlegen.

      • @Euromeyer:

        "Uganda"



        @PHILIPO1000: In 66 Ländern der Welt wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt. In 12 Ländern kann die Toesstrafe verhängt werden.



        Es wird also, meine ich, nicht allein um die inerkirchlichen Konflikte gehen, welche der päpstliche Beschluss nachsichziehen könnte. Er ist ernst auch in der "Außenwirkung".



        Ich versuche mir vorzustellen, welche Position z. B. die kath. Kirche - durchaus unter Gefahren - nun in Uganda gegenüber dem dort herrschenden Regime einnimmt.



        Mit der Segnung zeigt diese Kirche, dass sie gläubige homosexuelle Menschen, bei allem Wenn und Aber, als Teil ihrer Gemeinschaft sieht! Plötzlich wirkt der Satz des Papstes "Wer bin ich, dass ich sie verurteile" (die Homosexuellen) gar nicht mehr so "harmlos". Die Kirche verurteilt nicht mehr (nur). Beinhaltet der nun auszusprechende Segen auch ein gewisses Schutzversprechen der Kirche an ihre homosexuellen Gläubigen? Eigentlich schon, meine ich. Und wie wird sich die kath. Kirche nun gegenüber der Regierung in Uganda angesichts der ganz ungerchtfertigten Strafandrohungen an die Homosexuellen des Landes positionieren?



        Da können schwere Konflikte entstehen. Ich möchte da nicht mit hämischen Blick auf die kath. Kirche oberflächlich sagen, ach die werden sich schon kompromisslerrich arrangieren. (Sowas sagt Ihr Kommentar natürlich nicht. Um es unmissverständlich zu machen).



        Und ich sage auch nicht, die kath. Kirche hätte bisher aus solchen Gründen sich nicht zu einem solchen Entschluss durchgerungen.



        Ich meine, auch wenn das alles innerkirchlich keine "Revolution" ist, der Beschluss kann schwierige, sehr ernste Folgen haben, welche die kath. Kirche mit Blick auf ihre Grundsätze der Menschlichkeit ALLEN (auch "Sündern" und denen gerade) gegenüber hat.



        Wie wird sich z. B. die polnische kath. Kirche positionieren, insofern Teile ihres Klerus den konservativen bis reaktionären pol. Kräften nahe stehen - die selbst die Homosexualität im Bündnis mit einer Kirche verteufelt sehen?

        • @Moon:

          Nun, der Papst Franziskus ist mir eigentlich recht sympathisch, denn er regiert prinzipiengetrieben. Das schützt ihn nach innen und nach außen. Und er weiß seine Akzente zu setzen. Ich glaube, die Blutgrätsche ist nicht sein eigenes persönliches Problem (er weiß schon, wo er steht), sondern die der anderen innerhalb seiner klerikalen Ämterpyramide, auf deren Spitze er balanciert.



          Was Uganda angeht, hat er sich (übrigend kurz vor seinem Besuch in dem Land) deutlich positioniert: www.katholisch.de/...on-homosexualitaet

          • @mats:

            Vielen Dank für Kommentar und Link.



            Ich habe ja im Grunde nur Vermutungen angestellt. Der verlinkte Artikel hilft nun sehr, eine Informationsbasis dazu zu schaffen, welche tatsächliche kirchenpolitische, gesellschaftspolitische und staatspolitische Prozesse/Geschehnisse im Gang sind. Wichtig z. B., weltweite Bemühungen, Homosexualität zu entkriminalisieren und da religiöse Vorbehalte zurückzunehmen.

            Dazu kann ich den Artikel sehr empfehlen.

  • Ach was! ©️ Vagel Bülow z 💯



    👰‍♂️💒👰‍♂️ & 🤵💒🤵

    Ok Ok. Aber was ist mit der anderen Hälfte der Vatikanis & deren Anhang?!



    Fränzchen - da ist noch Luft nach oben! Newahr



    Normal Schonn - wa!

    Ende des Vorstehenden

  • Ein kleine Revolution. Jetzt können sich homosexuell Paare genauso segnen lassen wie Tiere oder Fahrzeuge.

    • @Stoffel:

      Ich glaube kaum, dass die Katholische Kirche diese oberflächliche Sicht auf Segen teilt und Dinge mit Menschen gleich setzt.

      Für das was ein Segen ist, hätte ein wenig Hintergrundrecherche bei Wikipedia gereicht: de.wikipedia.org/wiki/Segen

      • @Rudolf Fissner:

        Die reicht eben nicht. Denn Tiersegnungen z.B. können in festgelegten Formeln innerhalb eines Tier- oder Schöpfungsgottesdienstes erteilt werden. Da sind die Tiere also sogar besser dran als gleichgeschlechtlich liebende Menschen.