Katholische Kirche kassiert reichlich: Streit um das lukrative Haus Gottes
Die Moschee-Kathedrale in Córdoba ist ein nationales Monument. Trotzdem hat die Katholische Kirche den Bau als ihren Besitz requiriert.
Madrid taz | Ein UNESCO-Weltkulturerbe sorgt für Schlagzeilen. Wem gehört die einstige Moschee und heutige Kathedrale im südspanischen Córdoba, der Katholischen Kirche oder der Allgemeinheit? Darüber streiten die andalusische Regionalregierung und das Bistum der Stadt, die einst im Mittelalter eines der wichtigsten Zentren des damals muslimischen Spaniens war.
Die 22.000 Quadratmeter große Moschee aus dem 8. Jahrhundert mit einer Kathedrale im Zentrum des Gebäudes aus dem 16. Jahrhundert hatte bis 2006 keinen offiziellen Besitzer. Dann ließ das Bistum von Córdoba den Gebäudekomplex für eine Gebühr von 30 Euro ins Grundbuchamt eintragen.
Rund 140.000 Bürger haben seit Mitte Februar eine Petition unterschrieben, das historische Bauwerk zurück in Gemeineigentum zu überführen. Die sozialistische Regionalregierung Andalusiens prüft rechtliche Schritte, um das zu bewerkstelligen.
„Die Moschee-Kathedrale gehört den Bürgern. Sie ist ein Kulturgut, nationales Monument und Weltkulturerbe. Jedwede private Aneignung ist deshalb rechtlich nicht haltbar, denn es handelt sich um ein öffentliches Gut“, heißt es in dem Manifest „Retten wir die Moschee von Córdoba“, das selbst von bekannten Künstlern wie den beiden Schriftstellern Antonio Muñoz Molina oder Antonio Gala sowie dem Architekten Norman Forster unterzeichnet wurde.
ZTAcht Euro Spende als Eintritt
Es ist der vorläufige Höhepunkt im Streit um ein Gesetz aus dem Jahre 1996. Die damals unter der konservativen Regierung von José María Aznar verabschiedete Reform ermöglicht es den Bischöfen, seither tausende Kirchen, Kathedralen, Pfarrhäuser, ja selbst Garagen, Schulen und Grundstücke im Grundbuchamt eintragen zu lassen, die bisher als Gemeineigentum galten. Denn jahrhundertelang waren die Tempel nicht im Grundbuchamt vermerkt, die Gemeindemitglieder sorgten für ihren Unterhalt und für fällige Renovierungsarbeiten.
Nicht nur in Córdoba, in vielen Dörfern regt sich Widerstand. Das Privileg der Ersteinschreibung ins Grundbuch stand bis zur Reform nur dem Staat und den Gemeindeverwaltungen zu. „Die Katholische Kirche genießt Privilegien, die eher zum vordemokratischen Regime passen als zu einem nichtkonfessionellen Staat“, beschwert sich der Kirchenrechtler Alejandro Torres.
In Córdoba geht es um Millionen. Alleine im vergangenen Jahr zählte das Monument 1,4 Millionen Besucher. Die Kirche als offizieller Besitzer verlangt acht Euro als „Spende“. Eintritt darf für Kultgebäude laut Gesetz nicht verlangt werden. Doch wer sich weigert zu bezahlen, darf den Tempel nicht betreten. Die „Spenden“ sind steuerfrei.
ZT Das Wort Moschee gestrichen
Das Bistum in Córdoba tut alles, um das muslimische Erbe des Gebetshauses vergessen zu machen. Im offiziellen Pamphlet, das den Besuchern ausgehändigt wird, ist kaum von der Moschee die Rede. Es habe einen „islamischen Eingriff“ ins Bauwerk gegeben und nicht umgekehrt, wie es der historischen Reihenfolge entsprechen würde.
Führungen in der Kathedrale – das Wort Moschee wurde vom Bistum aus dem Namen gestrichen – dürfen nur diejenigen veranstalten, die von kirchlicher Seite eine Genehmigung erhalten haben. Dazu sind ein dreijähriger Kurs über christliche Kunst und Kultur sowie eine Prüfung nötig.
Der Zutritt wird von privaten Wachleuten kontrolliert. 2010 wurden acht junge Muslime aus Österreich von den Wachen daran gehindert, vor der Mihrab zu beten. Dies ist, so die Auflagen des Bischofs, verboten. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Ein Richter sprach die Betroffenen im Prozeß frei. Das Verbot für Muslime sei nicht rechtmäßig.
Leser*innenkommentare
noevil
Eine bodenlose Dreistigkeit der Katholischen Kirche. Das verstößt gegen eines der wichtigsten Gebote der Glaubenslehre "Du sollst nicht stehlen". Es ist nicht Eigentum der Kirche - es ist Gemeinschaftseigentum.
Gast
Gast
@noevil Schon komisch, wie plötzlich sakrale Bauten Gemeinschaftseingentum sind, obwohl viele Menschen sich als nicht gläubig bezeichnen. Sie sagen doch auch nicht, dass die Kletterhalle des Deutschen Alpenvereins allen Menschen in Deutschland gehört.
D.J.
Gast
@El Niño Culo Cura Joder
"Ich würde diese Prunkbauten abreißen oder in Wohnhäuser für Obdachlose umbauen. Dass für den Erhalt der Kirchen Steuern verschwendet werden, ist ein Skandal."
Vermute, Sie wollten nur ein wenig provozieren. Etwas infantil, meinen Sie nicht?
Zum Thema:
Was das islamische Gebet vor dem Mihrab betrifft, sollte man es sicher nicht verbieten. Immerhin hat Joh. Paul II. 2001 vor dem Schrein Johannes' des Täufers in der Umayyadenmoschee zu Damaskus auch gebetet. Aber es ist eine einfache Frage von Respekt und Höflichkeit, zuvor zu fragen. So wie es selbst der keinesfalls bescheidene syrisch-muslimische Adlige und bekannte Chronist Usama ibn Munqidh tat, als er Mitte des 12. Jh. das von den Kreuzfahrern eroberte Jerusalem betrat: Sogar die Templer erlaubten ihm, in der nun als Kirche genutzten al-Aqsa-Moschee zu beten.
Desinformation statt Journalismus
Gast
Man sollte schon so fair sein zu erwähnen, daß anstelle des Bauwerks früher eine Kirche stand, diese von den islamischen Besatzern abgerissen und an der Stelle eine Moschee errichtet wurde. Anders als in der Türke die Hagia Sophia ist die Kirche seit der Rückerberung wieder im Dorf allerdings lies man das wunderbare Gebäude stehen. Der sozialistischen Regierung geht es darum wieder eine Moschee daraus zu machen wie es Araber in Spanien fordern. Darum geht es im Streit und deshalb hat die Kirche das Gebäude eintragen lassen. Der Artikel informiert nicht sondern desinformiert gezielt. Ich bin der allerletzte Kirchenfreund aber ein großer Freund des Journalismus. Der Artikel ist journalistische Körperverletzung.
Norbert
Gast
Bitte auch einen solchen Beitrag über die Hagia Sophia (ehemals größte Kirche der Welt). Die soll nämlich wieder Moschee werden...
Inoculum
Und die Hagia Sophia war früher eine Kirche und danach eine Moschee (nun Museum) so what??
Muss mich meinem Vorredner anschließen wenn es um den Erhalt alter Gebäude durch die Kirche geht.
Anders
Gast
@Inoculum Die Hagia Sophia wurde von den Bewohnern Constantinopes in ihrer Stadt errichtet. Die bewohner wurden teils ermordet und die Überlebenden zuletzt in den 50ern bei pogromen endgültig verjagt. Die Situation ist also eine ganz andere. Es ist so als ob Inder eine Kirche welche an der Stelle eines von Briten abgerissenen Hindutempels stünde heute als Hindutempel nützen würden und im Land lebende Briten sie wieder zur Kirche umwandeln möchten.
Hans
Gast
Aha, und die Mauren/Almohaden wurden nicht von der spanischen Krone in der Reconquista abgeschlachtet und vertrieben?
Zudem das Oströmische Kaiserreich primär durch den vernichtenden Schlag der plündernden Venezianer und ihrer Kreuzritterknechte untergegangen ist, was es leicht für die Osmanen machte, Konstantinopel zu erobern.
Ihr Vergleich mit Indien ist unpassend. Erst stand dort ein römischer Tempel. Dieser wurde zerstört. Dann eine christl. Kirche, welche zerstört wurde. Dann eine Moschee, welche umfunktioniert wurde. Das Bauwerk bleib.
Soso
Gast
@Hans Die Mauren wurden vertrieben? Ja. So wie die Wehrmacht aus Russland. Nur hat es länger gedauert.
Hans
Gast
Es kommt immer auf die Sicht an. Aus Sicht der Mauren/Almohaden sicherlich. Vielleicht haben Sich die Mauren gewehrt. Nicht so wie die Juden Spaniens, die vetrieben oder zwangskonvertiert wurden.
Doch Sie wollen doch wohl bitte nicht die Almohaden mit der Wehrmacht gleichsetzen?!
Waage69
Ich bin ja eigentlich kein großer Freund der kath. Kirche aber ein Händchen für alte Gebäude hat sie schon. Vor allem ist sie sehr kreativ wenn es darum geht Geld beim Staat oder durch Kollekten bei den Gläubigen für den Erhalt ihrer Liegenschaften loszueisen.
Der Erhalt der altehrwürdigen Moschee und heutigen Kathedrale ist auf Jahrhunderte gesehen bei der Kirche eher gesichert als beim Staat der ohne Druck der Kirche kaum in das Gebäude investieren und immer in Versuchung ist es bei erst bester Gelegenheit zu versilbern (oder wohl eher zu verramschen...)
Man denke an das trauriger Schicksal ehemals prächtigster Klosteranlagen in Frankreich und Deutschland nach der Säkularisierungen Ende des 18ten und zu Beginn des 19. Jhd.
El Niño Culo Cura Joder
Gast
@Waage69 Ich würde diese Prunkbauten abreißen oder in Wohnhäuser für Obdachlose umbauen. Dass für den Erhalt der Kirchen Steuern verschwendet werden, ist ein Skandal.
Historiker
Gast
@Waage69 das 19. Jahrhundert ist wirklich ein super Beispiel, vielleicht solltest du noch weiter zurückgehen in der Geschichte und ähm was weiß ich, plündernde Wikinger anführen um deine Argumente zu unterstützen.
Waage69
@Historiker Der Historiker zieht zeitlich schon mal einen weiten Bogen und wie Sie an @El Niño Culo Cura Joder- sehen bringt jedes Zeitalter neue Wikinger (oder waren es Vandalen oder doch eher Jakobiner!?) hervor.
Gast
Gast
Ich bin ja kein großer Fan von der Katholischen Kirche und Religion im Allgemeinen, aber man hätte auch schreiben dürfen, dass vor der Moschee dort eine Kirche stand, die von den Moslimen zerstört wurde und an deren Stelle besagte Moschee gebaut wurde.
Man kann sich auch vorstellen, wie geil es die Moslems in Istanbul fänden wenn plötzlich ein haufen verrückter in der Hagia Sophia die Messe feiern will.
P.S. mir ist natürlich klar, dass a) die Hagia Sophia heute ein Museum ist und b) mein Kommentar nicht veröffentlicht wird, wie gut 70% meiner Kommentare trotz Einhaltung der Netiquette c) sollte der Kommentar doch veröffentlicht werden, liegt es an meiner Bemerkung unter b) um diese zu widerlegen.
Na sowas
Gast
@Gast Nur 70 %? Hast du aber eine tolle Quote.
Na sowas
Gast
"Es habe einen „islamischen Eingriff“ ins Bauwerk gegeben und nicht umgekehrt, wie es der historischen Reihenfolge entsprechen würde."
Als Atheist habe ich mit der (katholischen) Kirche rein gar nichts am Hut. Aber mit der Wahrheit, bei der man bleiben soll. Dazu gehört die Vollständigkeit. Dort stand vor der Moschee ein christlicher Kultbau, in den ein (massiver, wenn auch architektonisch toller) islamischer Eingriff erfolgte. Nach der Vertreibung der Mauren wurden die alten Besitzverhältnisse und die alte Nutzung wiederhergestellt.
Auch ich bin der Ansicht, dass der Bau nationales Kulturerbe sein soll. Allerdings würde ich mir solche (publizistische) Unterstützung auch für die Hagia Sophia in Istanbul wünschen, die der türkische Staat aktuell in eine Moschee umwandeln will.
Hans
Gast
Sie haben ja noch nicht mal sich die Mühe gemacht, das gesunde Halbwissen (Wikipedia) dazu zu bemühen.
Richtig wäre es, zu schreiben: Es befand sich an der Stelle ein römischer Tempel. Nach seiner Zerstörung eine christliche Kathedrale. Und nach deren Zerstörung wurde dort eine Moschee errichtet, die von Christen zu einer Kathedrale umfuktioniert wurde. Alles eine Geschichte der Vertreibung, wie ich als Neuheide es empfinde. Ein Vorher gab es immer.
Die Hagia Sophia ist ebenso auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste und großartige weitere bauliche Veränderungen dürfen eh nicht durchgeführt werden. Die Rückwandlung in eine Moschee (es war nämlich lange Zeit eine) wird in der Tat von der Partei Erdogans gefordert. Die Frage ist, wie lange die noch an der Macht sind. Die Fordern auch Facebook und Youtube zu sperren. Aber ich gebe Ihnen da Recht, von dieser bizarren populistischen Forderung wurde hier in Deutschland wenig berichtet.
Gast
Gast
@Hans Nur, dass das Christentum die Nachfolgereligion innerhalb des selben Staates war, also die Christen die Stadt nicht erobert hatten und dann den Tempel abgerissen haben, sondern es die gleichen Menschen waren. Wohingegen die Mauren die Stadt eroberten... sie sehen den Unterschied, oder?
Hans
Gast
Aha, also wenn die Mehrheit in einem Staat sich entschließt, plötzlich einer anderen Religion zu huldigen, rechtfertigt das die Zerstörung der Tempel der plötzlichen Minderheit und ihre Verfolgung?
Ich empfehle Ihnen mal sich mit dem Wandel der Religion im Römischen Reich vom Vielgötterglauben zum Eingottglauben zu beschäftigen. Die sind nicht alle freiwillig konvertiert.