Karstadt am Hermannplatz: Mögliches Ende eines Retro-Traums
Bei der Karstadt-Rekonstruktion am Hermannplatz könnte der österreichische Investor Signa am Denkmalschutz des bisherigen Gebäudes scheitern.
„Die denkmalschutzrechtlichen Abstimmungen mit dem beauftragten Büro zeigen, dass die Umsetzung des Neubauprojekts der Signa voraussichtlich nicht genehmigungsfähig ist“, sagt Friedrichhain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) der taz. Obwohl dem Bezirk die Planungshoheit bereits im November 2021 entzogen wurde, nimmt er weiterhin an den Abstimmungen zwischen dem Landesdenkmalamt und dem mit der Planung beauftragten Architekturbüro teil. Allein aus Gründen der Baustatik könne der Umbau nicht ohne den Rückbau dieser geschützten Bauteile umgesetzt werden, so Schmidt.
Eine Stellungnahme der zuständigen Senatsverwaltung für Kultur und Europa, dem das Landesdenkmalamt unterstellt ist, scheint Schmidts Einschätzung zu bestätigen. „Die Bauteile des Karstadt-Gebäudes von 1929 und 1951/52 sind zusammen aufgrund ihrer baugeschichtlichen, baukünstlerischen und städtebaulichen Bedeutung in die Denkmalliste eingetragen“, sagt Daniel Bartsch der taz.
Das 1929 errichtete Vorgängergebäude galt damals als größtes und modernste Warenhaus Europas. Der an das Chrysler Building in New York erinnernde Art-déco-Stil sollte Berlins Status als Weltstadt unterstreichen. In den letzten Kriegstagen wurde das Gebäude jedoch von der SS gesprengt, damit es nicht der anrückenden Roten Armee in die Hände fällt. Zurück blieb nur ein kleines Gebäudefragment am Südflügel, das heute immer noch erhalten ist.
Mit dem steigenden Konsumbedarf immer größer
Der Nachfolgebau von 1952 fiel deutlich bescheidener aus. Ein simpler Funktionsbau, der an das verbliebene Gebäudefragment anschließt, aber nur gut halb so hoch ist. Mit dem steigenden Konsumbedarf wurde Karstadt immer wieder erweitert – zuletzt in einem aufwendigen Umbau 1999, bei dem das Gebäude seine heutige Form erhalten hat.
„Das Gebäudeensemble macht Brüche in der Geschichte deutlich“, erklärt Niloufar Tajeri die baugeschichtliche Bedeutung des Komplexes. Die Architektin engagiert sich seit Jahren in der „Initiative Hermannplatz“ und ist auch aus architekturhistorischen Gründen gegen Signas Vorhaben. Auf einen Blick würden hier die Zerstörung des Krieges und die Mühen des Wiederaufbaus sichtbar, an dem gerade Gastarbeiter:innen maßgeblich beteiligt waren, sagt Tajeri. „Im Gebäude spiegelt sich auch die Geschichte der Migration.“
Die Aussagen der Senatsverwaltung legen nun nahe, dass gerade dieses architektonische Zusammenspiel zwischen Vor- und Nachkriegsarchitektur schützenswert ist – also nicht nur das Fragment von 1929, sondern auch der Nachfolgebau von 1951, das an das Fragment anschließt. Bereits 1990 wurde das Gebäudeensemble in die Denkmalliste eingetragen. Bei den bisherigen Diskussionen über Signas Bauprojekt wurde nur ein Denkmalschutz des Fragments von 1929 angenommen.
Als Signa 2019 seine Pläne bekannt gab, wollte es zunächst bis auf das Fragment von 1929 den gesamten Nachkriegskomplex abreißen. Nach der Kritik aus Politik und Zivilgesellschaft, dass der Abriss eines funktionstüchtigen Gebäudes aus ökologischen Gesichtspunkten nicht tragbar sei, machte Signa im Frühjahr 2021 eine Kehrtwende: kein Abriss, sondern eine radikale Entkernung mit einem anschließenden Holzaufbau.
Doch an der historischen Fassadenrekonstruktion wollte das Unternehmen weiterhin nicht rütteln. Gründe dürften weniger die architektonischen Präferenzen des umstrittenen Signa-Gründers René Benko sein, sondern handfeste Verluste, die Signa erleiden würde, falls es die historische Rekonstruktion nicht umsetzen kann. Das Immobilienunternehmen generiert Gewinne in erster Linie durch die Bewertung seiner Projekte, auf deren Grundlage Kredite für neue Projekte aufgenommen werden – selbst wenn diese noch nicht realisiert worden sind.
Möglichst monumental und prestigeträchtig
Deswegen versucht Signa immer möglichst groß, monumental und prestigeträchtig zu bauen. So dürfte sich die Faszination für den Glanz der 20er Jahre, die Signa mit dem Umbau wiederzuerwecken verspricht, direkt in höheren Immobilienbewertungen niederschlagen.
Dabei sah bislang alles danach aus, als könnte Signa seinen Retro-Traum erfüllen. Ausgerechnet die erste Insolvenz des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt, dessen Eigentümerin Signa ebenfalls ist, ebnete den Weg. Noch 2019 drohte das Projekt an einem Veto von Baustadtrat Florian Schmidt zu scheitern. Doch im August 2020 schloss Signa mit dem damaligen Senat einen „Letter of Intent“ genannten Deal.
Im Gegenzug für mehrjährige Bestandsgarantien für vier von der Schließung bedrohte Warenhäuser sicherte der Senat dem Unternehmen zu, planerische Hürden für den Karstadt-Umbau und zwei weitere umstrittene Großprojekte aus dem Weg zu räumen.
Dass der Denkmalschutz ebenfalls dem Letter of Intend zum Opfer fällt, ist aber unwahrscheinlich. „Grundsätzlich wird die Bestimmung des Denkmalwerts nicht durch bestimmte Interessen nachgesteuert“, stellt Senatssprecher Bartsch klar. Zwar liefen die Untersuchungen noch, aber „fundamental neue Erkenntnisse“ seien nicht zu erwarten.
Unklar ist bislang, inwiefern Signa die Planungen an die Denkmalschutzbestimmungen anpassen wird. Auf taz-Anfrage hält das Unternehmen unverändert an der historischen Gestaltung fest: „Die Wiederherstellung der Gesamtfassade von 1929 steht grundsätzlich nicht zur Debatte“, sagt Signa-Sprecher Sebastian Schmidt. Es ginge lediglich darum, wie sich das erhaltene Gebäudefragment stärker von der neuen Fassade abheben kann.
Die widersprüchlichen Formulierungen legen nahe, dass es hinter den Kulissen zwischen Signa und den Behörden noch einige Konflikte gibt – die Senatsverwaltung spricht von „divergierenden Haltungen“.
Zur Schlichtung wurde nun der Landesdenkmalrat um eine Positionierung gebeten. Das ist ein interdisziplinäres Fachgremium aus 12 Experten. Erst dann will sich das Amt konkret dazu äußern, welche Auswirkungen der Denkmalschutz auf Signas Planungen haben wird.
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