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Karl Lauterbach über GroKo-Absage„Wir werden natürlich alles prüfen“

Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach hält die Absage an eine Regierungsbeteiligung für richtig. Gleichwohl kann und darf man sich Gesprächen nicht verweigern.

Glaubt nicht an die GroKo, zumindest momentan nicht Foto: imago/Müller-Stauffenberg
Pascal Beucker
Interview von Pascal Beucker

taz: Herr Lauterbach, die SPD scheint von dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen kalt erwischt worden zu sein. Wie kann es sein, dass sich Ihre Partei offenkundig im Vorfeld keine intensiveren Gedanken gemacht hat, wie sie mit einer solchen Situation umgehen soll?

Karl Lauterbach: Wir haben uns schon Gedanken gemacht, so ist es nicht. Aber das Scheitern von Jamaika galt nicht nur für uns als unwahrscheinlich. Damit haben wir – wie alle anderen, auch die Journalisten – nicht gerechnet.

War es nicht ein Fehler, dass der SPD-Vorsitzende Martin Schulz bereits am Wahlabend kategorisch eine Fortsetzung der Großen Koalition ausgeschlossen hat?

Nein, das war aus meiner Sicht richtig. Wir sind fulminant abgewählt worden. Deswegen hatten wir für eine Fortführung der Großen Koalition kein Mandat. Außerdem war immer klar, dass die Große Koalition eine Ausnahme sein muss und nicht zum Standardmodell werden darf, weil sie sonst demokratieaushöhlend wirkt. Von daher wäre es jetzt mal an der Zeit gewesen, dass auch die kleinen Parteien zu ihrem Recht kommen. Aber sie haben diese wichtige und große Chance verspielt.

Am Montag hat der SPD-Parteivorstand beschlossen: „Wir stehen angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September für den Eintritt in eine Große Koalition nicht zur Verfügung.“ Gilt dieser Satz am Ende der Woche noch?

Zunächst einmal gilt er weiterhin. Es kann nicht automatisch so sein, dass wir einspringen müssen, wenn sonst nichts funktioniert. Gleichwohl kann und darf man sich Gesprächen nicht verweigern. Nach der Aufforderung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden wir natürlich alles prüfen. Dazu zählt auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Eine Große Koalition wäre die Ultima Ratio. Sie kann nur eine Notlösung sein, die wir, wenn es irgendwie geht, verhindern wollen.

Dann steht die SPD unter Umständen doch für eine Koalition mit der Union zur Verfügung?

Das ist eine rein hypothetische Frage. Ich bin sehr skeptisch, ob eine wie auch immer gelagerte Zusammenarbeit mit der Union zustande kommen könnte, weil die inhaltlichen Gemeinsamkeiten verbraucht scheinen. Die Inhalte sind für uns jedoch entscheidend. Ich will noch mal in Erinnerung rufen, dass Frau Merkel uns noch vor wenigen Wochen die Regierungsfähigkeit komplett abgesprochen hat. Als sie sicher war, dass Jamaika funktionieren wird, hat sie uns bescheinigt, dass wir keine regierungsfähige Partei mehr wären – obwohl wir ja weiterhin unsere Minister in ihrem geschäftsführenden Kabinett stellen. Jetzt plötzlich sollen wir springen? Wir brauchen Zeit und auch ein bisschen Spielraum.

Im Interview: Karl Lauterbach

Karl Lauterbach, 54, ist Arzt, Gesundheitsökonom und stellver­tretender Fraktionschef der SPD im Bundestag.

Haben Sie inzwischen doch Angst vor vorgezogenen Neuwahlen bekommen?

Ich glaube nach wie vor, dass Neuwahlen kein Drama für das Land wären. Aber sie waren und sind nicht unser Ziel. Auch unser Anliegen ist es vielmehr, sie zu verhindern. Aber nicht wir, sondern Frau Merkel steht jetzt in der Pflicht, konstruktive Vorschläge zu machen. Bisher höre ich da nicht viel. Wenn sich kein gemeinsamer inhaltlicher Nenner finden lässt, dann müssen eben die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Dann geht es eben möglicherweise nicht anders.

Könnten Sie sich vorstellen, eine Minderheitsregierung der Union zu tolerieren?

Ich kann mir alles mögliche vorstellen. Fest steht doch, dass eine Große Koalition nicht gut für das Land ist. Da ist es richtig, auch über andere Möglichkeiten nachzudenken. Die Frage ist: Was könnte mit einer Minderheitsregierung erreicht werden? Es gibt Vorteile, aber auch Nachteile. Da gibt es noch erheblichen Diskussionsbedarf. Aber wir sind überhaupt nicht in der Bringschuld, für Frau Merkel über unterschiedliche Modelle der Minderheitsregierung zu spekulieren.

Welche Modelle wären denn denkbar?

Frau Merkel muss konkrete Vorschläge machen, was sie sich denkt. Varianten gäbe es mehrere: eine schwarz-grüne oder schwarz-gelbe Minderheitsregierung, die auf wechselnde Mehrheiten setzt. Oder auch eine Minderheitsregierung der Union, bei der wir eine privilegierte Position hätten. Mal sehen, ob und was sich die geschäftsführende Bundeskanzlerin einfallen lässt.

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10 Kommentare

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  • Kanzlerin Merkel? Ist die SPD abgewählt worden? Ist die SPD-GROKO abgewählt worden?

    Leute, bitte nochmal wie vor einigen Wochen nachrechnen und zur Klärung der Massen-und Macht-Verhältnisse laut und vernehmlich auf facebook oder wo auch immer:

    Wir 76 Prozent der Deutschen haben Merkel NICHT wiedergewählt! Nichtwähler, Ungültige, Kleinparteien, Überhangtricks und alle weiteren ehrlichen Daten zusammen, dann haben nur 24 % die CDU (nicht automatisch gleichzusetzen mit Frau Merkel!) für diese Kanzlerinnen-Politik gegen die Menschen, gegen den klimaschutz, gegen eine ehrliche Verkehrspolitik ihr Kreuzchen gemacht. Sie hat kein besseres Mandat als Geert Wilders in den Niederlanden oder LePen in Frankreich. (Wehe, das klemmt ihr wieder in den Nettiquette-Filter!)

    • @Günter Klein:

      Lieber @Günter Klein, Ihrer Logik folgend könnten wir ja dann mit den 76%, die dann für eine Politik für die Menschen, für den Klimaschutz und für eine ehrliche Verkehrspolitik ihr Kreuzchen gemacht haben, rundum zufrieden sein - wo ist das Problem? Sollen doch all die Klimaschützer von FDP, CSU, SPD und AfD (die Grünen und Linken natürlich sowieso), die jetzt den Bundestag so deutlich dominieren, endlich loslegen und - Koalition hin oder her - endlich die von Ihnen beschriebene Anti-Merkel-Politik machen!

       

      (Oder was wollen Sie uns mit Ihren Ausführungen sagen?)

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Günter Klein:

      Naja wenn man sich die Umfragen zu den Wünschen anschaut vor der Wahl wollten die meisten sie als Kanzlerin. Nichtwähler wählen aus allen Gründen nicht, sie allle als aktiv Stimme-enthaltende zu verrechnen ist gewagt. Außerdem haben viele Leute Parteien gewählt bei denen sie wussten die einzige Machtoption ist durch Merkel (Grüne, FDP und SPD) die einzigen Partein die wirklich anti-Merkel sind AFD und Linkspartei die haben aber keine Mehrheit. Dementsprechend ist Merkel nicht abgewählt. Sowieso leben wir in einer parlamentarischen Demokratie solange sie im Parlament eine Mehrheit kriegt ist sie gewählt - egal wie sie auf taz online zettern.

  • 3G
    38071 (Profil gelöscht)

    Mit Martin kann man's machen. Der ist ein Getriebener oder besser gesagt, den kann man treiben. Man muss nur genug Artikel schreiben. 3 Tage lang Minderheitenmeinungen auf's Podest heben und schon fällt er um. Dem Schulz fehlt das merkelhafte dass ihr scheissegal ist was die Medien schreiben. Das hat man schon im Wahlkampf gesehen. 20 Jahre in der Filterblase EU-Parlament zu leben haben eben doch Spuren hinterlassen.

  • Hat für sie (Merkel) und auch ihre Partei über einen längeren Zeitraum ganz gut funktioniert, - vielleicht wird das überschätzt. In der Poiltik geht es um Macht, nicht um Ideen.

  • "Frau Merkel muss konkrete Vorschläge machen, was sie sich denkt."

     

    "Mal sehen, ob und was sich die geschäftsführende Bundeskanzlerin einfallen lässt."

     

    Es geht um Frau Merkel. Was sie am meisten fürchtet, ist mit eigenen Ideen regieren zu müssen. Sie hat nämlich keine.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Eben, und nun ist vermutlich die einzigartige historische Gelegenheit gekommen, dass sie endlich "die Hosen runter lassen" muss.

      Jetzt servil herbeizueilen und Merkel den Arsch zu retten, das sollte die SPD tunlichst sein lassen. Ich hoffe, sie haben so viel Restverstand.

      • @61321 (Profil gelöscht):

        "...dass sie endlich "die Hosen runter lassen" muss."

         

        Hätten Sie uns doch dieses Bild erspart :-)

         

        Aber in der Sache haben Sie Recht. Also auf zu einer Minderheitsregierung der Union.

  • "Minderheitsregierung Union" wäre bei weitem das Beste. Die Union könnte eine Menge ihr wichtiger Entscheidungen mit wechselnden Mehrheiten durchsetzen. Aber es gäbe auch sehr wichtige Entscheidungen, die bisher vor allem von der Union blockiert wurden und ohne einen Koalitionszwang dann endlich vom Parlament verabschiedet werden könnten.

  • Vielleicht ist die Zeit gekommen über eine Art britisches Wahlsystem nachzudenken. The winner takes it all - klare Fronten, klare Mehrheiten.