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Kapitalismus und KlimakriseWie schön wäre es, wenn die FDP recht hätte!

Unser Autor musste einige Strapazen erleiden, weil er nicht in den Urlaub fliegen will. So entdeckte er ungeahnte Sympathien für Christian Lindner.

Gleich neben dem Flughafen von Ajaccio liegt der Strand Foto: PanoramiC/imago

W arm schien die Sonne, blau und ruhig war das Meer, als wir am Sandstrand von Ajaccio ins Wasser sprangen. Und als ich auftauchte, da fühlte ich plötzlich einen irren Wunsch in mir aufsteigen: die Hoffnung, Christian Lindner und seine FDP hätten recht.

Was war denn mit mir los?

Ganz einfach: Wir hatten vier Tage Reise hinter uns, um den Sommer auf Korsika zu verlängern. Und weil wir nur in Notwehr fliegen, ging es mit dem Zug nach München, dann nach Florenz, nach Livorno, mit der Fähre nach Bastia und mit dem Zug quer über die Insel. Alles klappte gut, bis auf ein paar Buchungsfehler bei Sitz- und Schlafplätzen, das Kofferschleppen auf der Fähre, fehlendes Klopapier auf der Zugtoilette, ein Schwarzfahr-Skandal im Bus und einen knapp verpassten Streik auf der Fähre.

Die Reise ähnelte also dem Zeitalter der Postkutsche, was nicht verkehrt ist. Man erlebt eine Menge und merkt, wie weit weg das Mittelmeer eigentlich ist und was es da zwischen Berlin und Korsika alles so gibt.

Träumen wird man ja noch dürfen

Aber als wir in Ajaccio am Strand baden gingen, wo der Flughafen gleich nebenan ist, wurde uns klar: In den vier Stunden, die wir mit dem Regionalzug gerade über die Insel geruckelt und gezuckelt waren, hätten wir auch aus Berlin herfliegen können. Und da dachte ich: „Ach, wäre doch schön, wenn wir klimaneutral fliegen könnten.“

Können wir nicht, weiß ich. Und klar, Fliegen ist die klimapolitische Atombombe von Otto Normalverbraucher. Aber wenn es endlich so viel synthetisches Flugbenzin gäbe, wie es sich die FDP herbeifantasiert, dann wäre ein Problem gelöst. Wir würden auch noch die problematische Wolkenbildung der Airlines beseitigen und – hurra: Fliegen hätte eine Umweltbilanz wie S-Bahn-Fahren. Wir könnten mit grünem Gewissen nach Korsika schweben.

Deshalb wünsche ich mir ab und zu, all die Fantasten, Spinner und Realitätsverweigerer um mich herum hätten recht. Wenn der Kapitalismus einfach für unendlich viel billigen synthetischen Kraftstoff sorgen könnte – wunderbar. Wenn wir sichere und bezahlbare AKWs bauen könnten, die Atommüll verbrauchen, statt zu produzieren – herrlich. Wenn sich die ganze Wissenschaft vom Klimawandel als Unsinn herausstellen könnte – fantastisch. Wenn das Artensterben nur eine Verschwörungstheorie wäre – wie erleichternd. Wenn es stimmte, dass alles immer besser würde und wir mit Überkonsum, blinder Technikgläubigkeit und idiotischer Ignoranz einfach weitermachen könnten – das wäre wie Weihnachten.

Nichts wäre mir lieber, als denen nachträglich recht zu geben, die alle Warner und Mahner als fantasielose Pessimisten bezeichnen. Ich wäre der erste, der dem heiligen Orden der Technologieoffenheit beiträte und sich von der unsichtbaren Hand des Marktes streicheln ließe, wenn die uns Energie ohne CO2, Landwirtschaft mit gesunder Natur und einen gerechten Frieden mit der Umwelt bringen würden. Wie gern würde ich zugeben, dass ich mich in 30 Jahren als Öko-Meckerer grundlegend getäuscht habe.

Und wenn Elon Musk dann auch noch endlich in seine Rakete zum Mars stiege – ach. Träumen wird man ja wohl noch dürfen. Zumindest im Urlaub.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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5 Kommentare

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  • Au ja, schöner Traum. Dann noch echte Armutsbekämpfung und weltweite Emanzipation von Gewalttraditionen mit gleichzeitiger Bewahrung und Entwicklung von Identität. Blöd nur, dass der Überkonsum den Platz in der Wohnung vollstopft.

  • " In den vier Stunden, die wir mit dem Regionalzug gerade über die Insel geruckelt und gezuckelt waren, hätten wir auch aus Berlin herfliegen können. "

    Gibt es denn einen Direktflug nach Ajaccio? Wohl kaum, oder?

    Was ist den das besondere an Süd-Korsika? Es gibt viele schöne Urlaubsziele, die mit dem Zug und ohne Fähre erreichbar sind.

    Okay, das würde dann nicht so gut zum Thema "Fliegen oder CO2-sparend mit dem Zug reisen" passen.

    "Träumen wird man ja wohl noch dürfen."



    Natürlich.



    Aber Träumer werden selten ernst genommen.



    Das gilt für Grüne genauso wie für Technik-Gläubige.

  • Ja, das wäre beim gaming auch sicher möglich, komisch nur, dass da auf noch mehr Zerstörung und eher Dystopie gesetzt wird.



    In der Realität muss man/frau wohl weiter an sich und der Utopie einer klimafreundlichen Zukunft arbeiten.



    Obwohl ich ja auch Stimmen ganz Abseits von gelb vernehme, die glauben, Fliegen sei nötig



    ( wegen der Völkerverständigung),



    Einschränkung hingegen unnötig, denn für den Klimaschutz sind ja " Die da oben" zuständig.



    Man muss nicht Christian Lindner heißen um Technikprobleme mit Technik lösen zu wollen.



    Das absurdeste Beispiel bleiben für mich "Klimaschützer", die Atomkraft für eine Lösung halten - Umwelt wen interessiert DAS ?!

  • Ich persönlich vermeide einige Strapazen dadurch, dass ich nicht in Urlaub fliege.

  • Schönes Beispiel dafür, dass nicht die Grünen, sondern die FDP sich in einer unrealistischen Phantasiewelt bewegen.

    BTW, vor sechs Jahren sind wir auch mit dem Zug nach Korsika in den Urlaub gefahren. Neben tollen Radtouren auf der Insel und schönen Stränden sind uns das Panorama aus der Brennerbahn, Delphine, die auf der Bugwelle der Fähre ihren Spaß hatten, ein eindrucksvoller Abend in der Altstadt von Florenz mit leckerem Eis und eine atemberaubende Abfahrt vom Brenner nach Innsbruck mit dem Fahrrad (war möglich, weil wir eingeplanten Zeitpuffer aufgrund pünktlicher Bahn nicht benötigt wurde) in Erinnerung geblieben.