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Kanzlerinrede im BundestagMerkel wieder CDU-Generalsekretärin

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Mit absurden Vorwürfen gegen den SPD-Spitzenkandidaten versucht die Kanzlerin, Laschet Auftrieb zu verschaffen. Damit polarisiert sie den Wahlkampf.

Angela Merkel am Dienstag im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

M an musste zweimal hinschauen am Dienstag im Bundestag, aber ja, es war wirklich Angela Merkel, die da am Rednerpult stand. Allerdings eine ganz andere Angela Merkel als in den letzten 16 Jahren. Auf einmal sprach da nicht mehr eine Bundeskanzlerin, die stets besonnen bis betulich über die Lage der Nation und ihre kleinteiligen Kompromisse referierte, sondern eine polemische Wahlkämpferin, die sich anhörte wie die CDU-Generalsekretärin Angela Merkel 1999.

Statt sich öffentlich neutral herauszuhalten, wie sie es noch beim unionsinternen Duell zwischen Armin Laschet und Markus Söder getan hatte, ging Merkel jetzt rhetorisch in die Vollen und stahl damit allen aktuellen Kanz­ler­kan­di­da­t:in­nen die Show. Ohne Rücksicht auf Verluste für ihren Ruf als seriöse Weltenlenkerin. Und ohne Rücksicht auf Olaf Scholz, also jenen Mann, der ihr lange brav bis treudoof gedient hatte.

Wider besseres Wissen tat Merkel so, als habe ihr amtierender Vizekanzler mit seinem verunglückten Spruch von den „Versuchskaninchen“ die Impfkampagne sabotieren wollen. Das ist absurd, weil er das Gegenteil im Sinn hatte, und weit unter Merkels gewohntem Niveau, ließe sich aber noch abhaken als dreiste Stichelei. Oder als Notwehr gegen die schleimigen Merkel-Kopie-Versuche des SPD-Kandidaten, der mit ihrer Raute posiert.

Wirklich bemerkenswert aber ist, mit welcher Verve die Kanzlerin bei einer Rede im Bundestag die Rote-Socken-Kampagne ihrer Partei gegen ein vermeintlich drohendes Linksbündnis mit Scholz an der Spitze anfeuert. Wie ein CSU-Aschermittwochsredner im Bierzelt malte Merkel eine finstere Zukunft an die Wand, in der die deutsche Wirtschaft und die Arbeitsplätze in Gefahr gerieten, wenn Scholz eine linke 6-Prozent-Partei an den Kabinettstisch ließe, was dieser erkennbar gar nicht möchte.

Damit fällt Merkel nicht nur aus der Rolle, die sie sich selbst gegeben hatte. Sie trägt auch dazu bei, dass der Wahlkampf noch polarisierter wird, dass er sich noch weniger ums Klima und noch mehr um den vermeintlich drohenden Kommunismus drehen wird. Ob Merkels Rückverwandlung zur Parteipolitikerin der Union am Ende hilft, hängt davon ab, wie die Wäh­le­r:in­nen diesen Auftritt wahrnehmen:

Als Panikattacke einer CDU-Kanzlerin, die sich nicht mit einer krachenden Niederlage ihrer Partei aus dem Amt verabschieden möchte. Oder als glaubwürdige Intervention einer Antisozialistin, die sich wirklich Sorgen macht und geprägt von leidvoller eigener Erfahrung vor der SED-Nachfolgepartei warnt. Ihr nettes Image als über den Dingen schwebende, unideologische Pragmatikerin ist sie jetzt auf jeden Fall los.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mit Friedrich Merz, Hans-Georg Maaßen und Armin Laschet in roten Socken zurück in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Irgendwie retro...

  • Frau Merkel war schon immer knallhart und ging über Leichen, Werte und früher geäußerte Positionen, wenn es um (ihre) Macht und deren Erhalt geht. Deshalb kann ich diesen Kommentar nicht verstehen. Warum sollte ausgerechnet sie ihren noch-Koalitionspartner schonen sollen/wollen und zusehen, wie ihre CDU möglicherweise die Macht verliert?

  • "Oma" hat das Niveau gesenkt, daher wird ihr jetzt mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Sie nutzt wohl den pers. Vertrauensvorsprung in der Bevölkerung, der schon früher plakativ z. Slogan wurde: SIE KENNEN MICH. Und "Oma" stellt kurz klar, WER DER LEGITIME ERBE FÜR DIE FIRMA "WEITER SO " mit der Produktlinie ALTERNATIVLOS ist. Bald soll der "Staffelstab" übergeben werden. Im Boot drin sitzt Armin, der aber mit steigendem (Hoch)Wasser so seine Probleme hat. Oma fürchtet um ihr Erbe, wenn der dauerlächelnde Erbschleicher, der Sandmann Ole von Osnabrück, auch noch zum Heiratsschwindler avanciert (ganz wie in Schweden jeden Sonntag made by ZDF für die erweiterte Traumschiffgemeinde). Geht's noch? Wer schreibt der Kanzlerin denn solche unterkomplexen "Reden gegen den Kommunismus", ein Anfäng_er, ein(e) Dilettan:int? Ich unterstelle, dass sie das inhaltlich selbst besser gekonnt hätte, aber das System Merkel hat fertig, bedient reflexartig Klischees im Stil einer abgewirtschafteten, abgehalfterten Berlin-C-Clan-Clique am gebrochenen Ruder bei heraufziehenden Sturm und ohne Notfall-Plan. Der vergessliche Ersatz-Kapitän, mit frischer Erstzulassung, hatte seine Seekartenmappe liegen lassen, die aus dem Hut gezogenen Kopien als Gedächtnisprotokolle sind ungenau und unbrauchbar. Oma hat das Kapitänspatent zum Monatsende abgegeben und ist jetzt auch überfordert mit Gegenwind, Strömung, Untiefen und Kursberechnung. SOS aus dem Konrad-Adenauer-Haus? Dann mal !Rettungringe aus dem Depot!, Herr Ziemiak. Oder einen externen Lotsen anfunken? - Gegen Ende der Karriere von allen guten (BeraterInnen-)Geistern verlassen? Vor 16 Jahren legendär am Wahlabend als skurrile Performance zelebriert vom jovialen Gerardo Robusto Brioni-Cohiba: Tolle Show, nur nicht für die VerliererIin(nen). Keep calm and sail on. Am Ende weht ein neuer Wind, so steht's im Drehbuch.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Martin Rees:

      "Ich unterstelle, dass sie das inhaltlich selbst besser gekonnt hätte, " Wir kennen sie und stellen fest: Mit "Ich sage doch nur die Wahrheit" hat sie der Sammlung legendärer Sätze noch einen hinzugefügt.

    • @Martin Rees:

      Schonn. But

      Jung - echteTeerjacken sün dat allns nich! Newahr.



      Nö. Normal nich.



      &



      Hör Olafs HalsHolzGewinde schon ewig knarren - zu Annalenas Geplapper an Worthülsensalat “Koboldina“ !

      Na Mahlzeit - Hol wiss! Un lot mi an Lann •

      unterm— Container-Crash have look at



      www.youtube.com/watch?v=Mt_kZzMQTkE



      & the whole shit



      m.youtube.com/watch?v=EVnE2Ru7UiM



      Die können doch nichemal n Reff in die Seils schlagen. No chance. Odyssee



      m.youtube.com/watch?v=XektEKr0EVM



      Udo hau rein =>

  • Hi hi... das ist ja lustig... Veruchskaninchen und rote Socken... aber das Wahlprogram der CDU kaum erwähnt... wieso eigentlich?

    • @Nilsson Samuelsson:

      Weil es da außer Steuergeschenken für Superreiche nichts erwähnenswertes gibt.

  • So viel Wahlwerbung durch die Klankriminalitätspartei für die SPD-Nachfolgepartei - dem Genosse-der-Bosse-Nachfolger wird schon ganz mulmig. Er ist ja traditionell nicht gut auf viele ehemalige WASGler zu sprechen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Experimentalphysikerin. Sie versucht`s jetzt mal mit Kaninchen.



    "Ask Alice" www.youtube.com/watch?v=Vl89g2SwMh4

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Hi hi.... Super!!!

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Jefferson Airplane, White Rabbit , Live from Woodstock 1969 with Lyrics by John Anderson @ Kilo Kilo Studio (UK).



      Grace Slick's Lyrics are based on her early life as a child, being read the books of Lewis Carroll's 1865 Alice's Adventures in Wonderland and its 1871 sequel Through the Looking-Glass ...hence the references to the hookah-smoking caterpillar, the White Knight, the Red Queen, and the Dormouse.



      Grace Slick was born Grace Barnett Wing, October 30, 1939.



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