Kanzleramt startet Account: Scholz regiert nun auch auf Tiktok
Das Kanzleramt startet einen eigenen Kanal auf Tiktok. Die Plattform gilt als Datensammler, für Scholz gelten also besondere Sicherheitsvorkehrungen.
Mit solchen Videoschnipseln aus dem Kanzleramt will das Bundeskanzleramt künftig auf Tiktok mitmischen. 21 Millionen Nutzer:innen hat die Plattform nach eigenen Angaben allein in Deutschland (Stand Oktober 2023). Bei Jugendlichen zwischen 14 und 19 ist sie eine Art Leitmedium, jede:r zweite ist auf Tiktok.
Seine neue Zielgruppe reagiert denn auch postwendend auf Scholz' Erscheinen mit politischen Forderungen: „Olaf mach döner auf 3,50!“, schreibt ein Nutzer. Dabei ist Scholz beileibe kein Trendsetter, läuft dem Mainstream eher hinterher. Auch Robert Habeck (Grüne) und Karl Lauterbach (SPD) haben eigene Tiktok-Accounts, international sind US-Präsident Joe Biden oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vertreten.
Doch das so vertraute Zögern des Kanzlers ist hier vielleicht berechtigt, gilt die Plattform doch als mindestens zwielichtig. Hinter ihr steht das chinesische Unternehmen Bytedance, der Umgang mit sensiblen Nutzerdaten ist grenzwertig. Die EU verhängte im vergangenen Jahr eine Millionenstrafe gegen Tiktok wegen Verstößen gegen das europäische Datenschutzrecht. Auf Diensthandys der EU-Kommission darf die App nicht heruntergeladen werden. In den USA hat das Repräsentantenhaus ein Gesetz verabschiedet, das Tiktok dort verbieten könnte.
Besondere Sicherheitsvorkehrungen
Auch für den Betrieb des kanzlereigenen Tiktok-Kanals gelten laut Bundespresseamt besondere Sicherheitsvorkehrungen. Um zu gewährleisten, dass die Tiktok-App keinerlei Zugriff auf behördeninterne Daten erhalte, werden Tiktok-only-Telefone angeschafft. Die Geräte seien ausschließlich für die Nutzung der App und das Veröffentlichen von Inhalten auf dem Kanal vorgesehen, heißt es aus dem Amt. Auf seinem Diensthandy wird sich der Bundeskanzler also nie beim Regieren zuschauen, geschweige denn auf Kommentare reagieren können.
Dass man sich trotzdem für den Schritt auf Tiktok entschieden habe, erklärt Scholz Sprecher Steffen Hebestreit am Montag mit der veränderten Mediennutzung und der politischen Konkurrenz. „Wir müssen dahingehen, wo die Bürger sich informieren.“ Und das sei im zunehmenden Maße eben auch Tiktok. Dort gebe es ein Bedürfnis nach verlässlichen Informationen. Auch die Influencer:innen, die das Kanzleramt in dieser Frage um Rat gefragt habe, hätten dazu geraten.
Man dürfe solche Kanäle eben nicht nur bestimmten politischen Akteuren überlassen, so Hebestreit. Das zielt insbesondere auf die AfD. Deren Abgeordnete betreiben laut einer Studie sechs der zehn beliebtesten Politiker:innenaccounts auf Tiktok in Deutschland. Wer dem Kanzler nicht auf Tiktok folgen möchte, könne sich weiter über alle anderen Social-Media-Kanäle, etwa Mastodon, Facebook und Youtube informieren. Dort gebe es dieselben Inhalte wie auf Tiktok. Unter anderem den Videopodcast KanzlerKompakt. Dass der auf Tiktok trendet, ist wohl eher unwahrscheinlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene