Kanzler trifft Katars Emir: Grenzen der Realpolitik

Der Krieg in Israel zeigt, in welche fatalen Abhängigkeiten sich Deutschland begeben hat – etwa zum Hamas-Unterstützerland Katar.

Olaf Scholz spricht im Bundestag während der Aussprache zur Lage in Israel

Aussprache im Bundestag zur Lage in Israel, danach kommt der Emir von Katar zu Besuch Foto: Liesa Johannssen/reuters

Es ist eine geradezu zynische Gleichzeitigkeit: Während in Gaza und in Israel die Bomben fallen, hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin mit Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani getroffen. Wenige Stunden vor dem Mittagessen mit einem der wichtigsten Unterstützer der Hamas betonte Scholz am Donnerstag im Bundestag den Platz Deutschlands an der Seite Israels. „Unsere Solidarität erschöpft sich nicht in Worten“, so der Kanzler bei seiner Regierungserklärung. Dabei ist zu hoffen, dass der Kanzler gegenüber dem Emir besser zu sprechen wusste als in erschöpfenden Worten.

Mit dem Angriff der Hamas auf Israel sind die realpolitischen Denkmuster, die Deutschlands Außenpolitik der vergangenen Jahre geprägt haben, an ihre Grenzen gelangt. Diese Ignoranz hat Deutschland erst in Abhängigkeiten mit Russland und dann in die Arme der Kataris getrieben.

Schon zu Zeiten des Gasdeals hatte der Golfstaat im blutigen Bürgerkrieg im Jemen seine Finger im Spiel. Dass Katar eine Rückzugsstätte der Hamas ist, dass die Terrororganisation dort ihr wichtigstes Büro unterhält, dürfte der Bundesregierung schon damals nicht entgangen sein.

Nun also weilt der Emir in Deutschland. Der ursprüngliche Plan, den gemeinsamen Geschäftsabschluss zu feiern, müsste beim Kanzler einer konsternierten Erkenntnis gewichen sein: sich für das kurzfristige Ziel, unabhängiger von Russland zu werden, wieder zum Spielball auf der politischen Bühne gemacht zu haben. Nachhaltige Politik sieht anders aus. Eine „wertegeleitete Außenpolitik“, die sich die Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt auf die Fahnen geschrieben hat, auch.

Dobrindts perfide Unterstellung

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte am Donnerstag im Bundestag die perfide Unterstellung, Aus­län­de­r*in­nen stünden hinter den antiisraelischen Protestaktionen in Deutschland. Er sagte, „wer Hamas-Terror befeuert und feiert und Gast in Deutschland ist, der hat in diesem Land nichts mehr verloren“. Nach seinen Worten wäre der Emir von Katar, der am Morgen mit massivem Polizeiaufgebot in das Berliner Diplomatenviertel kutschiert wurde, hochgradig ausreisepflichtig.

Doch darum geht es ihm nicht. Die Kritik ist in Deutschland nur zu gut bekannt und verläuft strikt entlang der Abhängigkeiten, auch mit Schurkenstaaten wie Katar. Politiker wie Dobrindt nutzten die salbungsvolle Debatte im Bundestag dazu, die Größe Deutschlands in seiner Solidarität mit Israel zu bekunden und dabei wieder einmal Rassismus und Antisemitismus in diesem Land gegeneinander auszuspielen. Für eine wertegeleitete Außenpolitik, für die die Bundesregierung angeblich steht, ist dies eine katastrophale Basis.

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Berichtet seit 2022 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP und die Union. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre Köln, London und Moskau.

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