Kandidat der Satirepartei „Die Partei“: Der erste türkische Bundeskanzler?
In seinem Programm hat er sich mit dem Aufstieg der Mächtigen beschäftigt – las Hitlers „Mein Kampf“. Nun will Serdar Somuncu selbst an die Macht.
Für Serdar Somuncu ist es nur konsequent, Bundeskanzler werden zu wollen – bei Hitler und Goebbels angefangen, hat er sich mit Fragen von Macht und Deutschsein ausführlich beschäftigt. Der Kabarettist wurde am Montag von der Satirepartei „Die Partei“ als Kanzlerkandidat für die Wahl 2017 aufgestellt. Erklärtes Ziel: 100 Prozent plus x.
Somuncu, 1968 in Istanbul geboren und im Rheinland aufgewachsen, studierte Musik, Schauspiel und Regie in Wuppertal und Maastricht. Schlagartig bekannt wurde er mit szenischen Lesungen aus Hitlers „Mein Kampf“, das in den 90ern noch verboten war. „Vielleicht“, sagte er in einem Interview, „verspüren deshalb manche eine fragwürdige Form von Erregung, sobald der Name Hitler ins Spiel kommt.“
Somuncu, Typ freundlicher Türke von nebenan, gern mit Kapuzenpulli und Basecap, brüllte spuckend den Text, stellte logische Fehler bloß, kommentierte. Ausschließlich lustig war das nie, auch für ihn nicht: Er las vor ehemaligen KZ-Häftlingen und zum Teil in kugelsicherer Weste, weil er Morddrohungen bekommen und Neonazis die Bühne gestürmt hatten. „Alle wollen nur das eine“, bilanzierte er bissig, „dabei sein, wenn ein Türke aus ‚Mein Kampf‘ liest.“
Schon da ging es viel um kulturelle Identität, ethnische Stereotype und die Frage, wer eigentlich das Recht hat, sich mit deutscher Vergangenheit und Kultur auseinanderzusetzen. „Früher war ich Türke – da war alles einfach“, schreibt er in seinem Buch „Der Antitürke“. „Dann wurde ich halb-türkisch, halb-deutsch und wusste nicht, ist das eine Bereicherung oder Behinderung? Jetzt bin ich Deutscher. Leitkulturgestählt, voll integriert, ausgezeichnet mit dem Siegel für angepasste Kanaken.“
Somuncu trat mit den KomikerInnen Christian Ulmen und Caroline Kebekus auf, in der Sendung „Die Anstalt“ und der „heute show“. Für die Bundestagswahl der „Partei“ hat er ein Programm, das sich in weiten Strecken überhaupt nicht satirisch liest. Er werde die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stoppen und Völkermord anprangern, kündigt er da an. „Ich will der erste türkische Bundeskanzler Deutschlands werden. Und dann ist Schluss mit lustig.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern