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Kanadischer WasserstoffHindernislauf zur Klimaneutralität

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Der Plan von Bundeskanzler Scholz und Kanadas Regierungschef Trudeau verspricht Lösungen für die Energiewende. Der Weg dorthin ist allerdings lang.

Hier sollen die Träume vom grünen Wasserstoff wahr werden: Stephenville in Kanada Foto: Frank Ossenbrink/imago

D as könnte die Zukunft sein – und zwar eine einigermaßen menschen- und umweltfreundliche. Wasserstoff aus Kanada soll die Energiewende in Deutschland befeuern. Laut Plan der beiden Regierungen sollen Windräder in Neufundland Ökostrom produzieren. Damit wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Diesen, in Ammoniak umgewandelt, transportieren Schiffe nach Deutschland, wo er beispielsweise Erdgas in der Chemieindustrie ersetzt.

So lässt sich der Abschied von fossilen Energien auch in Wirtschaftsbranchen organisieren, die erneuerbaren Strom nicht direkt verwenden können. Klimaschutz ist ein Ergebnis, ein anderes die Abkopplung vom Erdgas- und Ölverkäufer Russland. Denn wegen der wachsenden weltweiten Systemkonkurrenz müssen sich Staaten wie Deutschland unabhängiger von Russland und China machen. So sollten beispielsweise die Rohstoffe aus Ländern kommen, die nicht damit drohen, ihre Exporte zu stoppen.

Besser Gas aus dem Westen als aus dem Osten. Kanada ist ein sympathischer Lieferant. Doch vorläufig geht es eben nur um einen Plan. So müssen die 164 Windturbinen, von denen Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Kanzler Olaf Scholz sprachen, erst errichtet werden. Ähnliches gilt für die anderen Elemente der künftigen Produktionskette: die Wassergewinnung, Elektrolyse, Pipelines und Häfen, die einige Umweltverbände bekämpfen.

Außerdem wird der Wasserstoff der Zukunft nur dann „grün“ sein, wenn zu seiner Herstellung auch wirklich erneuerbare Energie genutzt wird. Voraussetzung wäre zudem, dass der Naturschutz etwa von Wasservorkommen und Küsten zentrale Berücksichtigung findet. Die Wasserstoff-Infrastruktur darf sich nicht zu einer Industrie auswachsen, die ähnlich umweltschädliche Auswirkungen verursacht wie die traditionellen Verfahren.

Auch die Anwohner der neuen Produktionsstätten müssen zu ihrem Recht kommen, was gerade in Kanada mit seinen Konflikten um die Stellung der Indigenen ein heikles Thema ist. Langfristig ungeklärt erscheint bislang zudem die ökonomische Rechnung. Wie teuer wird das alles? Die Hoffnung, dass Ökoenergie billiger ist als fossile, könnte sich als Illusion erweisen. Dagegen steht der Vorteil einer großen Zahl neuer, zukunftsfähiger Arbeitsplätze.

Die Jagd nach Rohstoffen jedoch hört nicht auf. Deutschland und Europa werden auch künftig auf Energieimporte angewiesen bleiben. Unabhängigkeit ist unrealistisch. Einfluss nehmen können wir nur darauf, von wem wir abhängig sind.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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18 Kommentare

 / 
  • RS
    Ria Sauter

    Interessanter und erschreckender Bericht heute in Monitor.



    Bei der Ölförderung in Afrika wird das Gas immer noch abgefackelt.



    Das ist sehr, sehr klimaschädlich.



    Es wäre einfach dieses Gas zu nutzen, da die Leitungen in der Nähe sind.



    Interessiert weder D noch die EU.



    Das Methan, das dort entweicht ist extrem schädlich.



    Soviel zu unsrer grünen Politik.

  • Ich nehme eine Kiste voll. Besser als das: amp-focus-de.cdn.a..._id_136944272.html

  • Windkraftanlagen, die noch nicht mal geplant geschweige denn genehmigt oder im Bau sind, keine Elektrolyseure und keine Aussage wo das Wasser hergenommen werden soll, keine Anlage zur Kühlung und Verflüssigung des Wasserstoff in Planung, kein Terminal für ein Wasserstoff-Schiff, bisher nur 1 einziges Wasserstoff-Tankschiff auf den Weltmeeren, das erstmal testen soll, wie das überhaupt funktionieren kann - alles bisher reine Illusion und noch weit weg von einer Chance, dass es klappen könnte.



    Dazu kommt, dass die Wasserstoff-Verflüssigung und der Transport bei -240°C enormen Energieaufwand erfordert, die Wasserstoff-Verluste bei Herstellung, Transport und Lagerung bei großen Mengen noch völlig unbekannt sind. Ob sich das je rechnen wird, steht auch noch in den Sternen, ist noch sehr weit weg.



    Man kann Wasserstoff auch chemisch binden, aber das macht die Sache nicht einfacher.



    Wasserstoff wäre sicherlich eine sehr gute CO2-neutrale "Energiequelle", doch leider sind wir von deren Nutzung noch sehr sehr weit entfernt. Die Politikerreise war wohl reine Symbolpolitik.



    Ja, es gibt Züge, die mit Wasserstoff fahren, es gibt auch schon Autos und LKWs und die Industrie setzt Wasserstoff ein, doch im Vergleich zu den Mengen, die für Deutschlands Energieversorgung als Ergänzung zu den volatilen Quellen Wind und Sonne gebraucht würden, ist das noch ein sehr begrenzter kleiner Einsatz.

    • @H2Wirtschaft:

      -240°C wäre extrem energieaufwändig und gefährlich und zudem ist die Dichte des verflüssigten H2 noch recht hoch. Daher soll es ja in Ammoniak verwandelt werden. Der Wirkungsgrad wir letztlich miserabel sein und die Kosten für die kWh gigantisch. Die Kosten für die sterbende Industrie und damit unseren Wohlstand sind kaum seriös zu beziffern. Seriös zu beziffern ist allerdings die enorme Menge an Energie, die in einem kg Uran 235 steckt. Dazu benötigt es schon viele Tanker mit Gas.

  • "Wasserstoff aus Kanada soll die Energiewende in Deutschland befeuern."



    Naja, wenn ich mir so die CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr [1] anschaue, braucht Kanada seine erneuerbaren Energien eigentlich erst mal selbst.



    Solange Kanada nicht auf Null runter ist, bedeutet Export von Wasserstoff nach Deutschland nichts anderes als: Export von CO2-Emissionen aus Deutschland nach Kanada.

  • Warum aber immer diese angsteinflüßende Aussage zu den Kosten. natürlich kostet der Umstieg.



    Wir sollten aber schon heute sehen können, was es KOSTET wenn wir nicht den Umstieg machen. Komischerweise kommt bei den Hitzetoten, Hitzebränden etc. nie das Thema Kosten auf, wie teuer es doch scheinbar ist an Menschen und Sachen, weil wir keine Kehrtwende im Klimawandel betreiben.

    Hier jedoch kommt das angsteinflößende Thema wieder zum tragen. Schade!

    • @Daniel Drogan:

      ... wir haben doch auch noch die Erdwärme - und wer kann schon heute sagen ob der Winter jemals wieder so wird, wie er einmal war ...aber die große Übersterblichkeit in Deutschland, bedingt durch die Überhitzung unseres Landes findet wirklich wenig Beachtung. In den Medien.

  • Hmmm- TTIP für den Klimaschutz.



    Ganz ehrlich: I am NOT convinced. Ich kenne die deutschen Polittricksereien.

  • So lange wir über Abstandsregeln streiten, geeignete Dachflächen nicht mit PV belegt sind, jede Stromtrasse (durch oft seit Jahrhunderten kultivierte Gebiete) zu Grabenkämpfen führt, dürfen wir da in eine solche Landschaft eingreifen um unseren Energiehunger zu befriedigen? Ist klassischer "Not in my Backyard - Mist". Das gleiche wie Riesige PV Anlagen in Nordafrika... Hauptsache der deutsche Michel darf seine roten Ziegel behalten und schaut weiter auf des ein überdungtes Feld. Und noch, Gott bewahre, ein Windrad und/oder eine Stromtrasse...

  • Klingt Super.

    Damit es dann wirklich grüner Wasserstoff ist müssens dann halt Dinkel-Vollkorn-Windräder sein und die Wasserstofftanker werden einfach von rosafarbenen Delfinen gezogen.

    • @Christoph Buck:

      Angeblich so viel Phantasie, nur nicht zum Thema schade.

  • In drei Jahren soll der erste Wasserstoff aus Kanada zu uns kommen. Dabei gibt es dort noch nicht ein einziges Windrad für Strom. Und wo legen die Tanker an?

    DREI JAHRE !

    • @Der Cleo Patra:

      Es müssen nicht immer Windräder sein.

      FYI:

      ' ...Erneuerbare Energien decken über 60% des kanadischen Elektrizitätsbedarfs.133 Kanada hat damit bereits heute die emissionsärmste Stromerzeugung der G7-Staaten und weltweit die viertgrößte installierte Kapazität erneuerbarer Energien, was vor allem im großen Anteil der Wasserkraft and der Stromerzeugung begründet liegt (vgl. Kapitel 3.3.1).134 ...'

      Quelle:



      www.german-energy-...ublicationFile&v=3

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    164 Windturbinen



    - sollen in einen Bereich von originären Naturwäldern.

    Zur Vollständigkeit gehört die Bilanz der Naturnutzung:

    www.tagesschau.de/...utschland-101.html :



    In einer ersten Phase will die Firma dafür 164 Onshore-Windkraftanlagen in der Region errichten. Irgendwann sollen es 500 werden. Doch in der Bevölkerung gibt es auch Gegenwind - etwa von Naturschützer Paul Wylezol, Präsident der "International Appalachian Trail Association".



    "Prinzipiell haben wir gar nichts gegen Windturbinen und Windkraft", sagt Wylezol. Doch die Organisation habe ein Problem mit dem Standort. "Das hier ist eine spektakuläre Gegend. Und nördlich liegt ein Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Die Gegend, um die es geht, liegt mittendrin. Wir wollen sie schützen." Gerade erst haben sich die Naturschützer bei der Unesco um den Status eines "globalen Geoparks" beworben. Es geht dabei um die bewaldeten Lewis-Hügel, wo nach derzeitigen Planungen die ersten Windturbinen stehen sollen.

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Die Klimakrise wird nun, ähnlich Ukrainekrise, als Begründung ausgenutzt die Einkommen der Investoren zu mehren. ich kotz grad.....

    • @31841 (Profil gelöscht):

      In Lappland wuirde bereits viele Sami vetrieben oder mussten gehen da Rentiere und Windräder nicht passen.



      Ich bin für Windkraft- aber warum muss die grad da hin, wo früher niemend einen Fuss hinsetzte? Sorry- aber das stinkt nach wirtschaftöl Ausnutzung eines sensiblen Themas und ist ltztlich nichts anderes wie Lobbypolitik. BESTEHENDE Windräder bekommen keine Genehmigung fürs Repowering, dann Abstandsflächen etc. Aber wenn ein GANZ grosser Geld verdienen will, baut man sie plötzlich in die sensibelsten Gebiete der Erde... THAT stinks!

    • 0G
      04405 (Profil gelöscht)
      @31841 (Profil gelöscht):

      Man kann so argumentieren. Dann seien Sie aber auch so ehrlich zu sagen, wo diese NIMBY-Variante hinführt: Zum Erhalt des Status-Quo und weiteren Jahren der Abhängigkeit von fossiler Energie.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @04405 (Profil gelöscht):

        Fragen Sie die Indigenen der region und Naturschützer in Neufundland. Die haben Vorschläge gemacht. Wass soll also die Ignoranz?