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Kampf um die StadtKaufen oder verkauft werden

Stadt und Mieter wollen den Ausverkauf Berlins stoppen – sie hoffen auf das Vorkaufsrecht. Die großen Deals machen aber die Spekulanten.

Begehrt bei Spekulanten und Mietern: Altbauten in Berlin-Friedrichshain Foto: dpa

Berlin taz | „Wem gehört die Stadt?“ lautet die Frage, die Mietaktivisten seit Jahren stellen. Verbunden damit ist ein Anspruch, der sich gegen den Ausverkauf der Stadt und die Spekulation mit Wohnraum richtet. Bei aller Notwendigkeit dieser grundsätzlichen Debatte rückt jetzt eine andere Frage in den Fokus. Sie lautet: „Wer kauft die Stadt?“

Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Deutsche Wohnen AG, mit 107.000 Wohnungen größter Vermieter der Stadt, wieder auf Shoppingtour war und sich 3.900 Wohnungen unter den Nagel riss. Vorwiegend Altbauten hat die börsennotierte Aktiengesellschaft gekauft – und ihren Anlegern fette Rendite in Aussicht gestellt. Berlin ist ein Eldorado des internationalen Handels mit Immobilien.

Berlin ist aber auch ein Hotspot des Widerstands gegen Spekulanten. Florian Schmidt, grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, wird derzeit nicht müde, vom „Rückkauf der Stadt“ zu sprechen. Das Instrument dabei ist das bezirkliche Vorkaufsrecht in den sogenannten Milieuschutzgebieten.

Rein rechtlich ist es so, dass Verkäufe von Mietshäusern, die in einem Milieuschutzgebiet stehen, von den jeweiligen Bezirken genehmigt werden müssen. Befürchtet der Bezirk eine Verdrängung der Mieter, kann er den Verkauf – oder auch teure Luxusmodernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen – verbieten. In Berlin gibt es derzeit 33 sogenannte Erhaltungsgebiete, in denen der Milieuschutz gilt, allein 10 davon in Pankow. Insgesamt leben mehr als 400.000 MieterInnen im Milieuschutzgebiet.

Gegen die Spekulation

Die Möglichkeit, dass Bezirke die Spekulation mit Häusern stoppen, klingt verlockend. Statt einer Heuschrecke wie der Deutsche Wohnen käme dann eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft oder ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen wie das Mietshäusersyndikat zum Zug.

So weit die Theorie. Über die Praxis wurde am Dienstagabend im SO36 debattiert. Zur Frage „Kaufen, um den Kiez zu erhalten?“ diskutierten Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) und Baustadtrat Schmidt mit eine Reihe von Hausprojekt-Vertretern. „Mit dem Vorkaufsrecht greifen wir den Markt an“, gab sich Schmidt selbstbewusst. Dann legte er die Zahlen auf den Tisch: 40 Hausverkäufe habe es in den vergangenen Monaten im Bezirk gegeben – nicht alle davon relevant für die Kiezstruktur. Zwölf seien geprüft worden.

Lompscher-Pakt

Laut Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sind die Verhandlungen mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften abgeschlossen. Die Unternehmen verpflichten sich, die Mieten um maximal 2 Prozent im Jahr zu erhöhen. Dies gilt rückwirkend für den 1. Januar. Seitdem ausgesprochene höhere Mietsteigerungen werden korrigiert. Anpassungen soll es auch für Mieterhöhungen aus dem vergangenen Jahr geben.

Bei zwei Häusern hat der Bezirk die Notbremse gezogen und selbst gekauft; ein drittes wird demnächst folgen. In vier Fällen unterschrieben die Käufer sogenannte Abwendungsvereinbarungen. Sie behalten die Häuser, verpflichten sich aber für die nächsten 20 Jahre, die Ziele des Milieuschutzgebietes einzuhalten.

Damit auch andere Bezirke das Instrument für sich nutzen, wird derzeit in der Finanzverwaltung ein Handlungsleitfaden erarbeitet, der den Umgang mit dem Vorkaufsrecht erläutert. In Friedrichshain-Kreuzberg wird bereits am Aufbau eines Partner-Netzwerkes aus Wohnungsbaugesellschaften und Stiftungen gearbeitet. „Mögliche Hauskäufe sollen nicht an fehlenden Partnern oder an der gesetzlichen Frist von nur zwei Monaten scheitern“, so Schmidt.

Verkauf als Preistreiber

Vergleicht man aber die Zahlen, stellt man fest, dass der Rückkauf der Stadt zwar gut gemeint, aber nur ein Pflaster auf den heißen Stein ist. Nach wie vor sind es die Immobilienkäufe der Großen, die den Markt bestimmen – und den Mieterinnen und Mietern zusetzen.

Für Ex-Baustaatssekretär Andrej Holm, der die Diskussion am Dienstag moderierte, sind es weder die teuren Modernisierungen noch der Mangel an Wohnraum, die die Mieten so sehr in die Höhe treiben, sondern die Verkäufe zu überhöhten Preisen und die entsprechende Renditeerwartung der Käufer. In Berlin wurden 2016 Wohnungen in einem Wert von 16,2 Milliarden Euro verkauft.

Unser Problem: Wir leben bis zum Hals im Kapitalismus

Katrin Lompscher, Bausenatorin

Ein weiteres Problem offenbart auch der aktuelle Verkauf der 3.900 Wohnungen an die Deutsche Wohnen. Das Vorkaufsrecht des Bezirks, erklärte Stadtentwicklungssenatorin Lompscher am Mittwoch im Bauausschuss des Abgeordneten­hauses, greife nur, wenn ein sogenannter Asset-Deal, also der Verkauf eines ganzen Hauses, stattgefunden habe. Bei den Käufen der Deutsche Wohnen aber handelte es sich offenbar um einen Share-Deal, bei dem nur Unternehmensanteile an Immobilien verkauft werden. „Bei einem Share-Deal kommt das Vorkaufsrecht von Land und Bezirken nicht zum Zuge“, so Lompscher.

Milieuschutzgebiet zieht nicht

Das erklärt, warum beispielsweise mit der Weserstraße 53 auch ein Haus von der Deutsche Wohnen erworben wurde, das in einem Neuköllner Milieuschutzgebiet liegt. Das Bezirks­amt Neukölln konnte zu dem Vorgang am Mittwoch nichts sagen, aber aus anderen Bezirken hieß es: „Solche Vorgänge bekommen wir gar nicht mit.“ Auch Senatorin Lompscher bestätigte im Bauausschuss, dass sie von den Verkäufen erst durch die Presse erfahren habe.

Und noch etwas: Wie die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Paus mitteilte, seien dem Land Berlin bei dem 655-Millio­nen-Deal 40 Millionen Euro an Grunderwerbsteuer entgangen. Denn Share-Deals sind bisher nicht steuerpflichtig. Paus forderte eine Gesetzesänderung auf Bundesebene, um dies möglichst schnell zu ändern. Doch die Länder wollen erst nach der Bundestagswahl über eine solche Regelung beraten.

So lange wird das Monopoly also weitergehen. Oder wie Senatorin Lompscher im SO36 sagte: „Wir leben bis zum Hals im Kapitalismus. Das ist unser Problem.“

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6 Kommentare

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  • Eric Peter und Uwe Rada,

    ihr schreibt:

    "Rein rechtlich ist es so, dass Verkäufe von Mietshäusern, die in einem Milieuschutzgebiet stehen, von den jeweiligen Bezirken genehmigt werden müssen. Befürchtet der Bezirk eine Verdrängung der Mieter, kann er den Verkauf – oder auch teure Luxusmodernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen – verbieten. "

    Nach welchem § ist eurer Ansicht nach ein Verkauf im Milieuschutzgebiet genehmigungspflichtig und kann verboten werden, wenn eine Verdrängung der Mieter_innen zu befürchten ist?

    Es gibt ein Vorkaufsrecht des Bezirks im Milieuschutzgebiet, aber sonst?

  • "...die Deutsche Wohnen AG, mit 107.000 Wohnungen größter Vermieter der Stadt, wieder auf Shoppingtour war und sich 3.900 Wohnungen unter den Nagel riss. Vorwiegend Altbauten hat die börsennotierte Aktiengesellschaft gekauft – und ihren Anlegern fette Rendite in Aussicht gestellt."

     

    Ist das Wohnen noch sozial und menschenwürdig?

  • Danke für diesen Artikel, denn das Problem der fehlenden Steuer auf Paketverkäufe wurde im SO nicht wirklich besprochen. Florian Schmidt war süss-jugendlich-bemüht und Frau Lompscher als professionell-politisch auf der Bühne. Am Ende haben sie keine wirkliche Lösung, vielleicht sollten sie mal über einer Berliner Steuerregelung nachdenken. Aber wahrscheinlich geht das den Genossen dann doch zu weit und sie bitten "um den Druck der Strasse". Iregndwie war das alles sehr unbefriedigend. Wie wärs denn mal mit einem Gesetz, dass es Briefkastnfirmen verbietet Grundbesitz zu erwerben ? Warum nicht Firmen verpflichten ihren Sitz in der Stadt zu haben wenn sie hier kaufen. In Österreich war das vor EU so ähnlich und rettete viele Regionen. Am Ende würden wenigstens so die Steuern auch bezahlt und in einen lokalen Kreislauf zurückfliessen. UND , man müsste nicht wie die Hausprojekte nach Wien oder Dänemark fahren oder vor Luxemburger Briefkästen demonstrieren.

    Aber ich glaube nicht, dass sich das jemd. der Politiker traut. Ist ja auch egal, wie ein Zwischenruf aus dem Publikum so schön sagte, offenbar leiden auch die Berliner an Demenz, denn der Verkauf der GSW war eine direkte Folge des Bankenskandals und das war nicht nur die CDU damals.....

  • Das Vorkaufsrecht ist doch auch schon wieder ein Instrument für - zumindest relativ - Wohlhabende.

    Das Hauptproblem aber liegt bei denen, die über dieses "Recht" mangels finanzieller Mittel gar nicht erst nachdenken müssen.

  • Für mich sind nach dem Kommentar von Frau Lompscher im SO36 noch einige Fragen offen. Hier gibt es ein Video davon: https://www.youtube.com/watch?v=Zz9dNYCX1TU

    Gelten die 8 % bzw 30 Euro für alle vor und nach dem 1.1.2017?

     

    Hier sagt sie: "...Aber der Inhalt der Vereinbarung ist besprochen. Die Koalitionsvereinbarung umzusetzen haben wir uns fest vorgenommen, für die ganz normalen städtischen Wohnungen und die 30.000 städtischen Sozialwohnungen. Mieterhöhungen, die ab dem 1.1.2017 ausgesprochen worden sind, werden sofort diesem Regime unterworfen, das heißt hier wird es zu Korrekturen kommen. Für Mieterhöhungsverlangen, die vor dem 1.1.2017 rausgeschickt worden sind und zum 1.1.2017 wirksam sind, wird es rückwirkende Änderungen geben, für alle die, die den Rahmen des Koalitionsvertrages überschreiten – also entweder mehr als 8 Prozent in den vergangenen vier Jahren oder mehr als 30 Euro. Der jeweils geringere Wert wird angesetzt...." (Quelle: https://www.facebook.com/Mariannenkiez/)

     

    Das "Regime", dass sich auf den Koalitionsvertrag bezieht, sieht ja eigentlich 2 % max Erhöhung im Sozialen Wohnungsbau vor pro Jahr - oder können Vermieter grundsätzlich die Erhöhungen aufsummieren, wenn sie ein Jahr mal darauf verzichten? Denn genau so wird ja jetzt argumentiert, 4 Jahre wurde verzichtet und daher könne man nun 8 % auf einen Schlag erhöhen.

     

    Wer kontrolliert ob in den letzten vier Jahren welche Erhöhungen stattfanden? Was ist mit Leuten die gerade erst eingezogen sind, darf da auch erhöht werden? Wer berät und informiert die Mieter dazu? Die degewo ist dazu kaum in der Lage - die Schreiben sind so kompliziert, dass sie kaum ein Mieter versteht, das wurde auf der Mieterversammlung ganz deutlich und selbst Herr Bartels vom Berliner Mieterverein hat das so kommentiert: https://twitter.com/Marianne10997/status/836596234492182529/photo/1

  • Am 19. und 20. Juni diesen Jahres tagt mal wieder die „Berliner Immobilienrunde“. Das ist ein seit 1998 regelmäßig stattfindender Kongress für Immobilienunternehmen. Ausrichter und Moderator ist Rainer Zitelmann, der sich in den 1980ern als Historiker mit einer Dissertation unter dem Titel „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“ hervorgetan hat. Ende der 1990er ist er dann ins Immobiliengeschäft eingestiegen, von 1999 datiert sein Buch „Reich werden mit Immobilien“.

    Einmal die Überzeugung zugelegt, selbst der Nationalsozialismus habe „auf verschiedenen sozialpolitischen Gebieten beachtliche Fortschritte“ gebracht, hat er sich offenbar selbst den Freifahrtschein ausgestellt für sozialpolitische und unternehmerische Grausamkeiten als Immobilienunternehmer und –berater.

    Thema der „Berliner Immobilienrunde“ diesmal ist das Steuerrecht. In der Einladung heißt es: „Da die großen Transaktionen als share deals durchgeführt werden, wollen die Bundesländer unbedingt auch diese in die Grunderwerbssteuer einbeziehen.“ Daher geht es in der Veranstaltung u.a. darum, wie man Immobilien „ohne Belastung mit Grunderwerbssteuer“ verkauft bzw. kauft.

    Zum Vergleich: Durch die grunderwerbssteuerfreien share deals geht dem Land Berlin ein Mehrfaches dessen verloren, was es für sozialen Wohnungsbau ausgibt.

    Und wer sind nun die Experten, die der Immobilienwirtschaft dieses profitmaximierende Wissen vermitteln? Als Referenten sind geladen: Hans-Joachim Beck, Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg a.D. / Leiter Abteilung Steuern, und Kai Tiede, amtierender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg.

    Na dann – kann ja nichts schief gehen, im Juni im Maritim Hotel Berlin.