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Kampf gegen hohe EnergiekostenEnergiegeld statt Energiepreisdeckel

Kommentar von Gerhard Hübener

Was tun gegen die hohen Strom- und Gaspreise? Ein Energiegeld pro Kopf wäre eine Möglichkeit – eine mit mehreren Vorteilen.

Kerzenwärme? Es gibt durchaus effektivere Arten, die eigenen vier Wände zu heizen Foto: Sascha Steinach/imago

D ie zwischen Bund und Ländern erzielte Einigung zur Gas- und Strompreisbremse geht in die falsche Richtung. Die Mehrkosten treffen Geringverdiener weitaus stärker als Besserverdienende, die Lenkungswirkung hoher Energiepreise wird deutlich geschwächt. Das makroökonomische Institut IMK der Böckler-Stiftung hatte für den Gaspreis ein Alternativmodell durchgerechnet, bei dem das Kontingent in Abhängigkeit von der Anzahl der Personen pro Haushalt festgelegt werden sollte. Die Kosten dafür wären nur halb so hoch wie bei dem von der Gaspreiskommission empfohlenen Modell, dem sich nun Bund und Länder angeschlossen haben.

Allerdings fehlten für das Modell des IMK die Daten darüber, wie viele Personen in einem Haushalt mit Gasversorgung leben. Und natürlich gibt es auch Geringverdiener mit wenig Personen je Haushalt in schlecht gedämmten Wohnungen, die beim Pro-Kopf-Kontingent schlechter abschneiden könnten.

Nur bei den reichsten 10 Prozent schießt die Kurve für den Energieverbrauch steil nach oben

Was für den Gaspreis allein schwierig erscheint, wird einfacher, wenn alle Energiearten betroffen sind. Die Bund-Länder-Einigung geht ja auch weit über den Gaspreis hinaus. Preise für Fernwärme sollen ebenso gedeckelt werden wie die Strompreise, Finanzhilfen für Öl und Holzpellets wurden zumindest angedeutet.

Anstelle eines Preisdeckels wäre eine Reduzierung der durchschnittlichen Nettokosten weitaus zielführender. In der Schweiz wird seit 2008 eine CO2-Abgabe auf alle fossilen Brennstoffe erhoben. Zwei Drittel der Einnahmen werden je Kopf der Bevölkerung zurückgezahlt, pro Monat über die gesetzliche Krankenkasse. Das Modell hat es ermöglicht, dass die Schweizer inzwischen bei einer Abgabenhöhe von 120 Euro je Tonne CO2 angekommen sind.

Bild: privat
Gerhard Hübener

Geboren 1954, verheiratet, drei erwachsene Kinder, wohnhaft in Potsdam. Selbständiger Projektentwickler im Bereich der Photovoltaik.

In Abwandlung des Schweizer Modells könnten die für Haushalte geplanten Subventionen zu 100 Prozent als Energiegeld je Kopf der Bevölkerung gezahlt werden. Anders als beim Pro-Kopf-Kontingent des IMK müssten keine zusätzlichen Daten erfasst werden. Der jeweilige Preis würde bestehen bleiben und damit die volle Lenkungswirkung.

Energieverbrauch korreliert mit steigendem Wohlstand

Die Vorteile wären ähnlich wie beim Alternativmodell des IMK: sozial gerechter, stärkere Lenkungswirkung, kostengünstiger. Das Energiegeld, als Ausgleich zu den gestiegenen Heizkosten, würde als monatlicher Betrag gezahlt werden – vom Finanzamt, von der Arbeitsagentur, von wem auch immer.

Der hohe Gaspreis im kommenden Winter (geschätzt doppelt so hoch wie der auf 12 Cent pro kWh subventionierte Preis) würde dagegen seine volle Lenkungswirkung beibehalten. Wer im letzten Jahr deutlich mehr als der Durchschnitt verbraucht hat, bekäme auch nur das durchschnittliche Energiegeld.

Gegen eine solche Regelung kommt vermutlich sofort das Beispiel vom armen Rentner in der schlecht gedämmten Altbauwohnung. Der Einwand ist prinzipiell berechtigt. Nur sollte man nicht immer den sogenannten kleinen Mann vorschieben, wenn vor allem Gut- und Besserverdienende Nutznießer der angeblich „bewährten Gießkannen-Subventionierungen sind.

Die Süddeutsche Zeitung hat gerade über eine Studie zum Verhältnis von Einkommen und Energieverbrauch berichtet. Der Energieverbrauch steigt proportional mit wachsendem Einkommen. 60 Prozent der Haushalte liegen unter dem Durchschnittsverbrauch. Nur bei den reichsten 10 Prozent schießt die Kurve für den Energieverbrauch steil nach oben. Diese 10 Prozent verbrauchen genauso viel wie die ärmsten 40 Prozent der deutschen Haushalte zusammen.

Damit sollte klar sein, wo das größte Einsparpotenzial liegt und wem eine Abschwächung des Preishebels vor allem zugutekommen würde. Geringverdiener in schlecht gedämmten Wohnungen könnten zielgerichtet und kostengünstiger über Instrumente wie Wohngeld oder Heizkostenzuschüsse unterstützt werden.

Fehlanreize bei Strom und Wirtschaft

Dass die Preisbremse nun auch auf den Strompreis erweitert werden soll, treibt die Fehlanreize auf die Spitze. Viele Haushalte, vermutlich nicht die ärmsten, haben sich für diesen Winter mit Elektroheizkörpern eingedeckt. Die Stadtwerke warnen schon vor möglichen Stromausfällen. Statt eines Strompreisdeckels sollten eher Maßnahmen gegen das Ausweichen auf Stromheizungen vorbereitet werden. Am einfachsten über die Erhöhung der Stromsteuer. Die Mehreinnahmen könnten einfach über das Energiegeld zurückgezahlt werden.

Auch für Industrie und Dienstleistungsbranchen wäre es wichtig, von der Gießkanne wegzukommen. Die Subventionen sollten auch hier nicht beim Gas- oder Strompreis ansetzen, sondern als Direktzahlungen an die Unternehmen fließen, um die Lenkungswirkung der Preise voll wirksam werden zu lassen.

Beim CO2-Steuer-Modell der Schweiz werden zwei Drittel der CO2-Steuer-Einnahmen an die Arbeitgeber zurückverteilt. Ähnlich könnten die jetzt geplante Subventionen an die Unternehmen verteilt werden.

Wir würden quasi nebenbei ein Instrument einführen, welches wir nicht nur zur Lösung der aktuellen Energiekrise brauchen, sondern auch zur Bewältigung der drohenden Klimakatastrophe. Ein solches Modell sollte eigentlich für alle Ampelparteien attraktiv sein. Für die Grünen wäre es der Einstieg in eine aktive Klimapolitik, die FDP könnte auf die Stärkung der Marktkräfte und die Reduzierung der Schuldenlast verweisen, für die SPD wäre es eine starke Entscheidung gegen die sich zuspitzende soziale Krise.

Die vielen aktuellen Krisen getrennt voneinander zu lösen, wird schon aus finanziellen Gründen nicht funktionieren. Nicht im reichen Deutschland, erst recht nicht in den ärmeren Ländern Süd- und Osteuropas. Nirgendwo.

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6 Kommentare

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  • Kurze Anmerkungen zum Kommentar:



    „Eine nachträgliche Kompensierung klingt zwar gut“: Natürlich darf das Energiegeld nicht nachträglich ausgezahlt werden. sondern im Voraus. Die finanzielle Grundlage sind ja nicht die Mehreinnahmen aus der CO2-Steuer (wie in der Schweiz), sondern die geplanten Subventionen.



    „Umstieg braucht Kapital, Zeit und Handwerker“: Anders als bei der Reform in der Schweiz spielt die Anpassung durch Investitionen eine untergeordnete Rolle. Das Energiegeld hat kurzfristige Ziele: Ausgleich der durchschnittlichen Mehrkosten und Einsparung durch Verhaltensänderung.



    „Vervierfachung des Gaspreises… ist für viele, ob privat oder gewerblich der Unterschied zwischen Fortbestand oder Insolvenz“: Analog dem Schweizer Modell könnten die für den Deckel notwendigen Subventionen als Direktzahlungen an die Unternehmen fließen (in der Schweiz proportional zur Lohnsumme bei der staatlichen Rentenkasse). Natürlich wird es auch hier Verlierer geben. Das sind aber eher die energieintensiven Branchen, nicht die kleinen Mittelständler und Handwerker.



    „Eine Lenkungswirkung ist auch mit dem Deckel gegeben“: Das stimmt für eher einkommensschwache Haushalte, nicht aber für gut- und besserverdienende Haushalte, bei denen die Energiekosten eine eher marginale Rolle spielen. Genau hier wäre aber das größte Einsparungspotential.



    „Strom muss billiger werden“: Genau das ist grundfalsch. Billiger Strom führt genauso wie billiges Gas zu Verschwendung. Auch Solarstrom ist nur begrenzt vorhanden. Richtig ist, dass Energie grundsätzlich teuer werden muss, um Lenkungswirkung und notwendige Einsparungen zu erzielen.

  • bei einer Vervierfachung des Gaspreises kann aber nicht von Lenkungswirkung gesprochen werden,, das ist für viele, ob privat oder gewerblich der Unterschied zwischen Fortbestand oder Insolvenz. Eine nachträgliche Kompensierung klingt zwar gut (und ist es in der Theorie ja auch) allein muß das Geld vorgestreckt werden, allein das könnte schon der entscheidende Punkt sein.



    Lenkungswirkung gibt es da, wo es nicht um Alles oder Nichts geht. Bei derartig kurzfristigen exorbitanten Preissteigerungen, ist der Spielraum Gas zu sparen allein durch die Kürze der Zeit stark eingeschränkt, ein Umstieg braucht Kapital, Zeit und Handwerker.



    Das schweizer Beispiel trifft hier insofern nicht zu, weil es schrittweise eingeführt wurde in wirtschaftlich günstigeren Zeiten, es wurde schrittweise teurer es fand ein schrittweiser Umstieg statt, planbar mit gesicherten Rahmenbedingungen. Genau das ist jetzt nicht gegeben, niemand weiß wie sich der Preis entwickelt, Es gibt nicht genug Kapazitäten Heizungen umzurüsten, nur wenige werden jetzt investieren und viel Geld in die Hand nehmen wenn das gesamte Umfeld so unsicher und schwer einzuschätzen ist. Dazu kommt, dass auch sich die Alternative Strom unplanbar verteuern wird. Jetzt umzurüsten und nicht zu wissen, was die Kosten des Umstiegs auf Strom hinterher sind...



    Eine Lenkungswirkung ist auch mit dem Deckel gegeben, Gas und Strom werden teurer, niemand will mehr ausgeben als nötig und eine Verdoppelung der Preise ist auch mit dem Deckel gegeben. Jeder der irgend sparen kann, wird auch so einen finanziellen Nutzen davon haben.



    Das wichtigste aber, Strom muß billiger werden, Da wir nur mit Gas oder Strom heizen / wirtschaften können, ist eine analoge Verteuerung beider Energiequelen geradezu Gift. Wer jetzt mit Photovoltaik kommt, das können aber nur die Besitzenden, die die Geld und Haus haben. Den unteren Einkommen hilft das gar nichts, die haben nur Gas oder Strom oder was immer der Vermieter für sie entscheidet.

  • Toller Vorschlag, weil eben die ganze Klimathematik nicht aus den Augen verloren wird. Würde sich lohnen, das mal durchzurechnen.

  • "...sollten eher Maßnahmen gegen das Ausweichen auf Stromheizungen vorbereitet werden."



    Was ist an Stromheizungen schlecht? Muss man doch nur mit "Ökostrom" betreiben, dann sind die doch voll öko...

  • Ein kluger Kommentar mit viel richtigem. Die Methode wäre sinnvoll.

    Zwei Einschränkungen:



    Die TAZ ist die erste, die laut aufschreit wenn der arme Rentner im schlecht gedämmten... mehr bezahlen muss.

    Die Annahme, dass gut betuchte ihren 4 fachen Faktor des Energieverbrauchs wegen "ein paar Euro mehr" senken, ist ziemlich optimistisch. Auch wir zuhause sparen zwar an der Heizung, aber nicht wirklich um des Geldes wegen sondern aus Solidarität. Wie soll es dann erst den oberen 10% gehen?

  • 4G
    47439 (Profil gelöscht)

    Ich (gleichwohl auch ich von den höheren Preisen betroffen bin ) bedaure dass jetzt soviel Geld locker gemacht wird um die hohen Preise für Energie abzumildern.



    Fakt ist doch das, angesichts der Klimakrise, ein Umdenken bzw. Einschränkungen unabdingbar sind, hier, in der BRD, wird auf einem sehr hohen Niveau gejammert ....



    Durch die "Hilfen" geht jeder Anreiz zum runterfahren verloren, wir können so weiter machen wie bisher, nichts ändert sich.

    wie oben Zitat "Geringverdiener in schlecht gedämmten Wohnungen könnten zielgerichtet und kostengünstiger über Instrumente wie Wohngeld oder Heizkostenzuschüsse unterstützt werden" ebenso Rentner mit geringer Rente etc.,



    das Gießkannenprinzip ist fatal, so können die privaten Swimmingpools weiter betrieben werden, Gaststätten stellen draussen weiter Heizpilze auf, die Wohnungen werden auf Wohlfühltemperatur von 25° C geheizt ( damit wir auch in der kalten Jahreszeit zu Hause im T-Shirt rumrennen können ) usw. usw.

    Energie müsste eigentlich proportional so teuer und immer teurer werden das jede- / r quasi gezwungen ist sich zurück zu nehmen ....