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Kampf gegen RechtsextremismusSachsens Demokratievereine sauer

Seit Monaten warten Vereine darauf, dass die Sächsische Aufbaubank ihre Projekte für 2023 bewilligt. Das gefährdet die Existenz vieler Organisationen.

Warten auf die Fördermittel: Martina Glass vom Netzwerk für Demokratische Kultur in Wurzen Foto: Sonny Traut

Leipzig taz | Zahlreiche Initiativen und Vereine, die sich in Sachsen für Demokratie und gegen Rechts­extremismus engagieren, sind sauer. Seit Monaten warten sie darauf, dass die Sächsische Aufbaubank (SAB) die Fördermittel für ihre Projekte bewilligt.

„Im Monat März haben wir kein Verständnis mehr dafür, dass bei vielen Vereinen noch völlig unklar ist, von welchem Zeithorizonten bis zur Auszahlung der Mittel auszugehen ist“, sagte Martina Glass, Sprecherin des Netzwerk Tolerantes Sachsen. Der Vereinigung gehören mehr als 130 Demokratie-Initiativen an.

Glass zufolge geht es nicht nur um die Existenz der Vereine, sondern auch um die Fachkräfte, „die nicht wissen, wie lang sie ihr Gehalt noch bekommen werden oder ob sie demnächst entlassen werden müssen.“

Viele der Demokratie-Initiativen erhalten für ihre Projekte Geld aus den Fördertöpfen „Integrative Maßnahmen“ und „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ des Sozialministeriums und „Orte der Demokratie“ des Demokratieministeriums. Die Anträge für die Förderung haben die Vereine im Sommer 2022 eingereicht. Zuständig für die Prüfung und Bewilligung der Anträge ist die SAB, die Förderbank des Landes Sachsen. Das Netzwerk Tolerantes Sachsen wirft der SAB vor, die Bearbeitung von Förderanträgen „seit mehr als einem halben Jahr aufgeschoben und ausgesessen“ zu haben.

Rechnungshof prüfte

Die SAB teilte auf Anfrage mit, die notwendigen Mittel für die drei Förderprogramme erst Anfang Januar – nach Beschluss des Doppelhaushaltes – erhalten zu haben, woraus sich eine Verzögerung von bis zu zwei Monaten ergebe. „Leider“ sei es zu weiteren Verzögerungen gekommen, weil der Sächsische Rechnungshof die Umsetzung des Förderprogramms „Integrative Maßnahmen“ geprüft habe.

Als Grund für die verspätete Versendung der Förderbescheide aus dem Programm „Orte der Demokratie“ nannte die SAB fehlende „technische Voraussetzungen“. Diese habe die Bank erst schaffen müssen, weil sie erst seit diesem Jahr für den Fördertopf zuständig sei.

Die SAB betonte, ihr sei bewusst, dass eine dreimonatige Förderpause die Träger vor große Probleme stelle. Die überwiegende Anzahl der Bescheide werde die Bank noch im März verschicken, hieß es in der Antwort weiter. Wie viele Bescheide sie inzwischen ausgestellt habe und wie viele Vereine noch warten müssten, wollte die SAB der taz nicht mitteilen.

Verzichten auf Gehalt

Das Dresdner Institut anDemos ist eine der Initiativen, die ihren Förderbescheid für 2023 nun endlich erhalten. Im Februar hatten zwei Mit­ar­bei­te­r:in­nen freiwillig auf ihr Gehalt verzichtet, damit das Institut weiter Miete und andere Kosten bezahlen kann. Die Gehälter können nun zurückgezahlt werden, teilte Geschäftsführerin Julia Schulze Wessel mit.

Das Netzwerk für demokratische Kultur (NDK) in Wurzen hingegen wartet noch immer auf einen Förderbescheid. „Uns fehlt bisher die Finanzierung für neun Teilzeitstellen sowie Bürokosten, die wir ja trotzdem zahlen müssen“, sagte Martina Glass, die beim NDK arbeitet. Bisher sei der Verein noch so gerade über die Runden gekommen – dank privater Darlehen und Fördermittel anderer Projekte. „Allerdings sind wir nach drei Monaten eindeutig an der Grenze angekommen und müssen im schlimmsten Fall ins Minus auf unserem Konto gehen, was Zinsen kostet, die nicht erstattet werden“, beklagt Glass gegenüber der taz.

Im Freistaat kommt es bei der Bewilligung von Demokratieprojekten fast jedes Jahr zu monatelangen Verzögerungen. Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen ruft die Verantwortlichen dazu auf, endlich „verlässliche Lösungen“ zu finden. Es dürfe nicht sein, dass Projekte erst drei Monate nach Laufzeitbeginn starten können. Das schade der Demokratiearbeit im Land.

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5 Kommentare

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  • Tatsächlich halte ich es nicht unbedingt für eine Ausgeburt an Demokratie, wenn die Exekutive willkürlich privatrechtlich agierende Vereine fördert. Es ist nicht ihre Aufgabe.

    Und die Tatsache, dass diese Vereine als "demokratisch" bezeichnet werden, sagt mE auch wenig darüber aus, inwieweit sie der "Demokratie" wirklich weiterhelfen.

    Nebenbei ist auch die AfD eine "demokratische" Partei; sie steht rein rechtlich auf derselben Ebene wie SPD, CDU oder Grüne.

  • Wieso sollte der Staat politisch motivierte Vereine oder NGOs finanzieren?



    Ich finde das nicht nur falsch, ich finde das sehr gefährlich. Man stelle sich vor die AfD bekäme die Mehrheit und finanziert dann mit Landesmittel rechtslastige Vereine, die natürlich aus deren Sicht nicht Rechts sind und natürlich unter dem Vorwand "Demokratieförderung".

    • @Rudi Hamm:

      Tja, warum sollte wohl ein Demokratie demokratische Strukturen fördern?

      Weil es dann nicht zu der Situation kommen würde, dass eine Partei wie die AgD eine nennenswerte Anzahl an Unterstützer bekommen würde.

      • @Anna Bell:

        Ich stimme Ihnen zu.



        Herr Hamm hat wohl nicht verstanden, dass für Demokratie auch gearbeitet werden muss.



        Ganz im Sinne eines Helmut Kohls, der meinte es reicht, die DDR abzuwickeln und die Rosinen an Westdeutsche Firmen zu verschenken, fällt Demokratie nicht einfach vom Himmel.



        In der wirtschaftlich, sozial und weltanschaulich katastrophal " gemanagten" Wiedervereinigung liegt die Wurzel allen Übels.



        Nicht umsonst ist die AfD im Osten so stark, sind Querdenker, Reichsbürger Undwiesiealleheißen, auf dem Vormarsch.



        Es ist bedauerlich, dass Leserbriefeschreiber, die eine Meinung zu Allem haben, offenbar noch nie demokratische Basisarbeit gemacht haben.



        Die beiden "Herren" haben sich mit Ihrem Statement als undemokratisch geoutet und sind daher, für mich, im Boden der Bedeutungslosigkeit versunken.



        Nicht Jeder, der den Mund aufmacht, hat Etwas



        ( Sinnvolles) zu sagen.



        Zum Artikel: Danke für diese Einblicke, es bleibt zu hoffen, dass Sachsen die Notwendigkeit einer demokatischen Gesellschaft erkennt und entsprechend handelt.



        Den AkteurInnen für die Demokratie gilt mein Dank für Ihren Mut und Ihre Arbeit in schweren Zeiten.

    • @Rudi Hamm:

      Sehr gute Bemerkung.