Kampf gegen Rassismus: Ein Trostpflaster für Betroffene
Demos gegen rechts sind wichtig, aber nicht ausreichend. Es muss über den tief verankerten Rassismus in der Mitte der Gesellschaft aufgeklärt werden.
O b in Hamburg, Berlin oder Mainz: überall in Deutschland finden derzeit Großdemos gegen rechts, vor allem gegen die AfD, statt. Diese Demos sind wichtig. Ist jedoch nur der rechte Rand eine Gefahr für Deutschland?
Laut einer Studie ist Deutschland europaweiter Vorreiter, was Rassismus gegen Schwarze und Muslime angeht. Schwarze fühlen sich besonders auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Muslimisch gelesene Personen sind, so der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit, an Orten mit verstärkter gesellschaftlicher Interaktion und Teilhabe und in den Medien am häufigsten von Diskriminierung betroffen. Auf dem Portal „Report Antisemitism“ wurden 2023 rund sieben antisemitische Vorfälle pro Tag gemeldet.
Geheime Treffen der AfD, in denen von Remigration phantasiert wird, sind wenig überraschend. Was Betroffenen von Rassismus aber wirklich das Leben schwer macht, ist die alltägliche Diskriminierung seitens der Mehrheitsgesellschaft.
Wie viele von den abertausenden Demonstranten würden einem Schwarzen die Wohnung vermieten oder eine Hijabi einstellen? Wie viele benutzen „Jude“ als Schimpfwort, empören sich über das Schnitzel Balkan-Art? Es sind die ständigen Kommentare über Aussehen, Kultur, Anderssein, die dazu führen, dass Betroffene an einer gleichberechtigten Teilhabe am öffentlichen Leben gehindert werden.
Empfohlener externer Inhalt
Aussagen über „kleine Paschas“ oder Asylanten, die den Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen, stammen aus der CDU, nicht aus der AfD. Selbst der Kanzler spricht von Abschiebungen im „großen Stil“. Was das bei Postmigranten auslöst, scheint irrelevant zu sein.
Nach jahrelangem Othering tut es gut, tausende Menschen zu sehen, die mit Schildern die Zugehörigkeit beteuern. Es ist jedoch nur ein Trostpflaster und reicht längst nicht aus. Die Aufmerksamkeit muss genutzt werden, um über den tief verankerten Rassismus in der Mitte der Gesellschaft aufzuklären. Er wird von den meisten nicht einmal wahrgenommen. Genau hier liegt das Problem. Wir müssen Betroffenen zuhören, ihre Kritik annehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen