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Kampf gegen RassismusEin Trostpflaster für Betroffene

Gastkommentar von Faiza Ahmad

Demos gegen rechts sind wichtig, aber nicht ausreichend. Es muss über den tief verankerten Rassismus in der Mitte der Gesellschaft aufgeklärt werden.

Protestaktion gegen die AfD in Berlin Foto: Annegret Hilse/reuters

O b in Hamburg, Berlin oder Mainz: überall in Deutschland finden derzeit Großdemos gegen rechts, vor allem gegen die AfD, statt. Diese Demos sind wichtig. Ist jedoch nur der rechte Rand eine Gefahr für Deutschland?

Laut einer Studie ist Deutschland europaweiter Vorreiter, was Rassismus gegen Schwarze und Muslime angeht. Schwarze fühlen sich besonders auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Muslimisch gelesene Personen sind, so der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit, an Orten mit verstärkter gesellschaftlicher Interaktion und Teilhabe und in den Medien am häufigsten von Diskriminierung betroffen. Auf dem Portal „Report Antisemitism“ wurden 2023 rund sieben antisemitische Vorfälle pro Tag gemeldet.

Geheime Treffen der AfD, in denen von Remigration phantasiert wird, sind wenig überraschend. Was Betroffenen von Rassismus aber wirklich das Leben schwer macht, ist die alltägliche Diskriminierung seitens der Mehrheitsgesellschaft.

Wie viele von den abertausenden Demonstranten würden einem Schwarzen die Wohnung vermieten oder eine Hijabi einstellen? Wie viele benutzen „Jude“ als Schimpfwort, empören sich über das Schnitzel Balkan-Art? Es sind die ständigen Kommentare über Aussehen, Kultur, Anderssein, die dazu führen, dass Betroffene an einer gleichberechtigten Teilhabe am öffentlichen Leben gehindert werden.

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Aussagen über „kleine Paschas“ oder Asylanten, die den Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen, stammen aus der CDU, nicht aus der AfD. Selbst der Kanzler spricht von Abschiebungen im „großen Stil“. Was das bei Postmigranten auslöst, scheint irrelevant zu sein.

Nach jahrelangem Othering tut es gut, tausende Menschen zu sehen, die mit Schildern die Zugehörigkeit beteuern. Es ist jedoch nur ein Trostpflaster und reicht längst nicht aus. Die Aufmerksamkeit muss genutzt werden, um über den tief verankerten Rassismus in der Mitte der Gesellschaft aufzuklären. Er wird von den meisten nicht einmal wahrgenommen. Genau hier liegt das Problem. Wir müssen Betroffenen zuhören, ihre Kritik annehmen.

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26 Kommentare

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  • Wenn Deutschland wirklich so ein Hort des Rassismus ist, wieso kommen dann die meisten Flüchtlinge in Europa nach Deutschland?

    • @Hans Hermann Kindervater:

      Ihre Frage ist zwar kurz - eine vernünftige Antwort darauf müsste aber sehr umfangreich sein. Darum nur soviel:

      Der (ohne jeden Zweifel) vorhandene Rassismus im Land ist nicht umfangreicher oder ausgeprägter als in den meisten anderen Ländern Europas und darum auch kein entscheidendes Kriterium für oder gegen Deutschland als Ziel.

      • Faiza Ahmad , Autor*in des Artikels,
        @Al Dente:

        Wie im Artikel nachzulesen ist der Rassismus gegen Schwarze und der Antimuslimische Rassismus in Deutschland eben weiter verbreitet, als in anderen EU Ländern. Studien dazu sind im Netz und im Bericht Muslimfeindlichkeit der UEM nachzulesen. Tatsächlich ist Deutschland auch für ausländische Fachkräfte eher unattraktiv. Auch dies ist durch Studien bewiesen. Beim Fachkräftemangel eher kontraproduktiv so ein Image zu haben.

        • @Faiza Ahmad:

          In der Frage, auf die ich geantwortet habe, war ganz allgemein von Rassismus die Rede (nicht bezogen auf einzelne/bestimmte Gruppen), und die Frage beschränkte sich zudem auf Flüchtlinge. In diesem Kontext habe ich geantwortet. Nicht zuletzt mit dem Hinweis, dass eine vernünftige Antwort sehr viel umfangreicher sein müsste.

  • "an Orten mit verstärkter gesellschaftlicher Interaktion"

    Seltsamer Ausdruck, was verbirgt sich dahinter? Hätte man das nicht irgendwie verständlicher ausdrücken können?

    • Faiza Ahmad , Autor*in des Artikels,
      @Sholli:

      Damit sind Orte wie die Arbeitswelt, der Wohnungsmarkt und Bildung gemeint, wie im Bericht der UEM nachzulesen ist. Bei 2200 Zeichen muss sowas leider weggelassen werden.

  • Zu den Kommentaren von Garum, Herma und Andreas: Ich beteilige mich als lebenslanger Wähler linker Parteien nicht an den aktuellen Demos, um gegen "RECHTS" zu protestieren, sondern um das weitere Erstarken des Rechtsextremismus und Antisemitismus (!) in Deutschland zu verhindern. Warum ist mir der Unterschied wichtig?



    Weil mir die DRINGLICHKEIT der Situation vor Augen steht.



    Drei Landtagswahlen und die Präsidentschaftswahlen in den USA im Jahr 2024 und eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass überall Rechtsextreme an die Schalthebel der Macht kommen!



    Wir brauchen ALLE (Demokraten), auch die Jungs und Mädels von CDU und CSU, um das zu verhindern.

    • @Plewka Jürgen:

      Genau deswegen finde ich es ja so schade*, dass CDU und FDP bei uns beschlossen haben, ihre Ablehnung der Linkspartei für wichtiger zu halten, als ihre Ablehnung von Rechtsextremismus und Antisemitismus.



      *schade ist definitiv nicht das passende Wort, aber etwas passendes, das auch in einem schriftlichen Kommentar von jedem Leser korrekt verstanden wird, ist mir nicht eingefallen.

    • @Plewka Jürgen:

      Volle Zustimmung!

    • @Plewka Jürgen:

      Aber die " Jungs und Mädels von CDU und CSU" haben mehr Spaß daran in Potsdam mit den Jungs und Mädels der Afd über seltsame Sachen zu schwadronieren.

    • @Plewka Jürgen:

      Endlich mal jemand der den Unterschied zwischen rechts und rechtsextrem kennt.



      Danke.

      • @Abraham Abrahamovic:

        Habe ich auch gedacht! Rechtsextrem sind für mich auch die Islamisten, die in den Städten hier "Juden ins Gas" krakeelen. Und da fallen mir noch einige andere ein.

        • @Leningrad:

          Natürlich.

  • Auf solche Leute müssen wir endlich mal mehr hören!

    • @Ajuga:

      Ich höre auf Leute, die mich mit Argumenten überzeugen wollen, nicht weil sie irgendwo herkommen oder irgendwelche Erfahrungen gemacht haben. Wenn es einen Grund gibt, vielleicht besonders gut zuzuhören, dann wäre das die besondere Kompetenz, dazu zähle ich aber die Herkunft nicht.

  • Die Frage ist eben, was man von den Demonstrationen erwartet bzw. was die Aussage sein soll. Die Zahl war so groß, weil viele Leute eine rote Linie überschritten sahen, dass jetzt ihr Nachbar, Arbeitskollege, vielleicht sogar Partner "der Feind" sein soll, der hier nicht mehr willkommen ist.

    Demos mit einer Aussage, wie die Autorin sich wünscht, hätten sicher nur einen Bruchteil der Leute mobilisiert, weil zum Beispiel gerade die Aussage des Kanzlers zum "massenhaften Abschieben" laut Umfragen von den meisten positiv gesehen wurde.

  • Es geht bei Rechts nicht nur um Rassismus, das ist ein Teilaspekt. Es geht um unsere Demokratie an sich. Die Rechten und ihre Schergen machen sich auf die Demokratie von untenaus auszuhöhlen. Durch Gewalt und Einschüchterung gegen Kommunalpolitiker z.B.. Man muss das Ganze sehen.

    • @Garum:

      Wenn aber der Rassismus, der bei Rechten zur Essenz gehört, von der Mitte der Gesellschaft als ok gespiegelt wird, dann stärkt das durchaus auch deren Potenzial die Demokratie zu schwächen.



      Es gab selbst auf den Demos gegen rechts Redner, die über Themen wie Leitkultur und Obergrenzen gesprochen haben. Denen wurde zwar nicht zugejubelt, gestoppt hat sie aber auch niemand. Gerade im Bereich Rassismus gibt es leider noch immer zu viele in der Mitte der Gesellschaft, die nicht bemerken, dass sie den Rechten nach dem Mund reden. Wohlgemerkt ohne selbst deswegen rechts zu sein.



      Die in der Mitte der Gesellschaft vertretenen Meinungen stehen denen von rechts durchaus entgegen. Aber allein die Spiegelung der Thematik wertet die Menschenfeindlichkeit auf, indem vormals Unsagbares zum Argument erhoben wird, über das man debattieren kann.

      • @Herma Huhn:

        "Es gab selbst auf den Demos gegen rechts Redner, die über Themen wie Leitkultur und Obergrenzen gesprochen haben."

        Die Begriffe Leitkultur und Obergrenze sind nicht rassistisch. Sie sind, obwohl mittlerweile von Rechten vereinnahmt, in ihrem Wesen nicht mal rechts.

        de.m.wikipedia.org/wiki/Leitkultur

        • @Moby Dick:

          Die von mir gemeinten Redner haben leider nicht den ursprünglichen sondern den durch rechten Missbrauch eingeengten Wortgebrauch ins Feld geführt.



          Hätten sie lediglich die Worte benutzt wäre mir das nicht negativ aufgefallen.

      • @Herma Huhn:

        Ich habe lediglich geschrieben das es nicht nur um Rassismus geht. Ich habe das weder relativiert noch in Frage gestellt. Auch für Sie den Rassismus gibt es und es ist ein Teilaspekt der zu beachten und zu bekämpfen ist. Mann sollte es aber nict nur aus dieser Perspektive sehen.

        • @Garum:

          Ja, es gibt bei "rechts" andere Aspekte als den Rassismus.



          Und dennoch ist es wichtig, Rassismus in der Mitte der Gesellschaft als Problem zu identifizieren und zu bekämpfen.



          Zuerst natürlich, weil es ein Problem ist, das in einer demokratischen Gesellschaft gelöst werden muss. Rassismus widerspricht demokratischen Grundsätzen fundamental.



          Zum anderen, weil faschistische Kräfte mit all ihren Zielen durch rassistische Umgangsformen aus der Mitte der Gesellschaft gestärkt werden.



          Rassismus zu einem Randproblem zu erklären ist selbst schon eine Schwächung der Demokratie.

    • @Garum:

      So relativiert man den Rassismus in unserer Gesellschaft der auch jenseits von rechts existiert. Sie sehen nicht das Ganze!

      • @Andreas J:

        Relativiert habe ich gar nichts. Das es Rassismus gibt ist unbestritten. Worauf ich hinweisen wollte ist das es nicht nur der Rassismus ist um den es geht.

        • @Garum:

          Wer sagt denn, dass es beim Kampf gegen Rechts nur um Rassismus geht?

      • @Andreas J:

        Es ist aber keine absichtliche oder auch nur bewusste Relativierung!

        GARUM übersieht lediglich, dass die Eliminierung der Demokratie für die Rechten nur ein Mittel zum Zweck[*] der ungehinderten Durchsetzung einer rassistischen Agenda ist, und nicht Ziel an sich wie es das für den frühen (Mussolini-)Faschismus war[**].

        Das ist eigentlich ein positives Zeichen.



        Denn es belegt eine gesunde demokratische Gesinnung, wenn man ohne groß nachzudenken "intuitiv" die Demokratie als das Große Ganze ansieht, und Rassismus/Antirassismus als einen Teilaspekt davon.

        [*] Modi/BJP beweisen (neben ihrem Hass auf Muslime hassen sie auch die Mleccha, d.h. "Nichtarier"), dass es unter Umständen auch möglich ist, eine Demokratie zwecks einer rassistischen Agenda nicht zu eliminieren, sondern zu kooptieren.

        [**] Der andererseits zwar eine hyperaggressive koloniale Agenda hatte, aber Rassismus *im eigenen Land* als nachrangig ansah.



        Auch der Austrofaschismus war nicht antisemitisch, weil er faschistisch war, sondern weil er katholisch war.