Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Ich bin immer wieder erstaunt wie unterschiedlich ein Artikel zu einem Thema verstanden werden kann.
In den Kommentaren wird von Weltfremdheit und Gedanken aus dem Elfenbeinturm heraus schwadroniert.. Ich vermute mal keiner hat ein Problem, wenn Politiker der Exekutive das Tun wofür sie bezahlt werden - nämlich Entscheidungen nach bestem Gewissen und Expertise zu treffen.
Das Parlament wird aber auch von uns bezahlt um Entscheidungen zu prüfen und zu legitimieren. Was ist unredlich daran zu erwarten das dieses Parlament auch seinen Job macht und in die Entscheidungsfindung eingebunden wird?!
Nur so bleibt es notwendig die Entscheidungen zu erklären und mit Argumenten zu unterfüttern. Ebenso ist es unabdingbar als Entscheider das große und ganze nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Und ja es ist schon Fragwürdig nur auf die Virologen zu hören wenn es um die Maßnahmen gegen die Pandemie geht - Sie sind zwar unbestritten die Experten, aber Ihnen fehlt auch der Überblick was z.B. die Maßnahmen wirtschaftlich und bei der Bildung bedeuten etc. Hier ausschließlich auf Mediziner zu hören ist ungefähr so als würden wir bei der Kernenergie nur auf die Atomphysiker hören und bei Kriegseinsätzen nur auf die Generäle etc.
Der Artikel trifft es sehr gut. Es ist erschreckend, dass gerade linke, durchaus kritische Menschen gerade hat kein Problem damit haben, dass jetzt Politik im Hinterzimmer gemacht wird ohne Einbindung der Bevölkerung statt den Sommer zu nutzen, um sich mit dem mittel- & langfristigen Umgang mit der Pandemie zu beschäftigen.
Und die Politik baut einerseits v.a. auf Verbote und Appelle und gefährdet andererseits die Compliance durch fehlende Partizipation und intransparente Kommunikation.
Da können wir noch so sehr über Egoisten schimpfen, auf die Dauer führt das nicht nur zu mehr sozialer Spaltung, sondern auch dazu, dass immer mehr Menschen die Regeln nicht einhalten, was eben gerade deshalb ein Problem ist, weil die Verantwortung auf die Bevölkerung (& Schule, medizinisches Personal etc) abgewälzt wird. Die Bevölkerung hat also gerade sehr wenig Macht, aber sehr viel Verantwortung und auf die Dauer geht das nicht gut.
Das kann man unmoralisch finden, aber trotzdem ist es wahrscheinlich, dass die Situation sich so weiterentwickelt.
Und damit ist das ganze eben nicht nur ein abstraktes Luxusproblem (was so eine Machtverschiebung sowieso nicht ist), sondern gefährdet ganz konkret, wie wir durch die Pandemie kommen: entweder wir finden Wege, es ohne Compliance zu schaffen oder wir erhöhen Compliance - dazu reichen langfristig weder Appelle noch Verurteilungen.
Ich halte mich für einen durchschnittlich intelligenten Menschen, aber in dem Schlagwortgewitter dieses Textes habe ich den Überblick verloren. Was möchte die Autorin?
Was Bürgerräte angeht: Das Los bestimmt, wer drinsitzt. Wer bestimmt, wessen Namen in die Lostrommel kommen? So wird schon eine Vorauswahl getroffen. Bei einer Epidemie verlasse ich mich lieber auf den Rat von Epidemiologen und Intensivmedizinern als den von Bürgern, von denen viele vielleicht keine medizinische Vorbildung haben.
Nanu, die taz in Opposition zu der alternativlosen Corona-Politik der Bundesregierung? Verwundert reibt man sich die Augen und fragt sich: Woher kommt der Sinneswandel?
In dem Heim in dem ich arbeite haben wir bis jetzt 5 Coronafälle, zwei Kolleginnen und drei Bewohner. Die eine Kollegin, im besten Frauenalter und gesund, lag ein paar Tage auf der Intensivstation. Einer von den Bewohnern, der auch noch relativ fit war, bekam die letzten Tage immer schlechter Luft und wird wohl inzwischen auch im Krankenhaus sein. Dies zeigt mir schon jetzt, daß Corona gefährlicher ist als Grippe.
Personaltechnisch geht im Moment alles drunter und drüber. Quarantäneausfälle, normale Krankheitsausfälle, Krankmeldungen aus Angst vor Corona. Die Leiharbeiterfirmen sind auch bald ausgebucht.
Der zeitliche Mehraufwand die Hygiene- und Quarantänebestimmungen einzuhalten ist immens. Das restliche Personal ist praktisch nur noch am Arbeiten.
Der obige Artikel über die Gefahr der Entfremdung und die Wichtigkeit einer gesellschaftlichen Debatte über die Coronamaßnahmen scheint für mich in einem Paralleluniversum stattzufinden.
So heißt das also jetzt "gesellschaftliche Resilienz".
Klingt ja auch viel besser als "Gesundschrumpfen", "sozialverträgliches Frühableben", oder "Sozialdarwinismus".
Wenn als einzige Oppositionspartei die AFD übrig bleibt, dann ist das schon traurig. Von denen möchte ich mich nicht vertreten lassen.
Bei der Friedensdemo im Berliner Tiergarten ist BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht die Umjubelte – ganz im Gegensatz zu SPD-Mann Ralf Stegner.
Kampf gegen Corona: Ein durchregiertes Land
Die Coronamaßnahmen sind ein Problem für die Demokratie und verhindern gesellschaftliche Resilienz.
Kampf gegen das Corona-Virus: Parlamente und Zivilgesellschaft gehören eingebunden Foto: dpa
Als im März 2020 mit der Anordnung des ersten deutschlandweiten Lockdowns die „Stunde der Exekutive“ schlug, war es kaum vorstellbar, dass daraus das Jahr der Exekutive werden würde. Mit dem am 27. März in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erlaubte es der Bundestag der Regierung, ohne Zustimmung des Bundesrates mit bundesweiter Gültigkeit Anordnungen zur Eindämmung der Pandemie zu treffen. Sieben Monate, unzählige Verordnungen und einen Lockdown später kann von einer „Außerordentlichkeit“ der Machtaggregation keine Rede mehr sein. Regieren per Dekret ist im Jahr 2020 zu einem bedenklichen Normalzustand geworden.
Problematisch dabei ist erstens: Demokratische Politik wird legitimiert, indem Ideen in mehrstufigen Verfahren diskutiert, aggregiert und in den politischen Prozess gegeben werden. Dieser Input-Dimension demokratischer Legitimität steht die Output-Dimension gegenüber, denn legitimes Regieren basiert auch auf der Lösung von Problemen – Politik muss „liefern“. In Notsituationen kann die Output-Dimension die Input-Seite überlagern, um effektiv eine unmittelbare Gefahr abzuwehren. Mittel- und langfristige Legitimation muss vorrangig durch die Input-Seite, also durch Debatte, Streit und Interessenabwägung hergestellt werden.
Wie mühsam die (Rück-)Verlagerung der Legitimation von der Ergebnis- zur Einflussseite ist, zeigt sich in allen autoritären Systemen der Welt: Rentenerhöhungen vor Wahlen etwa sind ein typisches Mittel, um Zustimmung zur Übermacht der Output-Seite zu gewinnen und die Input-Seite als irrelevant darzustellen.
Die zweite Frage ist die der Qualität der politischen Debatte und damit der politischen Inklusivität. Demokratie ist nicht nur ein politisches System, sondern in der Lebenswelt der Menschen tief verankert und basiert auf partizipativen und wechselseitig verbindlichen Konsultationen von Regierenden und Regierten. Je inklusiver diese Konsultationen und Verflechtungen sind, umso demokratischer ist ein System – und umgekehrt.
Gefahr der Entfremdung
Indem in der Coronapolitik auf angemessene Parlamentsdebatten sowie auf zivilgesellschaftliche Mitsprache verzichtet wird, vergibt die Exekutive eine wichtige Chance der Input-Legitimation und dünnt Netzwerke der verbindlichen Konsultation bedenklich aus. Gesellschaftlicher Zusammenhalt als Unterbau der Pandemiebekämpfung ist gerade jetzt notwendig, aber die debattenarme Politik befördert Entflechtung und Entfremdung zwischen Gesellschaft und Politik.
Das dritte Problem ist der Fokus auf Bewältigung statt Veränderung. Im Frühjahr war häufig zu lesen, dass die Krise die Gesellschaft stärker, widerstandsfähiger machen könnte. Das Zauberwort der Resilienz tauchte auf wie eine Hoffnung auf eine positive Wende. Soziale oder gesellschaftliche Resilienz gilt als die Fähigkeit von Kollektiven, Schocks und Krisen zu bewältigen, sich an potenzielle Störungen anzupassen und langfristig Veränderungen umzusetzen, die das Schadenspotenzial von Krisen vermindern und die soziale Gruppe stärken. Resilienz ist also weit mehr als nur Krisenmanagement.
Die Coronamaßnahmen zielen bislang auf die Bewältigung der Krise ab, aber zusätzliche Intensivbetten und Überbrückungshilfen sind kaum nachhaltig. Stattdessen wäre ein Fokus auf den zweiten und dritten Aspekt von Resilienz, nämlich Anpassung und Transformation, notwendig. Dafür braucht es Ressourcen und ein Konzept, das die Frage beantwortet, welche Funktionen der Daseinsvorsorge auf welche Weise gefährdet sind. Die genaue Identifikation dessen, was gefährdet ist, ist der Kern eines politischen Resilienzkonzeptes.
Wie könnte also eine demokratisch inklusive Politik in Bezug auf die Pandemie aussehen? Als erstes gehören Diskussion und darauf aufbauende Entscheidungen zurück in den Raum der Legislative: Erst wenn in den Parlamenten Argumente und Gegenargumente, Sonderfälle und Probleme diskutiert wurden, können Maßnahmen mit der Tragweite von Grundrechtseinschränkungen umgesetzt werden. Die Exekutive braucht einen Spielraum für kurzfristige Reaktionen auf steigende Infektionszahlen oder Engpässe in der Gesundheitsversorgung, aber die grundlegende Ausrichtung der Maßnahmen muss im Parlament diskutiert und nicht erst nachträglich gebilligt werden.
Mehr zivilgesellschaftliche Kontrolle
Zweitens bedarf eine Politik im Krisenmodus nicht weniger, sondern mehr zivilgesellschaftlicher Beteiligung. Auf dezentraler Ebene der Bundesländer, Kreise und Städte könnten Corona-Bürgerräte die Maßnahmen im lokalspezifischen Kontext diskutieren und Verbesserungsvorschläge unterbreiten.
Drittens muss langfristiger Wandel auf nationaler Ebene durch einen Bürgerrat angeschoben werden, dessen Funktion gesetzlich fixiert ist und dessen Mitglieder ausgelost werden. Ein Bürgerrat zur resilienten Gesellschaft hätte die Möglichkeit, jene Probleme zusammenzudenken, welche die größten Herausforderungen der nächsten Jahre darstellen: Klima, Pandemie, und Polarisierung der Gesellschaft sind nur einige der Themen, die einer nachhaltigen Antwort bedürfen.
Die aktuelle Krise wird nicht zu mehr Resilienz führen, und sie kann die gesellschaftliche Spaltung noch vertiefen, wenn der anhaltende Verordnungsmodus der Exekutive das Geflecht gesellschaftlicher Bindungen weiter ausdünnt. Ein nachhaltiger Umgang mit der Krise braucht das genaue Gegenteil: gesellschaftliche Integration durch Verflechtung; breite, kontroverse Debatte; komplexe Verhandlungen und die Repräsentation der Vielfalt der Lebensrealitäten in den Entscheidungen. Das ist weniger effizient als zügiges Durchregieren, und es ist anstrengend. Aber es ist der Weg zur Aufrechterhaltung der Demokratie und zu gesellschaftlicher Resilienz.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Coronavirus
Kommentar von
Susann Worschech
Themen
Corona in Grafiken
Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.
▶ Alle Grafiken