Kampagne für besseres Schulsystem: Berlin muss dazulernen
Berlin muss mehr Lehrkräfte ausbilden, fordert die neue Kampagne „Schule muss anders“. Demnächst ist eine Demo auf dem Hermannplatz geplant.
Konkret will man erreichen, dass die Forderung nach einer besseren Personalausstattung in den Schulen sowohl Eingang in den Koalitionsvertrag des nächsten Senats findet als auch in die Hochschulverträge über Ausbildungskapazitäten. Die werden turnusmäßig im kommenden Jahr neu zwischen dem Land und den Universitäten verhandelt. „Da gibt es jetzt ein Möglichkeitsfenster“, glaubt Dehne.
Die Senatsbildungsverwaltung schätzt den Bedarf an neuen Lehrkräften deutlich geringer ein. In einer Antwort auf eine Anfrage des Landesschulbeirats geht man von jährlich 2.000 benötigten Neueinstellungen aus. 900 beendeten 2019 ihren Lehramtsmaster an den Berliner Unis. Das Referendariat, den abschließenden Vorbereitungsdienst, absolvierten demnach im vergangenen Jahr 1.576 angehende Lehrkräfte. Wie viele danach den Berliner Schulen tatsächlich zur Verfügung stehen, weiß die Bildungsverwaltung nicht, weil Daten über Zu- und Abwanderung fehlten. Hinzu kommen noch QuereinsteigerInnen, die vor allem an Grundschulen unterrichten.
Das Initiativenbündnis will den niedrigeren Bedarf nicht gelten lassen. Damit seien keine qualitativen Verbesserungen des Schulsystems möglich, sagt Dehne, der selbst einige Jahre als Lehrer gearbeitet hat. „Die Frage ist doch, verwalte ich einen Mangel, oder kann ich guten Unterricht gestalten?“
25.000 LehrerInnen fehlen
Der Landesschulbeirat hatte in der Anfrage an die Bildungsverwaltung erfragt, wie der zusätzliche Bedarf an Lehrkräften und ErzieherInnen aussähe, wenn zum Beispiel Klassengrößen abgesenkt würden, weil dort viele SchülerInnen Förderbedarf haben; wenn es eine Vertretungsreserve gäbe oder zusätzliche Stunden für Teambesprechungen und Schulkonzeptarbeit. „Da sieht man, dass für alle diese Dinge in den kommenden acht Jahren rund 25.000 Lehrkräfte fehlen würden“, sagt Dehne.
Eine weitere Forderung der Initiative ist die Schaffung einer unabhängigen Antidiskriminierungsstelle für die Schulen. „Ich habe für meinen mehrfach behinderten Sohn nach zwei Jahren Schulplatzsuche keine inklusive Schule finden können, die ihn haben wollte“, sagte Jane Morgenthal vom Berliner Bündnis für schulische Inklusion. Am Ende habe sie ihr Kind in ein Förderzentrum gegeben. „Es fehlt eine gute, unabhängige Beratungs- und Beschwerdestelle“, sagt Morgenthal.
Die Forderung ist so alt wie unerfüllt: In der laufenden Legislatur haben sich auch die Grünen immer wieder dafür stark gemacht, allerdings ohne Erfolg. Inzwischen gibt es über das 2020 verabschiedete Landesantidiskriminierungsgesetz eine unabhängige Ombudsstelle, allerdings nicht speziell für den Bereich Schule.
Noch immer unbesetzt ist die Stelle eines Antidiskriminierungsbeauftragten in der Bildungsverwaltung. Der letzte Amtsinhaber hatte im Herbst nach nur einem Jahr das Handtuch geschmissen. Dessen Vorgängerin war ebenfalls frustriert gegangen – zu wenig Handlungsspielraum, zu wenig Befugnisse. Beratungsangebote wie die ADAS in Neukölln kritisierten auch immer wieder die fehlende Unabhängigkeit. Allzu lange sollte die Nachbesetzung aber nicht mehr dauern: Aus Kreisen der Bildungsverwaltung heißt es, man habe bereits eine Person ausgewählt; es hake noch an juristischen Belangen.
Neben der Initiative „Schule in Not“ ist auch die Gewerkschaft GEW, das Berliner Bündnis für schulische Inklusion und die Berliner Bürgerplattformen Teil der Kampagne. Als nächstes ist am 5. Juni ist eine Demo auf dem Hermannplatz in Neukölln geplant.
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