Quereinsteiger:innen an Schulen: Pädagogenbeleidigung!
Der Chef des Lehrerverbands findet QuereinsteigerInnen seien ein „Verbrechen an den Kindern“. Leider riecht seine Kritik arg nach Besitzstandswahrung.

Plusaufgaben kann jedeR, aber nicht alle können sie pädagogisch vermitteln Foto: dpa
Man hätte wirklich viel antworten können auf die Frage, welche schulpolitische Entscheidung in diesem Jahr am meisten befremdet hat. Zum Beispiel die Weigerung einiger Bundesländer, Grundschullehrer:innen das gleiche Gehalt zu zahlen wie Lehrer:innen an weiterführenden Schulen. Doch Lehrerverbandschef Heinz-Peter Meidinger scheint vor allem das Renommee seines Berufsstandes – der Gymnasiallehrer:innen – umzutreiben.
Gegenüber der Welt (Ausgabe vom 30.12.) benannte Meidinger als größtes Übel „das völlige Versagen“ vieler Bundesländer bei der Qualifizierung von Quereinsteiger:innen. Meidinger erkennt darin eine Geringschätzung der Pädagogenzunft vonseiten der Politik, gar ein „Verbrechen an den Kindern“. Klarer Fall von Majestätsbeleidigung, gepaart mit Anflügen von Besitzstandswahrung.
Auch wenn Meidinger in der Sache recht hat (natürlich müssen Lehrkräfte gut ausgebildet sein!), nervt das dauernde Quereinsteiger-Bashing. Man muss nur an die eigene Schulzeit denken, um zu erkennen, dass ein volles Pädagogikstudium noch lange keine pädagogisch wertvolle Lehrkraft macht. Statt in den bunteren Lebenswegen der Neuen eine Bereicherung zu sehen, werden sie als ahnungslose Schmarotzer hingestellt, die unverdient in den Genuss der Standesprivilegien kommen und zum Dank den „qualifizierten“ Kolleg:innen noch zusätzlichen Stress bereiten.
Dabei könnten die Neuen Unterstützung gut gebrauchen. Nicht nur wegen der Dreifachbelastung aus eigenem Unterricht, Pädagogikseminaren und nachzuholenden Staatsexamina. Viele fangen auch dort an, wo viele Alteingesessene nie arbeiten würden: an sogenannten Brennpunktschulen. An Berliner Grundschulen mit überwiegend armer Schülerklientel unterrichten drei mal so viel Quereinsteiger:innen wie an solchen mit Kindern aus wohlhabenderen Familien.
Doch statt ehrlich über eine gerechte Verteilung (etwa durch eine Quote) zu reden, sorgt sich Meidinger vor allem um das Bild, das die Gesellschaft von Lehrer:innen hat. So, wie er sich zu den neuen Kolleg:innen äußert: kein gutes.
Quereinsteiger:innen an Schulen: Pädagogenbeleidigung!
Der Chef des Lehrerverbands findet QuereinsteigerInnen seien ein „Verbrechen an den Kindern“. Leider riecht seine Kritik arg nach Besitzstandswahrung.
Plusaufgaben kann jedeR, aber nicht alle können sie pädagogisch vermitteln Foto: dpa
Man hätte wirklich viel antworten können auf die Frage, welche schulpolitische Entscheidung in diesem Jahr am meisten befremdet hat. Zum Beispiel die Weigerung einiger Bundesländer, Grundschullehrer:innen das gleiche Gehalt zu zahlen wie Lehrer:innen an weiterführenden Schulen. Doch Lehrerverbandschef Heinz-Peter Meidinger scheint vor allem das Renommee seines Berufsstandes – der Gymnasiallehrer:innen – umzutreiben.
Gegenüber der Welt (Ausgabe vom 30.12.) benannte Meidinger als größtes Übel „das völlige Versagen“ vieler Bundesländer bei der Qualifizierung von Quereinsteiger:innen. Meidinger erkennt darin eine Geringschätzung der Pädagogenzunft vonseiten der Politik, gar ein „Verbrechen an den Kindern“. Klarer Fall von Majestätsbeleidigung, gepaart mit Anflügen von Besitzstandswahrung.
Auch wenn Meidinger in der Sache recht hat (natürlich müssen Lehrkräfte gut ausgebildet sein!), nervt das dauernde Quereinsteiger-Bashing. Man muss nur an die eigene Schulzeit denken, um zu erkennen, dass ein volles Pädagogikstudium noch lange keine pädagogisch wertvolle Lehrkraft macht. Statt in den bunteren Lebenswegen der Neuen eine Bereicherung zu sehen, werden sie als ahnungslose Schmarotzer hingestellt, die unverdient in den Genuss der Standesprivilegien kommen und zum Dank den „qualifizierten“ Kolleg:innen noch zusätzlichen Stress bereiten.
Dabei könnten die Neuen Unterstützung gut gebrauchen. Nicht nur wegen der Dreifachbelastung aus eigenem Unterricht, Pädagogikseminaren und nachzuholenden Staatsexamina. Viele fangen auch dort an, wo viele Alteingesessene nie arbeiten würden: an sogenannten Brennpunktschulen. An Berliner Grundschulen mit überwiegend armer Schülerklientel unterrichten drei mal so viel Quereinsteiger:innen wie an solchen mit Kindern aus wohlhabenderen Familien.
Doch statt ehrlich über eine gerechte Verteilung (etwa durch eine Quote) zu reden, sorgt sich Meidinger vor allem um das Bild, das die Gesellschaft von Lehrer:innen hat. So, wie er sich zu den neuen Kolleg:innen äußert: kein gutes.
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Kommentar von
Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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