Kampagne des zivilen Ungehorsams: Myanmar probt den Generalstreik

Die Proteste gegen die Machtübernahme des Militärs bekommen noch mehr Zulauf. Erstmals drohen die Generäle jedoch mit Konsequenzen.

Demonstration in Yangon - Viele Menschen auf der Straße und auf einer Fußgängerbrücke

In der früheren Hauptstadt Yangon protestierten am Montag mindestens 100.000 Menschen Foto: ap

BERLIN taz | Am dritten Tag in Folge sind am Montag in Myanmar zehntausende Menschen gegen den Militärputsch auf die Straße gegangen. In der früheren Hauptstadt Yangon (Rangun) wurde die Zahl der Protestierenden wieder auf mindestens 100.000 geschätzt, landesweit dürften es 150.000 gewesen sein.

„Bei mir läuft seit fünf Stunden ein endloser Strom an Leuten in Richtung Innenstadt vorbei. Davon die ersten drei Stunden als Demonstrationszug“, berichtete ein Augenzeuge per Messenger der taz aus Yangon.

Die De­mons­tran­t:in­nen kamen aus breiten gesellschaftlichen Schichten: Studierende und junge Menschen mit Schildern wie „Ihr legt euch mit der falschen Generation an“, Büroangestellte, Lehrer:innen, Ge­werk­schaf­te­r:in­nen und Mit­ar­bei­te­r:in­nen von Behörden protestierten friedlich gegen die Absetzung der gewählten Regierung und Volksvertreter:innen. Auch LGBTQ-Aktivist:innen beteiligten sich mit Regenbogenfahnen.

Viele De­mons­tran­t:in­nen trugen Bilder der bisherigen faktischen Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Andere hatten durchgestrichene Fotos des Putschführers General Min Aung Hlaing dabei.

Aufrufe zu Generalstreik und Boykotte von Firmen des Militärs

Am Vorabend hatte es erste Aufrufe zum Generalstreik gegeben. Noch hat die Bewegung des zivilen Ungehorsams keine Führung. Auch wurde zum Boykott von Firmen des Militärs aufgerufen. So räumte eine Ladenkette Bier der Marke Myanmar aus den Regalen, die der Konzern Mehl des Militärs mit der japanischen Großbrauerei Kirin produziert. Kirin hatte am Freitag den Rückzug aus Myanmar bekannt gegeben und dies mit dem Putsch begründet.

Am Montag schlossen auch viele Filialen der KBZ-Bank, einer der größten des Landes, weil sich viele Angestellte den Protesten angeschlossen hatten, berichtete die Zeitung Frontier auf ihrer Webseite. In Yangon beteiligte sich auch erstmals eine größere Zahl buddhistischer Mönche an den Protesten. 2007 hatten Mönche noch die sogenannte Safranrevolution gegen das Militär angeführt. In den letzten Jahren hatten dagegen nur noch nationalistische Mönche mit antimuslimischer Hetze Schlagzeilen gemacht.

Proteste gab es wie schon in den beiden Tagen zuvor auch in anderen Landesteilen. Oft fuhren De­mons­tran­t:in­nen in endlos scheinenden Motorradkonvois durch die Straßen. In Yangon sind dagegen Motorräder verboten. Selbst in der Hauptstadt Naypyidaw, die vom Militär 2005 aus Sicherheitsgründen ins Landesinnere gebaut und mit extrem breiten Straßen ausgestattet wurde, gab es Proteste. Hier setzte die Polizei erstmals zwei Wasserwerfer ein, gab dies aber bald wieder auf. Doch soll es Verletzte gegeben haben.

Teilweise gelten jetzt Ausnahmezustand und Ausgangssperren

Am Nachmittag äußerte sich erstmals die Militärjunta zu den Protesten und drohte mit Repressionen: „Gegen Vergehen, die die Stabilität des Staates, die öffentliche Sicherheit und die Rechtsstaatlichkeit stören, muss nach dem Gesetz mit wirksamen Schritten vorgegangen werden“, erklärte ein Sprecher des vom Militär kontrollierten Staatssenders MRTV im Namen der Junta.

Details nannte er nicht. Doch verhängte das Militär in einigen Regionen eine Ausgangssperre. Jedoch bisher nicht in der größten Stadt Yangon, wo es die größten Proteste gibt.

Am Nachmittag waren in Yangon Konvois mit Anhängern des Militärs eingetroffen. Der bekannte Politikanalyst Khin Zaw Win vermutete auf Facebook, dass es „bezahlte Provokateure“ seien. Sie könnten De­mons­tran­t:in­nen angreifen.

Es blieb zunächst ruhig, doch scheint eine Reaktion des Militärs bis hin zum gewaltsamen Durchgreifen demnächst wahrscheinlicher. Die von den Generälen verhängten jeweiligen Sperren von Facebook, Twitter und dem Internet waren jeweils nach kurzer Zeit gewesen und konnten nicht verhindern, dass die Menschen sich zum Protest verabredeten.

Am Montag wurden zwei weitere Regionalpolitiker festgenommen, darunter der bisherige Regierungschef der Region Sagaing. Dort hatten Abgeordnete des für aufgelöst erklärten Regionalparlaments getagt.

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