Kali & Schmutz: Salz-Poker verloren
Salzhersteller K+S will Abfälle lieber per Pipeline nach Niedersachsen schicken als weitere Weser-Versalzung zu verhindern
Das Landesparlament habe sich klar gegen die sogenannte Oberweserpipeline ausgesprochen, mit der der hessische Salz- und Düngemittelproduzent K+S umweltschädliche Salzlaugen am hochbelasteten Fluss Werra vorbei kurz vor der niedersächsischen Landesgrenze in die Weser leiten will, ärgert sich Schminke. In dem Masterplan, den Wenzel mit seinen grünen UmweltministerkollegInnen aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Thüringen ausgehandelt hat, taucht das Abwasserrohr, mit dem K+S seine Abfälle den Niedersachsen vor die Füße kippen will, trotzdem als Option auf.
„Bis 2018“ ist in dem „detaillierten Maßnahmenprogramm“, das der taz vorliegt, die „Planung und Vorbereitung eines Genehmigungsverfahrens zum Bau eines Werra-Bypasses“ vorgesehen – mit der Inbetriebnahme sei „gegebenenfalls 2021“ zu rechnen. Eine „Mogelpackung“ sei der Masterplan deshalb, kritisiert Sozialdemokrat Schminke, der selbst aus Hann. Münden an der Oberweser stammt. Ähnlich äußern sich auch die Umweltschützer der Werra-Weser-Anrainerkonferenz: Umweltminister Wenzel habe seine hessische Kollegin und Parteifreundin Priska Hinz, „aber nicht die Umwelt“ geschützt, poltern sie – die „Verklappung der K+S-Abwässer“ sei jetzt „behördenwirksam abgesichert“.
Denn die in einer schwarz-grünen Koalition regierende Hinz steht massiv unter Druck. K+S ist der größte Salzhersteller der Welt, bietet im strukturschwachen Nordhessen mehr als 5.000 gut bezahlte Arbeitsplätze. Zur Gewinnoptimierung entsorgt der Konzern seit mehr als 100 Jahren Millionen Kubikmeter Abfälle über die Flüsse Werra und Weser – oder verpresst die stark salzhaltigen Abwässer direkt in den Boden. Die Folge sind massive Umweltschäden (siehe Kasten).
Der Salzabbau in Nordhessen belastet die Umwelt jährlich mit rund 5,5 Millionen Tonnen schädlicher Abwässer.
Die Werra giltdeshalb als der salzigste Fluss Europas. Süßwasserfische finden dort keine Lebensgrundlage mehr.
Verpresst wird die Salzlaugeauch in den Boden. Dort siedeln salzliebende Pflanzen.
Schäden entstehen auch an Brücken. Um Rost zu vermeiden, muss Spezialstahl eingesetzt werden und die dafür anfallenden Kosten trägt die Allgemeinheit.
Zur Erfüllung der EU-Wasserrahmenrichtlinie soll die Belastung von Werra und Weser deshalb bis 2027 halbiert werden.
Vorgesehen ist dazu die Verdickung der Abwässer und ihre sogenannte Einstapelung unter Tage – eine Vermarktung des in der Lauge enthaltenen Restsalzes gilt als nicht wirtschaftlich.
Außerdem sollen Salz- und Kali-Abraumhalden abgedeckt werden, die aktuell noch vom Regen ausgespült werden.
Allerdings zweifeltK+S an der technischen Umsetzung und hat langwierige Studien dazu angekündigt.
Doch der Grüne Wenzel will die koalitionsinterne Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Die Salzpipeline sei gegen den Willen Niedersachsens in den Masterplan gelangt, argumentiert sein Ministerium – für den Fall, dass andere Maßnahmen wie eine Einlagerung unter Tage nicht umsetzbar seien. Niedersachsen lehne den Werra-Bypass ab und habe dies auch im Masterplan „verankert“, versichert auch Wenzel selbst: 2018 gebe es erneut die Gelegenheit, die Pipeline abzulehnen.
Kritiker wie der Sozialdemokrat Schminke aber bezweifeln genau das. „Diese Protokollnotiz ist rechtlich nichts wert“, meint er. K+S spiele auf Zeit: Direkt nach Verabschiedung des Masterplans sei das Raumordnungsverfahren für den Bau der Pipeline wieder aufgenommen worden. „Die verarschen die Politik von A bis Z“, ärgert sich der Gewerkschafter.
Denn der Konzern geht auch gegen eine weitere von Umweltminister Wenzel verhandelte Beschränkung vor: Am Pegel Boffzen, kurz hinter der niedersächsischen Landesgrenze, soll die Salzfracht der Weser ab 2021 höchstens 300 Milligramm pro Liter Wasser betragen – ob die Pipeline nun gebaut wird oder nicht. Ansonsten droht eine Einschränkung der Produktion.
K+S aber will das so nicht hinnehmen: „Wir halten das für nicht verhältnismäßig“, sagt Konzernsprecher Ulrich Göbel und kündigt eine Klage an: „Aus heutiger Sicht werden wir das gerichtlich überprüfen lassen.“
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