Kai Trump: Trumpismus-Influencerin für die Generation Z
Die 17-jährige Kai Trump inszeniert ihren Großvater Donald auf Youtube, Tiktok und Instagram als lieben Opa und engagierten Präsidenten.
Kais Stimme klingt voller hoffnungsvoller Erwartung: „Ich bin bereit, heute Nacht zu feiern […]. Hoffentlich gewinnt er […].“ Kurz erklingt die Melodie des Songs „Gimme Gimme Gimme“ von ABBA. Cut.
Als nächstes ist Kai in ihrem Zuhause in Florida zu sehen, sie wird von einer Hair- und Make-up-Artistin zurechtgemacht und begrüßt die Zuschauer:innen zu ihrem neuen Video. Ein Mann, der nicht weiter vorgestellt wird, filmt. „Welches Kleid soll ich anziehen?“, fragt sie ihn ein wenig später.
Kai ist in den USA geboren und aufgewachsen. Sie geht in Florida zur Schule und hat vier jüngere Geschwister. Neben der Schule und ihrem Hobby, dem Golfen, betreibt sie einen Youtube-Kanal. Mehr als 550.000 Menschen folgen ihr dort. Auch auf Instagram und Tiktok ist sie aktiv und postet regelmäßig Einblicke vom Golfplatz. Kai könnte ein ganz normales 17-jähriges Mädchen sein. Doch dem ist nicht so – denn sie trägt den Nachnamen Trump. Seit über einem Monat teilt die Enkelin von Donald Trump, Tochter von Donald Trump Jr. und Ex-Frau Vanessa Haydon, ihr Leben im Internet.
Den ersten öffentlichen Auftritt hatte die 17-Jährige im Juli dieses Jahres auf dem Parteitag der Republikaner, wo sie eine Rede hielt. Sie stellte Trump dort nicht als polarisierenden und provokativen Politiker dar, sondern als lieben Großvater von nebenan, der ihr und den anderen Enkeln Süßigkeiten und Limonade gibt, wenn die Eltern nicht hinschauen. Sie sagt, dass sie eine Seite ihres Opas zeigen möchte, die Menschen nicht so oft sehen. Und damit: Willkommen im Leben von Kai Trump und willkommen zu exklusiven Einblicken in die Wahlnacht am 5. November.
Vergoldete Stühle und Flatscreens in Mar-a-Lago
Sobald Kai fertig gestylt ist, geht es nach Mar-a-Lago, zur luxuriösen Privatresidenz von Donald Trump. Dort angekommen, versammelt sich die Familie um vier große Flatscreens. Erstaunlicherweise läuft nicht nur der parteiloyale Sender der Republikaner, Fox News, sondern auch CNN und NBC News.
Die Stimmung im Raum wirkt angespannt, es wird sich nur leise unterhalten. Vergoldete Stühle und große Sofas stehen vor imposanten Wandgemälden. Donald Trump sitzt etwas abseits, weiter hinten im Raum. Ebenfalls mit im Bild: Kai und ihre Eltern, ihre Geschwister und Barron Trump, der jüngste Sohn Donald Trumps. Melania Trump, die Ehefrau von Donald Trump und Mutter des gemeinsamen Sohnes, hat wohl keine Lust auf ihre Familie und ist nicht zu sehen.
Auch später bei den Aufnahmen für ein Familienfoto ist Melania nicht dabei. Doch ein Ersatz scheint bereits gefunden. Trump entgegnet dem Fotografen: „Ihr müsst Elon mit seinem Jungen erwischen. Wunderschöner, perfekter Junge.“ Musk lässt sich nicht zweimal bitten und posiert so mit seinem Sohn X Æ A-12 gemeinsam mit der Familie vor einem goldenen Gemälde. Im Hintergrund sind prunkvolle Lampen sowie goldene Vorhänge und eindrucksvoller Wandschmuck zu erkennen.
Die Fotosession ist vorbei und es geht weiter zum Convention Center. Kai stellt ihre Freundin Ema vor, die anscheinend eine Obsession für Nutella hat. „Nutella, bitte sponsere uns.“ Kai sagt noch in die Kamera, dass ihr Opa wahrscheinlich gewinnt und die Familie sich jetzt mit Vizepräsident J. D Vance trifft. Der Vlog endet abrupt.
Einige Tage später sitzt die Enkelin des designierten 49. Präsidenten der USA sichtlich erleichtert in ihrem Auto auf einem Parkplatz und lässt die Nacht Revue passieren. „Er macht nichts anderes als arbeiten, und es ist wirklich motivierend, das jeden einzelnen Tag zu sehen und ein Vorbild zu haben […]. Die Wahlnacht war für unsere ganze Familie etwas ganz Besonderes, weil wir wirklich bis zum Schluss gekämpft haben. Es war das letzte Mal, dass er kandidiert hat […]. Er könnte sein ganzes Leben nur Golf spielen und in Mar-a-Lago leben, aber er kämpft für dieses Land. Er hat eine Vision, die er verfolgt, und er wird einen tollen Job machen, und er möchte das Beste für das Land.“
Der harmlose Opa und das Beste für die USA
Das Video ist vorbei und die Zuschauer:innen bleiben mit dem Gefühl zurück, dass der harmlose Opa wirklich das Beste für alle Amerikaner:innen möchte. Die Strategie, Trump als liebevollen Großvater und Familienmenschen zu präsentieren, gelingt geschickt, indem sie Kai als fürsorgliche und loyale Enkelin inszenieren, die der Welt zeigen möchte, wie hart ihr Opa jeden Tag aufs Neue für Amerika kämpft.
Donald Trumps unzählige Strafverfahren, seine Verbreitung von Verschwörungstheorien und Fake News sowie die Hasstiraden gegen die Demokraten sind ausgeblendet. In den vergangenen zehn Minuten existierte nur Kai als bodenständige, freundliche, junge Frau, die einen harmonischen Gegenpol zu ihrem Großvater bietet und es mit einer Leichtigkeit schafft, eine absurde Nähe zur Familie Trump herzustellen.
Auch nach der Wahl geht die Werbesendung weiter. Neben Golfvideos postet Kai einen Vlog mit Trump und Musk zusammen in Texas, wo sie sich gemeinsam den Start einer „Starship“-Rakete anschauen. Die Bemerkung Kais in der Wahlnacht, dass dies Trumps letzte Kandidatur sei, gibt mir immerhin einen Hauch von Hoffnung. Und so hallt die Melodie von ABBA weiterhin in meinem Kopf, während ich leise vor mich hin singe:
„Gimme, gimme, gimme a man after midnight Won’t somebody help me chase the shadows away?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf