Kämpfe und Anschlag in Afghanistan: Taliban töten sechs US-Soldaten
Ein Selbstmordattentäter attackiert bei Kabul eine Patrouille. Die USA und Großbritannien schicken Spezialkräfte in die umkämpfte Provinz Helmand.
Die Taliban bekannten sich in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AP zu der Tat. Nach Angaben der örtlichen Behörden rammte der Selbstmordattentäter sein mit Sprengstoff beladenes Motorrad in eine Patrouille aus Soldaten der Nato und der afghanischen Streitkräfte, die zu Fuß in einem Dorf in der Nähe des Luftwaffenstützpunkts unterwegs war. Dieser liegt rund 45 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kabul.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, sagte in Washington, die Nation denke an die Opfer und bete für sie, ihre Familien und Angehörigen. Die USA werden ihre Arbeit gemeinsam mit den Afghanen fortsetzen, um Frieden und Stabilität in dem Land zu fördern. US-Verteidigungsminister Ashton Carter nannte den Angriff „eine schmerzhafte Erinnerung an die Gefahren, denen unsere Truppen jeden Tag in Afghanistan begegnen.“
Es ist der erste größere Anschlag auf Nato-Truppen, seit am 22. August ein Konvoi in Kabul ebenfalls von einem Selbstmordattentäter attackiert wurde. Dort starben u.a. drei US-Bürger, die als örtliche Mitarbeiter beschäftigt waren. Am 7. und 8. August waren zuvor bei drei Angriffen der Taliban binnen 24 Stunden 35 Menschen umgekommen. Eine der Attacken traf ein Lager von US-Spezialeinheiten in der Nähe von Kabul.
Heftige Gefechte in der Provinz Helmand
Der Angriff erfolgte, während sich Taliban und afghanische Regierungstruppen in der Provinz Helmand heftige Gefechte um den strategisch wichtigen Bezirks Sangin lieferten. Die Taliban hatten nach Angaben der örtlichen Behörden am Sonntag die Kontrolle über die Region übernommen, allerdings nicht über die Stützpunkte der afghanischen Armee. Dabei sollen zahlreiche afghanische Sicherheitskräfte verletzt oder getötet worden sein.
Das afghanische Verteidigungsministerium meldete am Montag eine Gegenoffensive von afghanischen Soldaten und Spezialkräften. Die afghanische Luftwaffe habe binnen 48 Stunden 160 Kampf- und Transportflüge absolviert, sagte Sprecher Daulat Wasiri. In der Provinz Helmand seien drei von zehn Aufständischen ausländische Kämpfer, darunter Pakistaner, Tschetschenen, Usbeken, Araber und chinesische Uiguren. Dies mache die Situation sehr kompliziert.
Der stellvertretende Gouverneur von Helmand, Mohammad Jan Rasuljar, hatte sich am Sonntag auf ungewöhnlichem Weg an Präsident Aschraf Ghani gewandt: Er nutzte Facebook, um dem Staatsoberhaupt mitzuteilen, dass Helmand in Gefahr sei, an die Taliban zu fallen, falls keine Hilfe geschickt werde. Binnen 30 Tagen seien 90 Sicherheitskräfte bei Kämpfen getötet worden.
Britische und US-Soldaten in Kampfgebiet verlegt
Großbritannien und die USA haben einem Zeitungsbericht zufolge Spezialkräfte nach Helmand verlegt. Die Londoner „Times“ berichtete, 30 Soldaten der britischen Spezialeinheit SAS und bis zu 60 US-Spezialkräfte seien nach Helmand verlegt worden, um die Verteidiger von Sangin zu unterstützen. Das britische Verteidigungsministerium erklärte am Dienstag, die Soldaten seien nur zur Beratung der afghanischen Streitkräfte entsandt und würden sich nicht an Kampfhandlungen beteiligen. Sie würden auch nicht außerhalb ihres Camps eingesetzt.
In den vergangenen sechs Monaten haben die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Aufständischen in Helmand deutlich zugenommen. Provinz-Gouverneur Mirsa Chan Rahimi hatte am Montag berichtet, Polizisten setzten sich in Sangin noch gegen die Taliban zur Wehr, die das Polizeihauptquartier und das Gebäude des Bezirksgouverneurs eingekesselt hätten. Die Straßen in die Stadt seien aber bereits völlig unter der Kontrolle der Taliban.
Helmand ist für die Taliban ein wichtiger Stützpunkt. Hier wird weltweit das meiste Opium produziert. Mit dem Verkauf finanziert sich die Gruppe. In den vergangenen Jahren hatten die Extremisten immer wieder zeitweise die Kontrolle über die Region übernommen. Sollte die Provinz in die Hände der Taliban fallen, wäre dies ein herber Rückschlag für die Regierung, die vorgibt, dass die Sicherheitskräfte auch nach Abzug der internationalen Kampftruppen die Aufständischen unter Kontrolle halten können.
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