Kabarettist über Nockherberg: „Es ist ein gefährlicher Tanz“
In diesem Jahr wird Maximilian Schafroth auf dem Nockherberg mit der anwesenden Politprominenz ins Gericht gehen. Das darf richtig wehtun.
taz: Herr Schafroth, Ihr aktuelles Programm heißt „Faszination Bayern“. Was ist an Bayern faszinierend?
Maximilian Schafroth: Dieses Ikonografische, die in Loden gehüllte Selbstzufriedenheit, die g’wamperte Gemütlichkeit. Das hat sehr amüsante Züge. Wenn man wie ich in einem kleinen Dorf aufwächst, ist diese Überlegenheit des Lodens erst mal ganz selbstverständlich. Meine Oma war immer voller Respekt, wenn der Landrat oder irgendeine CSU-Abordnung zu uns ins Dorf kam. Aber irgendwann fängst du an, das zu hinterfragen, die Leute ein bisschen zu reizen. Dann schaust du, wie weit du gehen kannst, was das zum Beispiel für Konsequenzen hat, wenn du dem Landrat den Auspuff vom Mercedes zuklebst.
Was hatte es für welche?
Meine Oma war stocksauer.
1985 geboren, ist Kabarettist, Schauspieler und Filmemacher. Dieses Jahr tritt er zum ersten Mal als Fastenredner beim Münchner Nockherberg auf. Auftritte von Politikern hatte der Allgäuer schon als Kind. Wenn sich in seinem Heimatdorf Stephansried die örtliche Politprominenz versammelte, ließ ihn seine Großtante gern von ihr selbst verfasste Gedichte vor den Herrschaften aufsagen.
War das ein Lausbubenstreich oder eine politische Protestaktion?
Mich hat das schon immer subtil genervt: dass meine Oma das so wichtig gehabt hat mit diesen vermeintlich bedeutenden Leuten. Ich will mich aber nicht so hinstellen, als wäre ich der Rebell gewesen, der auf die Straße gegangen ist und gegen die Unterdrückung der Frau im Allgäu demonstriert hat. Ich habe schließlich eine Bankausbildung gemacht.
Haben Sie Bammel vor Ihrem Auftritt auf dem Nockherberg?
Nein, es ist ein schönes Aufgewühltsein. Ich bin gespannt, aber ich habe keinen übermäßigen Respekt.
In welche Rolle werden Sie schlüpfen?
In keine. Ich bleibe ich selbst. Den klassischen Weg werde ich aber nicht wählen. Ich will es nicht so gravitätisch machen wie manche meiner Vorgänger, es muss alltäglich daherkommen. Astrid Lindgren hat mal gesagt: Wenn du was Großes sagen willst, nimm kleine Worte. Vielleicht hat sie’s auch nicht gesagt, aber es ist ein sehr schöner Satz.
Es hat ja etwas von Hofnarrentum. Sie können den Politikern die Leviten lesen, bieten ihnen aber auch eine Bühne, auf der sie zeigen können, wie humorvoll sie sind. Besteht die Gefahr, instrumentalisiert zu werden?
Überhaupt nicht. Ich denke mir eher: Ich habe jetzt das recht, über das zu reden, was mich bewegt, was ich gerecht, was ich ungerecht finde, wo sich was ändern muss. Ich darf reden, und die müssen mir zuhören. Vereinnahmung würde ich eher sehen, wenn es außerhalb der Rede Verpflichtungen gäbe. Ich würde mich zum Beispiel nicht danach mit in diese Diskussionsrunde mit den Politikern setzen. Aber die Rede zu halten, das ist für mich eine große Ehre.
Man muss aber schon „g’schert“ sein, man kann die Kritik ja nicht so formulieren, wie man das in einem persönlichen Gespräch machen würde.
Sicher, es ist ein gefährlicher Tanz. Ich muss da eine Ebene finden, wie ich sage: Ich respektiere dich als Mensch, aber dein berufliches Tun, für das kann ich dich schon mal während einer Umarmung hinten etwas abwatschen. Ob es funktioniert, das muss ich erst ausloten. In meinem Programm mache ich das zum Beispiel mit den Münchnern. Wenn ich heute in München spiele, dann fange ich an, mich über den hiesigen Wohlstand, über die Mieteinnahmen und so weiter zu mokieren. Und das geht so weit, dass ich sage: Ihr dekadentes Pack! Und die Zuschauer lachen schallend.
Der Unterschied ist natürlich: Von diesen Münchnern denkt dann jeder, wie gut Sie doch seinen Nachbarn getroffen haben. Aber wenn Sie einen Markus Söder direkt ansprechen, weiß er, dass nur er gemeint sein kann.
Das stimmt. Obwohl es ja neuerdings mehrere Söders gibt. Er ist ja grad in der Selbstfindung. Ich bin mir aber auch noch nicht sicher, wie weit man gehen kann und wie weit ich gehen will. Natürlich muss ich bei aller Empathie bereit sein, etwas zu sagen, was wehtut. Auf bloßes Rumschimpfen habe ich aber keinen Bock.
Gibt es für Sie Grenzen bei der Nähe zur Politik? Manche Kollegen von Ihnen kommen auch gern mal zu Parteiveranstaltungen.
Das würde ich nicht machen. Aber es gibt schon immer wieder Anfragen. Mit zunehmender Aktivität im politischen Kabarett gewinnt man in der öffentlichen Wahrnehmung einen gewissen Wert, der für manche auch reinwaschend sein kann. Das soll nicht überheblich klingen. Aber wenn ich mit dem Söder vor einem Aufsteller der Staatsregierung ein Foto machen würde, das würde der CSU in die Hände spielen. Da halte ich mich bewusst fern.
Jetzt sind ja nicht nur Sie neu beim Nockherberg, sondern auch ein Großteil Ihrer Protagonisten…
Ja, die Stunde null. Ich find das gut: Das gibt mir mehr Stoff, da kann ich einfach mal den Zirkus in seiner neuen Formation beschreiben. Der Hubert Aiwanger zum Beispiel, der ist für mich ein gefundenes Fressen. Manchmal, wenn ich versuche einzuschlafen, denke ich an den Aiwanger, dann muss ich lachen und bin wieder hellwach. In meinen Träumen kommt der immer wieder als so ein rotbackiger Kasperl vor, das ist einfach eine tolle Figur. Und beim Söder, das ist halt diese Glattheit. Der erinnert mich ein bisschen an meine ehemaligen Bankkollegen, die Führungspositionen angestrebt haben. Du hast immer gemerkt, wo der Wind herkommt, da haben die sich gedreht.
Sind Männer denn leichter zu derblecken?
Ich finde schon. Der Grad der Selbstgefälligkeit, dieser Gedanke, unantastbar zu sein, aber auch das Gefälle zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung ist bei männlichen Akteuren wesentlich größer. Das kann man natürlich wunderbar parodieren. Oder die Pseudoreflektiertheit eines Markus Söder. So was findet man bei Frauen relativ selten. Die Barbara Stamm war da noch relativ gut.
Wie sieht’s mit Oppositionsführerin Katharina Schulze aus?
Bei der merke ich: Das ist meine Generation. Vor 15 Jahren bin ich selbst in der Schülersprecherkonferenz gesessen, und wenn ich heute die Schulze höre und die Augen zumache, höre ich die Schülersprecherin neben mir, dieses quirlige Weltverbessernde: Aber wir müssen doch Hausaufgabenhilfe anbieten, und wir wollen die Welt doch besser machen.
Wie sahen Ihre Milieustudien mit Blick auf den Nockherberg aus?
Ich war zweimal im Landtag und habe eine Plenarsitzung mitverfolgt. Irgendwann haben sie alle zu mir hochgeschaut und sich gegenseitig angetippt. Dann sind plötzlich lauter CSUler gekommen und wollten Selfies, aber das ging natürlich gar nicht. Und als ich vor denen weggerannt bin, stand auf einmal wie so eine Statue der Söder vor mir, und ich wäre fast in ihn reingerannt. Wir haben uns in die Augen geschaut, das war ein bisschen wie in „Spiel mir das Lied vom Tod“, da hat nur die Mundharmonika gefehlt, und ich habe gedacht: Was mache ich jetzt? Ich kann dem nicht lächelnd die Hand schütteln, da sind lauter Fotografen. Dann habe ich nur schnell „Servus“ gesagt und hab mich aus dem Staub gemacht.
Manche Ihrer Vorgänger haben für Verärgerung gesorgt, vereinzelt sind sie sogar aus dem Verkehr gezogen worden. Zuletzt hat Landtagspräsidentin Barbara Stamm den Nockherberg boykottiert – wegen vermeintlich frauenfeindlicher Pointen von Luise Kinseher.
Das kann passieren. Dass einzelne Politiker vielleicht nicht wieder kommen, muss man einkalkulieren, vielleicht komm ich ja auch nicht wieder. Ich glaube aber, dass die Gratwanderung grundsätzlich möglich ist. Es geht ja nicht um das Abwatschen um des Abwatschens willen. Die Dinge, die an politischen Schaltstellen falsch laufen, die kann man klar benennen, auch satirisch überspitzen. Und an diesen Schaltstellen sitzen halt nun mal Personen, deshalb muss ich mir die auch vorknöpfen.
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