piwik no script img

KOMMENTAR Kundus-EinsatzFeige Anwaltschaft

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Mit der Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst Klein bleibt sich die Bundesanwaltschaft treu. Von Anfang an war sie unwillig, sich des Desasters anzunehmen.

D ie Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Oberst Georg Klein, der im September 2009 den Luftangriff auf zwei Tanklaster samt umgebender Menschen befahl, eingestellt. Die Anwaltschaft hat die Regeln des Völkerstrafgesetzbuchs angewendet und offenbar befunden, dass Oberst Klein kein Vorsatz nachgewiesen werden kann, eine unverhältnismäßig hohe Zahl Zivilisten zu töten. Das Bombardement mit bis zu 142 Toten, von denen viele Zivilisten gewesen sein müssen, wird also juristisch keine Folgen haben. Denn das Ministerium erwog bislang noch nicht einmal disziplinarrechtliche Konsequenzen.

Mit der Einstellung der Ermittlungen bleibt sich die Anwaltschaft treu. Von vornherein war der Unwillen der Bundesanwälte, sich des Desasters anzunehmen, offenbar. Zögernd nahmen sie eine Vorprüfung auf, nur unter der Hand gaben sie dann zu, dass man Ermittlungen begonnen habe. Die Vorstellung, man könne gegen einen oder mehrere Soldaten wegen eines kriegerischen Akts prozessieren, sprengte nicht nur die Fantasie der Politiker, sondern offensichtlich auch die mancher Völkerrechtler.

Bild: privat

Ulrike Winkelmann, 39, ist Redakteurin im Inlandsressort der taz

Doch warum eigentlich? Die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens hätte ja nicht bedeutet, dass Oberst Klein die gesamte Schuld für die Katastrophe alleine hätte schultern müssen. Sie hätte aber die Chance geboten, im rationalsten Rahmen, den der Staat zu bieten hat, darüber zu verhandeln, was ein "nichtinternationaler bewaffneter Konflikt" bedeutet. Dies wäre angemessener als das Geplänkel im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der vor allem die ministeriellen Kommunikationswege verhandelt. Es wäre aufschlussreicher als die semantischen Verschiebungen im Regierungs-Sprachgebrauch - weg von Einsatz, hin zu Krieg.

Es wäre eines Rechtsstaats würdig gewesen. Aber es war politisch riskant, denn es hätte den Einsatz erstmals wirklich bedroht. Und darum hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren nicht weiter verfolgt. Und das ist feige.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • HA
    Hans Albern

    Ich schäme mich

     

    für die Behandlung der Opfer und ihrer Angehörigen.

     

    Im Bundestag werden Protestler, die der Opfer gedenken, des Saales verwiesen. Der Untersuchungsausschuß kommt auch nicht voran und würde sich am liebsten selber beerdigen. Die Bundesanwälte "ermitteln" in Lichtgeschwindigkeit die Unschuld der Verantwortlichen. Und aus über 100 Zivilisten werden gewaltbereite Taliban.

     

    Jedes für sich ein Schlag ins Gesicht der Opfer und ihrer Angehörigen, was sollen die und der Rest der Welt von uns denken?

     

    Am Hindukusch wird anders gezählt als im Abendland; wird man hier erst vernünftig, wenn der 140. Sarg Deutschland erreicht hat?

     

    Vorausgesetzt, die Zahl der afghanischen Opfer bleibt auf dem jetzigen Level.

  • V
    vic

    @ Ustinov

    Deine Soldaten, nicht unsere.

  • U
    Ustinov

    Ich finde es feige und gemein von der TAZ unseren Soldaten in den Rücken zu fallen. Es ist wirklich ekelhaft.

  • K
    Kalix

    Zuerst 1x haben nicht die Militaristen verhindert, den ISAF Einsatz als Krieg zu bezeichnen; es waren die Politiker, die mit ihrer permanenten Weigerung, Krieg als Krieg zu bezeichnen, sich ein verlogenes Bundestagsmandat auf den Rücken der Soldaten erschlichen zu haben. Spricht auch der Bundestag von Krieg, so liegt die höchste Befehligungsgewalt nicht mehr bei den Abgeordneten, sondern alleine bei der Kanzlerin; dies it zu verhindern. Was den Kommentar betrifft, so wird der Verlogenheit noch die Krone aufgesetzt. Die Richter haben das Völkerrecht, nicht das Strafrecht, zugrunde gelegt. Damit gehen die Richter von einem Kriegszustand aus, nicht von einem kriegsähnlichen. Dies ist eine Aufforderung an den Bundestag, seine Terminologie dem tatsächlichen Zustand anzupassen. Deutschland befindet sich im Kriegszustand, was durch die bestehenden Gesetze nicht legitimiert ist. Die Folgen dieses Durcheinanders werden auf dem Rücken der Soldaten ausgetragen.

  • P
    P.Haller

    Die Bundesanwaltschaft ist feige ??

    Das ist ja sehr höflich und nett ausgedrückt !

    Für mich hat das schon etwas bananenrepublikmässiges !

     

    Ich kann nur hoffen, dass mich die liebe Bundesanwaltschaft auch so gnädig behandeln wird, sollte ich mal, aus welchen Gründen auch immer, so mir nicht dir nichts ein paar Menschen ins Jenseits befördern.

    Aber ich denke, dass das dann wohl eher nicht passieren wird !

  • V
    vic

    Was uns da geboten wird, ist eine derartig miese Show.

    Kleins Freibrief war von Anfang an klar. Obwohl ebenso klar ist dass er sich schuldig gemacht hat. Nun berufen sich die Militaristen auf das Völkerstrafrecht. Dasselbe Völkerstrafrecht das sie in der Diskussion um den Afghanistaneinsatz nicht gelten lassen wollen. Andernfalls befände sich die BRD ja im Krieg. Mit allen Konsequenzen.

  • N
    nordlicht

    Schade, dass Frau Winkelmann offenbar keine Ahnung hat, worüber sie schreibt. Aber ein Strafverfahren ist nicht der Ort, um die von ihr zu Recht aufgeworfenen Fragen zu klären. Und wenn die Bundesanwaltschaft keine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sieht, darf sie nicht anklagen. Abgesehen von der enormen Belastung für den Angeklagten, der hier zur Klärung einer rechtspolitischen Frage diesem Verfahren ausgesetzt würde.

  • W
    wott

    Feigheit würde ich das nicht nennen wollen, Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt sind ja schließlich Straftaten. Die zuständigen Mitarbeiter der Generalbundesanwaltschaft gehören ebenfalls vor Gericht gestellt und aus ihrem Amt entlassen.

  • L
    lawss

    Das ist die beste Meldung seit Wochen. Endlich ist klar geworden, dass Oberst Klein richtig gehandelt hat, indem er Terroristen bekämpfen ließ, bevor diese weitere Terrorakte gegen die eigene Bevölkerung und deutsche Soldaten verüben konnten. Die deutsche Armee und Deutschland braucht mehr verantwortungsvolle Persönlichkeiten wie Oberst Klein. Er sollte nun für seine Verdienste geehrt und befördert werden.

  • J
    joHnny

    "...klein!..."

  • EN
    Ein Nachdenker

    Die Kommentatorin gibt ganz offen zu, warum sie sich eine Anklage gewünscht hätte: es wäre das bessere politische Signal gewesen; es hätte der Anti-Einsatz Fraktion besser in den Kram gepasst.

    Das ist es eben beruhigend, dass Entscheidungen nach Anklage oder nicht sich im Rechtstaat nicht nach den politischen Tagesgegebenheiten richten, sondern nach - eben - dem Recht. In dieser Hinsicht ist die Entscheidung nicht feige, sondern rechtstaatlich richtig.

  • WS
    Walther Schmidt

    Ein Strafverfahren hat nicht den Sinn Raum für einen politischen Diskurs zu schaffen. Die Staatsanwaltschaft entscheidet mit der Anklageerhebung vielmehr ob die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung besteht. Diskutieren kann man in einer Zeitung oder in einem Bürgercafe, auf einer Demo, im Parlament oder im Untersuchungsausschuss, nicht aber im Strafgerichtssaal mit einem Angeklagten. Das hat auch etwas mit dem Respekt vor dem Indiviuum zu tun.

  • J
    joergi61

    Frau Winkelmann,

     

    Sie bezeichnen es als "feige", kein Gerichtsverfahren einzuleiten. Welches Rechtsstaatsempfinden haben Sie? Sollten Staatsanwälte wider besseren Wissens Anklage erheben, wo es nichts anzuklagen gibt?

  • N
    Niko

    Man sollte vielleicht mal darauf hinweisen, dass Oberst Klein auch nicht gegen das deutsche

    Strafrecht verstoßen hat !!!

     

    Stellungsnahme der Bundesanwaltschaft:

     

    ... weil im Ergebnis weder die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) noch die Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllt sind.

     

    ...Der Abwurf von Bomben auf Ziele, in deren unmittelbarer Nähe sich Menschen aufhalten, ist auch nach den Vorschriften des deutschen Strafgesetzbuchs bei Geltung des Konfliktsvölkerrechts immer dann gerechtfertigt und damit straflos, wenn der militärische Angriff völkerrechtlich zulässig ist.

    (Anmerkung: wie oben festgestellt)...

     

    ...In dem aufwendigen Prüf- und Ermittlungsverfahren...

     

    ...Nach Ausschöpfung der ihnen in der konkreten militärischen Lage zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten hatten die Beschuldigten keine Hinweise auf die Anwesenheit von Zivilisten. Vielmehr konnten sie nach gewissenhafter und immer wieder aktualisierter Prüfung aller ihnen zum Geschehensablauf bekannten Fakten und Umstände annehmen, dass ausschließlich Aufständische vor Ort waren....

     

    ... Soweit die getöteten Menschen zu den Aufständischen gehörten, durfte ihnen als Kämpfer der nichtstaatlichen Konfliktpartei der Angriff gelten. Eine Bekämpfung der vor Ort befindlichen Taliban-Gruppen war am Boden ohne Risiko für die eigenen Truppen nicht möglich. Die Inkaufnahme einer solchen Gefährdung ist dem Befehlshaber nach dem Konfliktsvölkerrecht nicht abzuverlangen....

     

    ...Nach Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen war in der konkreten zeitkritischen militärischen Situation vielmehr eine weitere Aufklärung nicht möglich, so dass er nach den ihm vorliegenden Informationen nicht mit der Anwesenheit geschützter Zivilisten rechnen musste.

    ...

     

    ...Oberst Klein hat sich trotz des besonderen Drucks der Entscheidungssituation für einen örtlich eng begrenzten Einsatz mit der kleinsten zur Verfügung stehenden Bombengröße und -anzahl entschieden....

     

    ...Der Beschuldigte Klein durfte davon ausgehen, dass keine Zivilisten vor Ort waren. Deshalb war er nicht verpflichtet, Warnhinweise vor dem militärischen Angriff zu geben....

     

    ...Verstöße gegen innerdienstliche Vorgaben, insbesondere gegen einzelne Einsatzregeln (Rules of Engagement) sind nicht geeignet, völkerrechtlich zulässige Handlungen einzuschränken, weil solche Einsatzregeln rein intern gelten und ihnen keine völkerrechtlich verbindliche Rechtswirkung nach außen zukommt...

     

    Lesen bildet!!!