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KI-Filme zur Öffnung der KinosDie Grenze von Mensch und Maschine

Mit der Wiederöffnung der Kinos gibt es wieder mehr Begegnungen mit echten Menschen. Einige der anlaufenden Filme stellen diese Echtheit infrage.

Darf das Roboter sein? Elli (Lena Watson) als Androide in „The Trouble With Being Born“ Foto: eksystent

Streamen ist praktisch, kann aber vereinsamen. Zoom-Konferenzen sind auch praktisch, haben jedoch den Nachteil, dass die Simulation des Gegenübers nie völlig zur Deckung kommt mit der Person, die ganz real die Daten für die Projektion am eigenen Bildschirm liefert. Es braucht bloß kurz das Bild einzufrieren, um die Differenz zu veranschaulichen. Andererseits scheint es, dass nach einem guten Jahr dieses der Not geschuldeten Umgangs auf Abstand der eine oder die andere jetzt fremdelt mit Begegnungen da draußen in Räumen, die lange außen vor blieben: Kinos etwa. Man hat sich etwas entwöhnt.

Dass unter den vielen wichtigen Kinostarts, die sich in dieser Woche drängeln, gleich mehrere Filme anlaufen, in denen die Grenze von Mensch und Maschine, dem „Echten“ und der Simulation ins Visier genommen wird, passt fast schon zu gut. Wobei solche Fragen längst keine Angelegenheit der Science-Fiction mehr sind, sie bestimmen zunehmend den Alltag. Seien es die Sprachassistenten, um einem das Tippen auf dem Smartphone abzunehmen, Robo-Advisor, die man in Fragen der Vermögensverwaltung konsultieren kann, oder die verschiedenen Pflegeroboter, wie sie in japanischen Altersheimen zum Einsatz kommen: Die Roboter sind da. Und sie werden mehr.

Völlig konsequent stellt Maria Schraders vor Kurzem im Wettbewerb der Berlinale gezeigte Komödie „Ich bin dein Mensch“ die bisher noch hypothetische Frage, wie geeignet Roboter als Partner sind. Und geht damit einen guten Schritt weiter als bei den genannten bisher eher funktional verwendeten Maschinen.

In Schraders Film soll eine Wissenschaftlerin am Pergamonmuseum, von Haus aus mit Altertumsforschung beschäftigt, den Prototyp eines solchen elektrischen Freunds testen. Nicht aus Neigung willigt Alma (Maren Eggert) in das Experiment ein, sondern weil im Gegenzug zusätzliche Forschungsmittel für ihre Projekte winken, ein wissenschaftsbetriebsinternes Tauschgeschäft.

Die Filme

„Ich bin dein Mensch“. Regie: Maria Schrader. Mit Maren Eggert, Dan Stevens u. a. Deutschland 2021, 104 Min.

„The Trouble With Being Born“. Regie: Sandra Wollner. Mit Lena Watson, Dominik Warta u. a. Deutschland/Österreich 2020, 94 Min.

„Possessor“. Regie: Brandon Cronenberg. Mit Andrea Riseborough, Christopher Abbott u. a. USA/Großbritannien/Kanada 2020, 104 Min.

Die ersten Tage mit „Tom“ (Dan Stevens), der eigens dazu programmiert wurde, Alma glücklich zu machen, laufen entsprechend rumpelig an, Alma möchte die Sache hinter sich bringen und erledigt wissen, wie sie Tom barsch wissen lässt. Dessen anfängliche Versuche, nach statistischer Wahrscheinlichkeit auf Verführungserfolg zu setzen und zum Beispiel Almas Badewanne mit Kerzen zu dekorieren, schlagen ausnahmslos fehl.

Das „Programm“ Liebe

Tom erweist sich allerdings als lernfähig, passt sich einerseits an Almas Art und Erwartungen an, andererseits entzieht er sich auch schon mal oder antizipiert gar Almas Verhalten.

Die Entwicklungsstufen, die Alma derweil durchläuft, ähneln denen, mit denen Konsumenten häufig auf neu eingeführte Technologien reagieren: Auf anfängliche Ablehnung folgt skeptische Neugier und schließlich Akzeptanz, spätere Abhängigkeit nicht ausgeschlossen. Was bedeuten könnte, dass es bei Alma in ihrer Zuneigung zu Tom womöglich auch bestimmte „Programme“ gibt, die sie steuern und die den Algorithmen Toms nicht völlig unähnlich sind.

Und was, wenn eine Maschine, die selbst gar nichts will, sich am Ende als kooperationsfähiger und friedfertiger erwiese als Menschen aus Fleisch und Blut?

Ein ungesundes Paar

Weniger optimistisch ist der Blick, den die österreichische Regisseurin Sandra Wollner in ihrem zweiten Spielfilm, „The Trouble With Being Born“, auf die Beziehung von Mensch und Maschine wirft. Als Kammerspiel legt sie die Geschichte von Elli (Lena Watson) und Georg (Dominik Warta) an. Die beiden wohnen zusammen in einem großzügigen Haus, es ist Sommer, Elli verbringt viel Zeit am und im Pool, Georg sitzt in der Nähe, arbeitet an seinem Tablet. Elli nennt Georg Papa, ihr Umgang ist der eines Paars.

Fragen nach der Grenze zwischen Mensch und Maschine sind längst keine Angelegenheit der Science-Fiction mehr

Elli ist ein Roboter, zu erkennen an der dezent wächsernen Maske. Das Gruselige daran: Sie ist Georgs seit Jahren vermisster Tochter Elli nachempfunden. Wollner führt das nicht groß aus, packt es in eine Nachrichtenmeldung, die am Rande mal läuft. Überhaupt wirkt ihr Film im Vergleich zu Schraders schnörkellos erzählter Komödie fragmentarischer, assoziativer.

Auch eine Art Homeoffice-Modus: Tasya (Andrea Riseborough) bei der Arbeit in „Possessor“ Foto: Kinostar

Wollner lässt Elli oft mantraartig wiederholte Sätze aus dem Off sprechen, Erinnerungen, bei denen nie ganz klar ist, ob es Erinnerungen der Roboter-Elli oder von Georgs Tochter Elli sind. Die Sache wird weiter kompliziert, als Elli von Georg aus eines Nachts aufbricht, um der echten Elli nachzuspüren.

Wollner interessiert dabei vor allem die Frage nach Identität und wie diese durch das Gedächtnis zusammengehalten wird. Nicht zuletzt fragt sie ebenso, ohne das Thema direkt auszubuchstabieren, ob sich vertreten ließe, Roboter als Partner so zu konstruieren, dass sie auch pädophile Neigungen befriedigen.

Ausbeutung von Menschenkörpern

Und was, wenn Menschen andere Menschen wie Maschinen einsetzen, sie als „lebende Drohnen“ missbrauchen? Brandon Cronenberg, der Sohn von Regisseur David Cronenberg, geht dieser Idee in seinem zweiten Spielfilm, „Possessor“, nach.

Andrea Riseborough spielt darin die Auftragsmörderin Tasya, die durch Hirnimplantate die Körper anderer Personen „übernimmt“, um ihre Arbeit so aus der Distanz und ohne eigenes Risiko zu erledigen. Ausbeutung und skrupellose Effizienz herrschen in diesem blutigen Science-Fiction-Body-Horror.

Was Riseborough in einer der stärksten Szenen, in der sie sich auf ein Wiedersehen mit ihrer Familie vorbereitet, nebenbei zeigt: Wenn man zu viel in den Körpern anderer unterwegs ist, sind auch die eigenen Affekte mitunter nicht mehr authentisch, sondern wollen bis zur Mimik einstudiert sein.

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