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Justizskandal in den USA17 Jahre Knast für nichts

Susan Mellen wurde als Mörderin verurteilt – basierend ausschließlich auf einer Falschaussage. Nun wurde sie für unschuldig erklärt und ist frei.

Susan Mellen neben ihrer Anwältin vergangene Woche im Gerichtssaal. Bild: ap

Auf diesen Moment hatte sie 17 Jahre lang gewartet. Susan Marie Mellen war 42, als sie am 25. August 1997 mit ihrer damals neunjährigen Tochter Jessica bei einem McDonald’s vorfuhr. Aber statt einem Happy Meal wurden der Mutter Handschellen angelegt. Ihrer Tochter sagte sie, sie solle sich keine Sorgen machen, zum Abendessen sei sie sicher wieder da.

Was folgte, ist einer der offensichtlichsten Justizskandale der USA. Basierend ausschließlich auf der Falschaussage einer polizeibekannten Lügnerin wird Susan Mellen verurteilt, ihren ehemaligen kurzzeitigen Freund Rick Daly umgebracht und verbrannt zu haben. Unmittelbar nach der Tat waren zwar etliche Hinweise bei der Polizei eingegangen, die auf drei bekannte Gangmitglieder als Täter hinwiesen. Aber da war diese Frau, June Patti, die bei der Polizei aussagte, Mellen habe ihr gegenüber die Tat zugegeben. Mellen bestritt die Tat, bat um einen Lügendetektortest. Vergeblich.

Dass weder der angebliche Tatzeitpunkt, noch der Hergang, noch die angebliche Todesursache aus der Aussage von Patti mit der Realität in Einklang zu bringen waren, ja, dass Pattis engste Verwandte von ihr als notorischer Lügnerin sprachen, die immer wieder durch absichtliche Falschaussagen Menschen in Schwierigkeiten brachte – all das spielte vor Gericht keine Rolle. Ein scharfer Staatsanwalt, eine unzureichende polizeiliche Ermittlungsarbeit und ein unfähiger Verteidiger besiegelten Mellens Schicksal: Die Geschworenen verurteilten sie zu lebenslanger Haft ohne Chance auf Begnadigung.

Erst Ermittlungen des Projektes „Innocence matters“ führten endlich zur Neuauflage des Prozesses, endlich wurde die Glaubwürdigkeit der Zeugin angezweifelt, endlich wurde gehört, dass die von Beginn an verdächtigten Gangmitglieder den Mord längst zugegeben hatten.

Am Freitag kam Mellen frei. Im Gerichtssaal in Los Angeles brauste Applaus auf, als Richter Mark Arnold sie für unschuldig und frei erklärte. Draußen warteten ihre drei Kinder und ihre Enkelkinder. Mit Jessica, sagte Mellen, wolle sie noch am Wochenende das versprochene Happy Meal bei McDonald’s nachholen.

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14 Kommentare

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  • Die Amis zahlen nach 5 Jahren keine Sozialhilfe mehr. dann darf man wählen: Leben und betteln auf der Strasse oder Knast ^^

    • @Proledemiker:

      Naja, die Mehrzahl der unschuldig Verurteilten in den USA bekam leider vorher auch nix. Im Vergleich zu Deutschland gibt es in den USA aber wenigstens üppige Entschädigungen.

  • das wirkliche Übel besteht eben darin, dass man eben einen guten RA hat oder eben nicht, zudem, wenn man liest, was Prozesse dem Beschuldigten kosten, welche immense Kosten auflaufen, die sich ein Normalsterblicher gar nicht leisten kann, anderseits den Angeklagten in den persönlichen Ruin treibt, kann man von Gerechtigkeit garnicht reden !

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Liebe Foristen! Regt Euch nicht auf. Die USA sind das Land der unbegrenzten Freiheit, der Menschenrechte und der Demokratie. War es nicht Däubler-Gmelin, die ausdrücklich deren Justizsystem gelobt hat? Dann muß es doch stimmen...

    • @1714 (Profil gelöscht):

      "War es nicht Däubler-Gmelin, die ausdrücklich deren Justizsystem gelobt hat? " -

      Das ist richtig fies ! Von Däubler-Gmelin stammt der Satz : "Die USA haben ein verrottetes Rechtssystem ." , ausgeprochen nach einer USA-Reise .

  • naj, die USA, ich schau mir gern die Serie Law&Order an, die doch, wenns auch nur erfundene Gecshichten sind, doch anschaulich das Rechtssystem der USA widergibt, also die mildeste Strafe von Herrn Mc sind 8-25 Jahre, da wird mit lebenslänglcih umgeschmissen, wie beim Faschingsumzug mit Bonbons, auch diese Durchsuchungen sind irre, die liegt eine Leiche im Schrank, die aber nicht zu Geltung kommt, weil in dem Durchsuchungbefehl kein Schrank erwähnt wird, auch diese Aussagen von Zellengenossen scheint ja weltweit ein Übel zu sein, also, immer schön sauber bleiben !

  • "das versprochene Happy Meal bei McDonald’s nachholen"

  • "... dass in Deutschland jedes Jahr(!) rund 1500(!) Menschen aus Gefängnissen entlassen werden, weil ich im Nachhinein die Unschuld erwiesen hat."

    JOHN DOE (Amerikaner) , Ihre Lüge ist so dreist , dass sich die Balken biegen . So viele Fehlurteile (mit Gefängnisstrafen) gibt es nicht mal bei dem verrotteten Justizsystem Ihres God's own country .

    • @APOKALYPTIKER:

      Das mit den 1.500 Personen könnte hinkommen. Die Statistik dazu wurde 2009 eingestellt, in Bayern waren aber 2008 allein schon 130 Personen betroffen, die gemeinsam 39 Jahre zu Unrecht im Gefängnis saßen. Wenn dann auch noch U-Haft (z.B. wie bei Kachelmann) dazuzählt, ist es wohl noch erheblich höher.

       

      Erschreckender ist allerdings der Umgang mit den Justizirrtümern. In den USA liegen die Entschädigungen selten unter 2-3 Mio. Dollar, während es in Deutschland 25 Euro/ Tag gibt.

      Hier funktioniert das US-Justizsystem wesentlich besser. God bless America!

    • @APOKALYPTIKER:

      Das mit den 1500 pro Jahr würde ich jetzt auch mal belegt wissen.

       

      Aber was bringt Sie so in Rage, John Doe als Lügner zu bezichtigen? Der englische Nickname etwa? Da schwingt aber recht ordentlicher Amerikahass und Reichsbürgerwut mit, deshalb gleich zu meinen, John Doe sei US-Bürger.

       

      Sie wissen schon, was »John Doe« bedeutet, gell?

  • Das ganze Strafsystem in den USA ist total überzogen was die Strafen angeht und die Unterbringung der Gefangenen.

     

    Anhand von Statistiken kann man sehen dass es sowieso nichts bringt, dort gibt es ja deshalb nicht weniger Kriminelle.

     

    Aber wenigstens sperren die USA niemanden 12 Jahre wegen einer anderen Meinung ein wie bei uns.

  • Bis dato habe ich keinen vertrauenswürdigen Staat (Machtmonopolisten) kennen gelernt. Unter den vielen also misstrauten, gebührt den USA aber eine Besonders-Beschissen-Stellung. Was den Umgang mit Menschenleben („Untertanen“) betrifft. Innen, wie aussen (s. den Jeremy-Scahill-Film „Dirty Wars“). Einzig ein wenig überraschend an diesem Verbrechen eines staatlichen Lebensdritteldiebstahls ist (mir) der Umstand, dass es mal jemanden mit kaukasichen Merkmalen erwischte.

  • Da fehlen einem wirklich die Worte. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas überhaupt in dieser Form möglich ist.

     

    Klar - Fehlurteile und Indizienprozesse und was weiß ich nicht alles - all das gab's schon. Aber ausschließlich die Aussage einer einzigen "Zeugin" zu werten, ohne weitere Anhaltspunkte. Das macht mich echt baff.

     

    Dagegen sehen Mollath und Co. richtiggehend blass aus - also rechtsirsinnig gesehen...

    • @Beatbox Racker:

      Doch, natürlich ist sowas möglich. Der Verein "Innocent matters" hat schon mehrere total hanebüchene Fälle aufgeklärt.

       

      Aber man muss gar nicht in die USA schauen, um total groteske Fehlurteile zu sehen:

       

      - Der Fall Gustl Mollath, der acht Jahre in einer geschlossenen Psychatrie eingesperrt war, hat sich zu einem handfesten bayrischen Justizskandal entwickelt.

      - Donald Stellweg hat acht Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen, weil ein Gutachter sein Ohr(!) auf dem grobkörnigen Bild einer Überwachungskamera wiedererkannt haben will.

      - Harry Wörz hat fünf Jahre unschuldig wegen des versuchten Totschlages an seiner Ex-Frau gesessen. Leitender Ermittler bei der Polizei war sein verhasster Ex-Schwiegervater.

      - Horst Arnold hat fünf Jahre unschuldig gesessen, nachdem eine als notorische Lügnerin bekannte Kollegin ihn der Vergewaltigung beschuldigt hatte. Besonders zynisch: obwohl seine Unschuld im Nachhinein glasklar festgestellt wurde, verweigerte das Land Hessen ihm eine Rückkehr in seinen Beruf als Lehrer.

       

      Eine mit Sicherheit nur unvollständige Liste mit Fehlurteilen findet sich in der Wikipedia:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Justizirrtum#Bekannte_Justizirrt.C3.BCmer

       

      In einer Diskussionsrunde im Fernsehen - ich weiss leider nicht mehr welche - wurde von einem Experten gesagt, dass in Deutschland jedes Jahr rund 1500 Menschen aus Gefängnissen entlassen werden, weil ich im Nachhinein die Unschuld erwiesen hat.