Justiz im Iran: Schauprozess gegen Regimekritiker

Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd steht im Iran wegen „Korruption auf Erden“ vor Gericht. Ihm droht die Todesstrafe.

Jamshid Sharmahd vor Gericht in Teheran

Jamshid Sharmahd am 6. Februar 2022 in einem Gericht in Teheran Foto: Koosha Mahshid Falahi/ap

BEIRUT taz | Jamshid Sharmahd, so sagt seine Tochter, sei „ein herzlicher Mensch“ und „sehr gerechtigkeitsliebend“. Jedem, den er gekannt habe, habe er geholfen. Das letzte Mal gesehen hat Gazelle Sharmahd ihren Vater im März 2020. Der sitzt als politischer Gefangener in einem iranischen Gefängnis – welches, wird der Familie nicht gesagt. „Er hat all seine Zeit und Kraft geopfert, um auf die immensen Menschenrechtsunterdrückungen aufmerksam zu machen.“ Nun sei er „ein Folteropfer der Islamischen Republik“.

Jamshid Sharmahd wurde in Teheran geboren und zog mit 7 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Er wuchs in Niedersachsen auf und ist seit 1995 deutscher Staatsbürger. Sharmahd stand schon mit 14 Jahren auf eigenen Beinen, erzählt seine Tochter. 1997 gründete er ein Softwareunternehmen, das hauptsächlich in der Elektronik- und Automobilindustrie tätig ist. 2003 zog er mit seiner Familie in die USA, nach Los Angeles.

Dort trifft Sharmahd auf die Dissidentengruppe „Kingdom Assembly of Iran“, deren militärischer Arm den Namen „Tondar“ (Donner) trägt. Auf ihrer Website, die nur noch über das Internetarchiv verfügbar ist, beschreibt sie sich als Gruppe von „Patrioten, die gegen das islamische Regime im Iran gekämpft haben“. Sie möchte die „Islamische Republik“ stürzen und die iranische Monarchie aus den Jahren vor 1979 wiederherzustellen. Man trete ein für eine säkulare Regierung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Achtung der Rechte verschiedener Ethnien und Religionen sowie Meinungsfreiheit in der iranischen Gesellschaft, sagt die Gruppe über sich selbst. Das iranische Regime unterstellt ihr Terroranschläge, sie steht jedoch nicht auf der Liste von Terrororganisationen in den USA.

Jamshid Sharmahd identifizierte sich mit den Zielen der politischen Gruppe und begann 2004 als Admin ihrer Webseite zu arbeiten. Später lieferte er Material für den oppositionellen Radio- und Fernsehsender von „Tondar“. Als die Webseite 2007 durch Cyperattacken angegriffen und sein Name veröffentlicht wurde, machte Sharmahd unter Klarnamen als Sprecher der Gruppe weiter. Daraufhin erklärte der Iran ihn zum Staatsfeind. Im Juli 2009 ging ein Geheimagent des „Islamischen Staates“ in Los Angeles zur Polizei – er gestand, dass er vom Regime angeheuert wurde, um Sharmahd zu töten.

Sharmand wurde aus Dubai in den Iran entführt

Mit der Corona-Pandemie gingen Sharmands Softwarefirma die Aufträge aus. Trotz der drohenden Gefahr aus dem Iran reiste er nach Dubai, um von dort weiter nach Indien zu fliegen – in der Hoffnung, dort einen Auftrag zu generieren. Am 29. Juli checkte er aus dem Hotel in Dubai aus. Der iranische Geheimdienst nutzte die Chance und entführte ihn, wohl über den Oman. Am 30. Juli zeigten Ortungsdaten, dass sich sein Mobiltelefon in der omanischen Hafenstadt Sohar befand, dort hörte das Signal auf. Drei Tage später gab der Iran bekannt, Sharmahd in einer „komplexen Operation“ gefangen genommen zu haben. Das Staatsfernsehen strahlte ein Bekenner­video von ihm aus – Aufnahmen, die vielen anderen mutmaßlich erzwungenen Geständnissen ähneln.

Die iranische Regierung beschuldigt Sharmahd eines Bombenanschlags auf eine Moschee in Shiraz im Jahr 2008. Dieser Anschlag wurde von iranischen Behörden zunächst als „Unfall“ deklariert, verursacht durch aus dem Iran-Irak-Krieg übrig gebliebene Munition. Später gaben die iranischen Behörden bekannt, dass der Angriff ein Terrorakt gewesen sei. Sie machten die monarchistische Oppositionsgruppe „Tondar“ verantwortlich, bestraften zwei junge Männer dafür mit dem Tod.

Seine Familie sagt, Sharmahd sei nur Sprecher der Gruppe gewesen und habe nichts mit irgendwelchen Angriffen im Iran zu tun. „Mein Vater ist ein politischer Dissident mit einer kritischen Meinung, und die islamische Regierung versucht, ihn ruhigzustellen“, so seine Tochter. Er befinde sich in Einzelhaft und habe keinen Zugang zu einem unabhängigen Anwalt. Sein Wahlverteidiger Mohammad Hossein Aghasi hat bereits fünf Mal angefragt, ihn zu vertreten. Trotzdem wird nur ein Pflichtverteidiger gewährt. Das verstoße gegen das Gesetz, sagte Aghasi der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Er erfahre nicht, wann die Verhandlungstermine seien, ebenso wie andere Beobachter.

In einem politischen Schauprozess wurde Sharmahd Anfang Februar der „Korruption auf Erden“ angeklagt. Die Familie geht davon aus, dass am Sonntag ein Urteil gefällt wird. Es droht die Todesstrafe. Am 23. März wird Jamshid Sharmahd 67 Jahre alt – wenn er dann noch lebt.

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