Junger Mann im Arrest gestorben: Hamburger Polizist unter Verdacht
In Hamburg-Billstedt ist ein junger Mann im Polizeigewahrsam gestorben. Eine Anfrage der Linken ergab, dass gegen einen Polizisten ermittelt wird.
Die Hamburger Polizei hatte vor vier Wochen von einem Einsatz im Stadtteil Billstedt berichtet. In der Straße Kleine Holl hätten die Beamten einen 36-Jährigen in einem „psychischen Ausnahmezustand“ angetroffen, der in seiner Wohnung randaliert habe. Der Mann habe die Polizisten mit einer Metallstange bedroht.
Dazu aufgefordert, warf er die Stange nach Darstellung der Polizei schließlich vom Balkon und kündigte an, vom sechsten Stock springen zu wollen. Den Beamten gelang es, den Mann zu überwältigen. „Hierbei leistete der Mann erheblichen Widerstand“, heißt es in der Pressemitteilung der Polizei.
Laut der Antwort auf die Anfrage der Linken bestellten die Polizisten einen Rettungswagen zur Polizeiwache 42 in Billstedt, schon bevor sie den Mann dorthin brachten. Durch eine offene Zellentür hätten die Beamten Sichtkontakt zu dem in Gewahrsam Genommenen gehalten. Als sie eine flacher werdende Atmung feststellen, brachten sie ihn in den Flur, wo sich die eintreffende Notärztin um ihn kümmerte, bevor er ins Krankenhaus gebracht wurde. Dort starb er wenig später.
Todesursache ist unklar
Nach dem Eindruck der Polizisten hatte der Mann Drogen genommen. Warum er das Bewusstsein verlor, habe bisher nicht festgestellt werden können. Bei einer Sektion habe die Todesursache nicht festgestellt werden können. Weitere rechtsmedizinische Untersuchungen seien in Auftrag gegeben worden.
Wie die Polizei auf Nachfrage der Linken mitteilte, hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen einen Polizisten eingeleitet. Er soll den Mann geschlagen haben, „ohne dass Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind“. Derzeit deute aber nichts konkret darauf hin, dass der Schlag zum Tod des Mannes führte.
„Dass ein Mensch in Hamburg nach einem Polizeieinsatz im Gewahrsam stirbt, ist schon für sich tragisch und alarmierend genug“, findet der Linken-Abgeordnete Celik. Dass nun wegen eines grundlosen Faustschlages ermittelt werde, sei erschütternd. „Allein der Verdacht, dass rechtswidrige Gewalt eines Polizisten im Zusammenhang mit dem Tod des Mannes stehen könnte, ist unerträglich“, sagt Celik.
In Hamburg war zuletzt vor gut einem Jahr ein 32-jähriger Mann im Polizeikommissariat 11 in St. Georg gestorben. Der Algerier war aufgegriffen worden, weil er sich nicht an ein Aufenthaltsverbot gehalten hatte. Er wurde in einer Sammelzelle mit vier weiteren Männern untergebracht und am nächsten Morgen leblos aufgefunden. Eine Obduktion habe keine Hinweise auf ein Fremdverschulden erbracht. Die Todesursache müsse aber noch festgestellt werden.
Deniz Celik, Linke
Im Februar 2023 starb eine Frau, nachdem die Polizei sie im Stadtteil Allermöhe in Gewahrsam genommen hatte. Nach Angaben der Polizei befand sie sich in einem psychischen Ausnahmezustand und wurde mitgenommen, weil sie sich selbst zu gefährden drohte. Im Gewahrsam sei sie gestürzt, habe sich gegen Leute gewehrt, die ihr helfen wollten, und nicht auf Zureden reagiert. „Noch am Boden liegend verlor die Frau plötzlich das Bewusstsein und zeigte keine Vitalzeichen mehr“, heißt es einer Pressemitteilung der Polizei. Die Frau starb einige Tage später in einem Krankenhaus. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die vier Polizisten Körperverletzung mit Todesfolge vorwarf, wurden eingestellt.
Wie eine Recherche der inzwischen eingestellten Kampagne Death in Custody ergab, sind zwischen 1990 und 2020 in Deutschland 181 Menschen im Gewahrsam der Polizei gestorben.
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