Juncker ist EU-Kommissionschef: Glatt durch
Vollendet: Das EU-Parlament wählt Luxemburgs Ex-Premier zum Präsidenten der Kommission. In der neuen Rolle klingt der fast ein wenig gelangweilt.
BRÜSSEL taz | Er redete „in der Sprache der Weltmeister“ (deutsch), überstand ein paar Brüllattacken von EU-Gegnern und ließ sich dann parteiübergreifend feiern: Jean-Claude Juncker, Ex-Premier Luxemburgs, wurde am Dienstag vom Europaparlament in Straßburg zum neuen EU-Kommissionspräsidenten gewählt.
Für den Sieger der Europawahl stimmte eine Koalition aus gemäßigten Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und auch einigen Grünen. Insgesamt erhielt Juncker 422 Stimmen, 250 stimmten gegen ihn.
„Ich hatte keine Angst – das ist keine Frage von Leben und Tod“, sagte Juncker nach der Wahl. Sein neuer Job als Kommissionschef sei „nicht vergnügungsteuerpflichtig“, fügte er hinzu. Fast klang es ein wenig gelangweilt – jedenfalls längst nicht so euphorisch, wie viele Europaabgeordnete „ihren“ neuen Kommissionschef feierten.
Dies sei ein „historischer Tag“, jubelte der Chef der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU). Die Europawahl habe die EU demokratischer gemacht, denn zum ersten Mal wurde der Wahlsieger – eben Juncker – nominiert. Auch Wahlverlierer Martin Schulz (SPD) freute sich: Dass sich das Parlament mit einem Spitzenkandidaten durchsetzen konnte, sei „eine fundamentale Richtungsänderung“ in den Machtstrukturen der EU. Bisher hatte nicht das Parlament, sondern der Rat – die Vertretung der 28 EU-Staaten – das letzte Wort.
„Mann von gestern“
Bis zuletzt hatte der britische Premier David Cameron Front gegen den „Mann von gestern“ gemacht, auch Kanzlerin Angela Merkel hatte gezögert. Erst beim letzten EU-Gipfel vor zehn Tagen machten die „Chefs“ den Weg für Juncker frei.
Wo der Hammer wirklich hängt in der EU, könnte sich am Dienstagabend zeigen. Dann treffen sich Merkel und Co zu einem EU-Gipfel in Brüssel, um über weitere Chefposten wie den Ratsvorsitzenden oder den Außenvertreter zu diskutieren. Dabei dürften sie erneut versuchen, Juncker an die kurze Leine zu nehmen und ihm ein paar unbequeme Gegenspieler an die Seite zu stellen.
Juncker verschwindet jetzt erst einmal wieder von der Bildfläche. Seine Arbeit als Kommissionschef wird er erst im November aufnehmen. Zuvor muss er noch die nächste EU-Kommission zusammenstellen. Die 27 neuen Kommissare werden von den EU-Mitgliedstaaten nominiert, Juncker ordnet ihnen dann Aufgabengebiete zu. Danach stimmt das Europaparlament erneut ab. Dabei können auch noch einzelne Bewerber durchfallen.
Deutschland hat angekündigt, den CDU-Politiker Günther Oettinger, der für Energiepolitik zuständig war, für eine zweite Amtszeit zu recyceln. Großbritannien nominierte am Dienstag den konservativen EU-Skeptiker Jonathan Hill, der bisher Präsident des Oberhauses war. Sowohl Berlin als auch London möchten Schlüsselposten in der neuen Kommission besetzen.
„Nicht der Sekretär des Rates“
Die letzte Entscheidung liegt bei Juncker – und der ließ in einer Grundsatzrede erkennen, dass er kein bequemer Kommissionspräsident sein wird. Die neue Kommission werde sehr politisch sein, kündigte er an. „Der Kommissionspräsident wird nicht der Sekretär des Rates sein“, fügte er hinzu.
Für die Bundesregierung könnte dies unangenehm werden. So forderte Juncker, die umstrittene Troika für die Eurokrisenländer endlich demokratisch zu legitimieren – dabei behauptet Berlin, das sei gar nicht nötig. Die Sparprogramme müssten zudem mit einer sozialen Folgenabschätzung und einem „Plan B“ versehen werden, so Juncker. Auch das lehnt die Bundesregierung bisher ab.
Für Streit dürfte Junckers Ankündigung sorgen, ein Wachstumsprogramm aufzulegen. Das „anspruchsvolle Investitionspaket“ aus öffentlichen und privaten Mitteln solle mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und soziale Gerechtigkeit ermöglichen, sagte der Luxemburger. Es gehe um die „Re-Industrialisierung Europas“. Bisher hatten vor allem Frankreich und Italien derartige Programme gefordert, waren jedoch am Widerstand Berlins gescheitert. Als Kommissionschef kann Juncker die Karten neu mischen, denn die Brüsseler Behörde hat ein Initiativrecht. Um seine Pläne umzusetzen, braucht Juncker jedoch auch weiter die Zustimmung aus Berlin.
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