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Jürgen Trittin über Parteitagsbeschluss„Fachlich nicht völlig abwegig“

Jürgen Trittin hat lange gegen die Atomkraft gekämpft, jetzt hat er der Ersatzreserve zugestimmt. Danach sei Schluss, das müsse die FDP einsehen.

Jürgen Trittin: „Diese Lösung produziert keinen neuen Atommüll“ Foto: Kay Nietfeld/dpa
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

Herr Trittin, der Parteitag hat einen möglichen Streckbetrieb für zwei AKWs beschlossen – als langjähriger Kämpfer für den Atomausstieg: Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Jürgen Trittin: Rein fachlich ist der Beitrag, den die zwei AKWs zur Regelung der Stromstabilität im Süden leisten können, ein außerordentlich bescheidener. Ich sehe darin eher einen symbolisches Signal, das sagt: Wir versichern euch, im Zweifelsfall greifen wir selbst auf diese Kapazität zu, damit es ein stabiles Netz gibt. Nach dem Motto: Wir haben heute schon Gürtel und Hosenträger an. Verglichen mit unseren Nachbarstaaten ist unsere Versorgungssicherheit exzellent. Und jetzt hängen wir uns zur Sicherheit noch ein zweites Paar Hosenträger in den Schrank.

Und: Sind Sie damit zufrieden?

Es musste ja eine Lösung geben. Diese Lösung produziert keinen neuen Atommüll und sie ist fachlich nicht völlig abwegig.

Die Un­ter­stüt­ze­r*in­nen des Gegenantrags haben die Sorge vorgetragen, dass mit der Entscheidung der Atomausstieg im Ganzen aufgeweicht wird. Teilen Sie diese Sorge?

Einerseits weicht er ihn auf, weil wir bei zwei Kraftwerken nicht fix beim Ausstieg am 31.12. bleiben. Auf der anderen Seite ist in den dem vorbereiten Gesetzesentwurf klar formuliert, dass die Berechtigung zum Leistungsbetrieb für deutsche AKWs am 31.12.22 endet. Es gibt ein Aussetzen dieses Endes für zwei Kraftwerke zur Vorhaltung einer Reserve bis zum 15.04.23. Dann erlischt die Berechtigung zum Leistungsbetrieb auch hier und die Betreiber beginnen mit dem Rückbau. Das ist also eine relativ sichere Regelung.

Hat der Parteitag damit Robert Habeck den Rücken gestärkt oder ihm Fesseln angelegt für weitere Verhandlungen mit der FDP?

Wir haben erst mal als Partei einen Beschluss gefasst, der fast eins zu eins der Vereinbarung der Bundesregierung mit Eon und EnBW entnommen ist. Die Betreiber werden ab dem 16.4.2023 unverzüglich den Rückbau der Anlangen beginnen.

Das beantwortet aber die Frage nach Robert Habeck nicht.

Natürlich stützt ihn das, wenn das, was er erarbeitet und mit den Betreibern verhandelt hat, auch vom Parteitag gefordert wird.

Aber wie soll es jetzt zu einer Verständigung mit der FDP kommen?

Das ist relativ einfach: Die FDP kann bei dem bleiben, was sie vor mehr als zehn Jahren mit beschlossen hat, also den Atomausstieg am 31.12. diesen Jahres. Oder sie kann das Angebot der Grünen mit den beiden Kraftwerken im Süden annehmen, um damit über den Winter zu kommen. Ein Angebot, das ja vorher in der Bundesregierung abgestimmt war.

Im Interview: Jürgen Trittin

68, sitzt seit 1998 für die Grünen im Bundestag, von 1998 bis 2005 war er Umwelt­minister. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags.

Und wenn die FDP weder dem einen noch dem anderen zustimmt?

Wenn man sich nicht einigen kann, gilt der Koalitionsvertrag, und da ist die Lage ist also klar: Dann gilt der 31.12.

Sie haben mit acht Änderungsanträgen Einfluss auf den Parteitagsbeschluss genommen: Was haben Sie damit erreicht?

Wir haben damit den Antrag des Bundesvorstands kompatibel gemacht mit der Einigung der Bundesregierung.

Unklar bleibt dabei, ob der Bundestag am Ende noch einmal zustimmen muss, bevor die AKWs als Einsatzreserve wirklich ans Netz gehen. War das nicht durchsetzbar?

Ich habe das bewusst offen formuliert. Es reicht gegebenenfalls auch, wenn der Bundestag nicht widerspricht. Als ehemaliges Regierungsmitglied rollen sich mir die Fußnägel auf, wenn man erst eine Verordnungsermäßigung erteilt und den Ermächtigten dann wieder kontrollieren will. Aber in so einem weitreichenden Fall sollten Regierung und Bundestag gemeinsam entscheiden.

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23 Kommentare

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  • "Damit sei Schluss, das müsse die FDP einsehen."

    Dann muss sich die FDP und die SPD sowie der Rest des Bundestags wohl an den Beschluss des Parteitags der Grünen halten.

  • Es kann gut gehen, es kann schlecht gehen, aber das Risiko ist groß. Vor allem Baerbock und Habeck werden sich dann kaum entschuldigen können, Habecks Unfähigkeit, wenn es ernst wird, hat sich in letzter Zeit bereits gezeigt. Ich bin ganz aufgeregt.

    👍👍👍

  • "Damit sei Schluss, das müsse die FDP einsehen."

    Wenn die FDP den Satz falsch versteht, dann könnte damit wirklich Schluß sein...

    Wie auch immer, dieses symbolpolitische Gezänke nutzt niemandem, außer der Opposition halt. Man muss auch gönnen können?

    Und zur Sache, der Winter wird ja zeigen wie viele paar Hosenträger wir haben. Wenn es genug sind, dann ists ja gut, wenn nicht, dann haben die Grünen ein echtes Problem. Abwarten, man wird's ja sehen...

    • @Nafets Rehcsif:

      ...sehen ( im dunklen zwar etwas schwieriger ), fühlen und frieren...

    • @Nafets Rehcsif:

      Hä???



      Kann es sein, dass Ihnen die Fakten nicht ganz gegenwärtig sind?



      Die aktuelle Gesetzeslage ist die, dass mit dem 31.12.2022 alle noch laufenden Atomkraftwerke abgeschaltet werden müssen.



      Es liegt ein abgestimmter Kabinettsbeschluss vor, dass jetzt eine rechtliche Regelung auf den Weg gebracht werden soll, der es erlaubt Isar 2 und Neckarwestheim bis Mitte April weiter laufen können. Das ist quasi das zweite Paar Hosenträger, das Jürgen Tritten im Interview beschreibt, damit die Gefahr von Stromausfällen im ungünstigsten Fall verhindert werden kann.



      Die FDP hat jetzt zweimal das innerhalb der Koalition bereits vereinbarte Einbringen dieser Gesetzesvorlagen in den Bundestag verhindert. Das muss aber schnell gehen, da Isar 2 vor dem Weiterbetrieb über den 31.12.2022 hinaus noch einmal heruntergefahren und gewartet werden muss. Das Zeitfenster dazu wird immer kleiner, da man es nicht mehr wird hochfahren können, wenn die Brennstäbe an Leistung verlieren.



      Wer also hat ein Problem, wenn er das zweite Paar Hosenträger jetzt verhindert und wir im Winter tatsächlich in eine echte Strommangellage kommen?



      Mal ganz davon abgesehen, dass es der FDP mitnichten um die Sache, also die Versorgungssicherheit, geht, sondern um einen Wiedereinstieg in die regelhafte Nutzung von Kernenergie

    • @Nafets Rehcsif:

      Wenn es nicht reicht dann muss die FDP halt entgegen der verfassungsmäßigen Schuldenbremse Gas zu jedem Preis einkaufen damit Habeck dann den klimapolitischen Gashahn weit aufdrehen kann ...

  • Bis eben gerade haben wir Heizenergie gespart. Anscheinend ist das nicht notwendig. Danke von der Katze an Jürgen Trittin: sie liebt warme Heizkörper!

    • @GregTheCrack:

      Wie kommen Sie denn darauf?

      • @Life is Life:

        Mit ihren Worten "Kann es sein, dass Ihnen die Fakten nicht ganz gegenwärtig sind?"

        Entweder wir haben Energienot oder nicht. Gottseidank hat Trittin gestern festgestellt, dass wir die nicht haben und das Angebot ruhig verkleinert werden kann. Die Katze sagt "Danke"

        • @GregTheCrack:

          Ja, um Fakten sollte es gehen.



          Im Interview kann ich das Wort "Energienot" gar nicht finden.



          Worauf beziehen Sie sich?



          Im Interview geht es um Atomenergie und Stromversorgung und nicht um Wärmeversorgung.



          Und ich lese da auch nicht heraus, dass Jürgen Trittin sagt, dass Sparsamkeit nicht erforderlich ist.



          Insofern bleibe ich ratlos ob Ihrer Schlüsse.

          • @Life is Life:

            ...vielleicht hat die Katze ne Elektroheizung im Körbchen...

  • Ein wohl notwendiger und auch wichtiger Beschluss, um Frankreich sicher mit Strom durch den Winter zu helfen. Im Gegenzug beziehen wir Gas vom Nachbarn.

    Das ist gut so und stärkt die europäische Gemeinschaft. Es ist wunderbar zu sehen, wie gut die Staaten-Freundschaft gewachsen ist.

  • Letztlich ist der Parteitagsbeschluss reine und auch richtige Realpolitik, die bei der Unsicherheit für die Stromversorgung in diesem Winter ein Hintertürchen offen hält, ohne neuen Atommüll zu produzieren. Nicht mehr und nicht weniger .

    Die Forderung des Weiterbetriebs weiterer Kraftwerke über diesen Winter hinaus durch die FDP ist der Ausstieg aus dem allseits akzeptierten Ausstieg aus der Kernenergie, die aktuell am Beispiel Frankreichs und auch Belgiens keine sichere Stromversorgung gewährleistet. Lindners Vorstoß ist nichts anderes als irgendwo einen Anker für das sinkende Schiff FDP einzuschlagen.

    Da entschuldige sogar Habecks Fauxpas mit der Gasumlage, die sicherlich (hoffentlich?) auch nur ein Zugeständnis an den Koalitionspartner war.

    • @Augustin:

      Fachlich lese ich folgendes von der Bundesnetzagentur:

      "In Szenarien, in denen Juni bis Juli 2023 keine Gasmangellage auftritt, sind die Speicherfüllstände im Sommer 2023 teils besonders niedrig. Die Versorgungssicherheit für den Winter 2023/24 wird dadurch eine Herausforderung." ( www.bundesnetzagen...ublicationFile&v=4 )

      Wo hat der Parteitag darauf eine fachliche Antwort gegeben? Es wurde im Gegenteil beschlossen, dass die vorhandenen Reserven an Gas auch für die Stromerzeugung verwendet werden soll.

    • @Augustin:

      Natürlich war das nur ein Zugeständnis. Sie glauben doch nicht, dass Habeck eigenständige Ideen entwickelt.

  • Trittin hat den AKW-Antrag eingebracht? Dann ist das ja sicher alles fair. Glaubt das jemand?

  • "Besser gar nicht regieren, als schlecht regieren"



    Wenn die FDP etwas "einsehen muss", dann dass sie besser nicht regiert hätte, denn diese Regierung ist Grotten-schlecht. Damit meine ich jeden!

    • @Rudi Hamm:

      Welche Regierungen nach 1948 waren denn nicht ‚ Grotten-schlecht‘?

  • Die Grünen pokern hoch. Wenn es im Winter einen black-out gibt, dann werden alle Finger auf sie zeigen. FDP und SPD werden einen Schritt zurücktreten und die Grünen im Regen bzw im "Dunklen, Kalten" stehen lassen. Kann gutgehen, kann schiefgehen, aber das Risiko ist groß. Baerbock und insbesondere Habeck werden sich dann kaum herausreden können, Habecks Unfähigkeit wenns ernst wird hatte er ja letzthin schon gezeigt. Ich bin gespannt.

    • @Gerald Müller:

      Wieso das denn?



      Haben Sie überhaupt den Artikel gelesen.



      Was Sie schreiben ergibt überhaupt keinen Sinn angesichts des Beschlusses die AKWs bis Mitte April weiterlaufen zu lassen. Oder ist für Sie April dieses Jahr im Winter? xD

      • @MeineMeinungX:

        es geht darum, alle drei AKWs weiterlaufen zu lassen, das ist es was die FDP will

        • @Gerald Müller:

          Falsch!



          Es geht darum 2 AKW für 100 Tage weiterlaufen zu lassen.



          Bitte den Artikel gründlich lesen.

  • Die FDP wird gar nichts einsehen. Lindner, den Dilettanten (vier Landtagswahlen in Folge mit zum Teil drastischen Folgen für die FDP) machen die Niederlagen nur noch bockiger, was allgemein als Profilierung verkauft wird, auch von vielen Schreibenden. Anders ausgedrückt. Das Kleinkind, das an der Kasse nach einem Lolli schreit, hat Profil.