Streit um Laufzeitverlängerung: Atomenergie spaltet die Koalition

Die FDP fordert neue Brennstäbe für die noch laufenden AKWs. Die Grünen beharren auf dem Atomausstieg. Die Ampel steckt in einer ernsten Krise.

Wasserdampf steigt aus Kühlturm eines AKW auf

Isar 2. Ob es weiterlaufen soll, muss schnell per Gesetz entschieden werden Foto: Armin Weigel/dpa

Die Ampel steuert auf eine Regierungskrise zu. FDP und Grüne streiten, ob und wie die drei Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim II im Süden und das AKW im Emsland weiter laufen sollen. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck will, dass die beiden süddeutschen AKWs ohne neue Brennstäbe bis Mitte 2023 zur Verfügung stehen – und schon das ist für viele Grüne eine Zumutung. Die FDP hingegen fordert den Weiterbetrieb mit neuen Brennstäben von allen drei Meilern.

Das ist für die Grünen ein No-go. Aus Sicht von Parteichef Omid Nouripur verlangsamen AKWs, die noch jahrelang laufen, die Energiewende. SPD-Energieexpertin Nina Scheer sieht es genauso. Der taz sagte sie: „Atomenergie ist die teuerste Form der Energie, kann die Verstromung von Gas nur sehr begrenzt ersetzen und verdrängt erneuerbare Energien im Netz.“ Anders als Gas- und Kohlekraftwerke, die Wind- und Solarenergie ergänzen, können AKWs nicht bei Bedarf an- und ausgeschaltet werden.

Der Widerstand gegen die FDP-Forderungen kommt also auch aus der SPD. Neue Brennstäbe und eine Laufzeit bis 2024 oder 2025 wären nicht nur aus Sicht der Grünen faktisch das Ende des für den 31. Dezember vereinbarten Atomausstieges. Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner sagte der taz: „Neue Brennstäbe kommen nicht in Betracht.“ Man werde sich von Lindner nicht erpressen lassen, so die Einschätzung bei SPD und Grünen.

Dass die FDP so hartnäckig und ultimativ auf der Laufzeitverlängerung besteht, hat mit der Wahlniederlage der Liberalen in Niedersachsen zu tun. Die FDP-Spitze hat daraus offenbar den Schluss gezogen, man müsse sich auf Kosten der Grünen stärker profilieren. Dass die FDP in Niedersachsen mit einem Pro-Atomkraft-Wahlkampf erfolglos blieb, trübt die Entschlossenheit der FDP, den Konflikt in der Ampel an diesem Punkt auf die Spitze zu treiben, offenbar nicht.

Weiterbetrieb ohne neue Brennstäbe?

Der Streit ist taktisch motiviert, aber gleichwohl ernst. Treffen von Kanzler Olaf Scholz, Lindner und Habeck verliefen diese Woche ergebnislos. Doch die Zeit drängt, wie Habeck betont. Damit die südlichen AKWs 2023 im Streckbetrieb laufen können, müssen rasch überfällige Reparaturen erfolgen. Die aber werden die Betreiber erst in Angriff nehmen, wenn die Ampelregierung die Gesetzesänderung verabschiedet. Doch Lindner blockiert dieses Gesetz – weil die FDP mehr will. Damit entsteht die kuriose Situation, dass die FDP vielleicht den Weiterbetrieb von AKWs verhindert, den sie ja fordert.

Die Lage ist also mehrfach verfahren. Ein Kompromiss könnte sein, auch das AKW im Emsland ohne neue Brennstäbe bis Mitte 2023 weiter zu betreiben. Allerdings ist umstritten, ob das technisch überhaupt möglich ist. Die Grünen treffen sich am Wochenende zum Parteitag in Bonn. Der verzweifelt gesuchte Kompromiss wird aller Voraussicht nach erst nach Ende des Parteitages zustande kommen.

Sicher ist: Auf die prekäre Energieversorgung wird der Ausgang des Ampelstreits wenig Auswirkungen haben. Der Anteil der Atomenergie an der erzeugten Strommenge liegt bei 6 Prozent.

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