Jüdische Läuferin bei Olympia: Kein Marathon am Schabbat
Beatie Deutsch hätte gern am olympischen Marathon-Lauf teilgenommen, doch der findet an Schabbat statt. Die orthodoxe Jüdin zog unwillig zurück.
Sie rennt nicht. Zumindest nicht im japanischen Sapporo, wo der milderen Temperaturen wegen am Samstagmorgen der Frauenmarathon gestartet wird. Weil es ein Samstag ist, Schabbat, läuft Beatie Deutsch nicht bei Olympia. Die 31-Jährige ist aktuell Israels beste Marathonläuferin, und für eine orthodox lebende Jüdin ist zwar Laufen am wöchentlichen Ruhetag gestattet, aber Deutsch ist ja Profisportlerin, und Arbeiten darf man am Schabbat nicht.
Deutsch wird seit April dieses Jahres von Adidas gesponsert, in Israel ist ihr Konterfei auf großen Werbetafeln zu sehen. „Wo einige eine orthodoxe Läuferin erblicken, sehe ich meinen Glauben, der mich antreibt“, wird ihr da in den Mund gelegt. Um den Olympiamarathon einen Tag vorzuverlegen, von Samstag auf Freitag, hatte sie sehr lange gekämpft. Der Weltverband winkte ab, und vom IOC bekam sie zu hören, man sei „leider nicht in der Lage, den Zeitplan an die besondere Situation jedes einzelnen Athleten anzupassen“.
„Ich weiß, dass meine Zeit kommen wird“, kommentiert Deutsch die gescheiterten Bemühungen. „Vielleicht war das nötig, um der Welt zu zeigen, dass man manchmal nicht die Ziele erreicht, die man sich gesetzt hat“, ordnete sie ihren Nichtstart als göttlichen Willen ein. Erst vor fünf Jahren fing sie mit dem Leistungssport an. „Davon habe ich nie geträumt“, sagt sie auf die Frage, ob sie nicht als Jugendliche Profiläuferin werden wollte.
„Ich wusste nicht, dass es so etwas gibt.“ Ihren ersten Marathon lief sie erst vor fünf Jahren: 3:27 Stunden brauchte sie. Ein Jahr später war sie gerade mit ihrem fünften Kind im siebten Monat schwanger: 4:08 Stunden. „Ich bin eben ein bisschen extrem.“ Danach ging es los: 2018 lief sie 2:42 Stunden, 2020 waren es 2:36 Stunden, in diesem Jahr 2:32. Sie hat Sponsoren, und auch das Nationale Olympische Komitee Israels gibt ihr Geld.
Seit 2008 lebt Deutsch in Israel. Geboren und aufgewachsen ist sie in Passaic im US-Bundesstaat New Jersey. Ihr Mann ist Lehrer an einer Talmudschule und fährt genauso intensiv Rad wie seine Frau läuft. An sechs Tagen die Woche steht sie morgens um fünf Uhr auf – und läuft. Bis halb neun ist sie in ihrem überwiegend von Orthodoxen bewohnten Stadtteil von Jerusalem unterwegs. Daneben macht sie Krafttraining, schwimmt und kümmert sich um das Haus und ihre fünf Kinder. Nebenbei betreut sie diverse Social-Media-Kanäle. Auf Instagram hat Deutsch 13.000 Follower.
Laufend kann Beatie Deutsch ihren Glauben leben, sagt sie. „Hier lehre ich das Judentum durch den Sport.“ Sie will Vorbild sein. Jeder solle religiöses Leben und Leistungssport verbinden können. Nur an diesem Samstag hat das für sie noch nicht geklappt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“