Journalistischer Umgang mit AfD: „Man muss perfekt vorbereitet sein“
Das Institut für Rechtsextremismus der Uni Tübingen analysiert rechte Ideologien. Direktor Rolf Frankenberger über die AfD und den Umgang der Medien.
taz: Herr Frankenberger, wie hat sich die Berichterstattung über die AfD in den letzten Jahren verändert?
Rolf Frankenberger: Was ich wahrnehme, sind verschiedene Phasen in der Berichterstattung. Es beginnt bei der skurrilen neuen Partei, die in sich zerstritten ist. Dann gibt es die zweite Phase, in der sich die Partei etabliert hat und in der wir genau hinschauen müssen. Andererseits haben die Medien der AfD damit auch eine Plattform gegeben, mithilfe derer sie ihre Produkte verkaufen konnten. Doch es gibt auch eine zunehmend kritische Berichterstattung. Die mediale Präsenz der AfD ist direkt mit einem Anstieg der kritischen Berichterstattung über sie verbunden.
geb. 1974, seit Juni 2023 ist er Direktor des neuen Instituts für Rechtsextremismusforschung (IRex). Als Politikwissenschaftler beschäftigt er sich mit Populismus, politischer Theorie und Psychologie.
Hätte sich die deutsche Medienlandschaft früher und intensiver mit der Partei beschäftigen müssen?
Tja, das ist eine gute Frage. Die Medien haben sich ja auch zu der Zeit von Bernd Lucke und Frauke Petry schon intensiv mit der Partei auseinandergesetzt. Ich glaube, man hat sie im politischen Diskurs zunächst nicht ernst genommen, gerade in der Zeit, in der sie so zerstritten war. Es wäre vielleicht hilfreich gewesen, mehr über Inhalte zu sprechen und die extrem rechten Ideen, die schon immer vorhanden waren, aber nicht offensiv kommuniziert wurden, deutlicher anzusprechen. Aber das können wir jetzt nicht mehr.
Während die AfD auf TikTok riesige Erfolge und Reichweiten hat, haben die demokratischen Parteien Social Media zum Großteil verschlafen. Liegt das daran, dass die AfD eine höhere Medienkompetenz hat?
Erst einmal teile ich diesen Befund. Die AfD macht ihre Social-Media-Arbeit sehr professionell. Die Leute, die im Hintergrund Kampagnen steuern und entwickeln, haben sehr früh erkannt, welches Potenzial soziale Medien haben. Andere Parteien haben das offenbar lange nicht ernst genug genommen und wenig Wert darauf gelegt, in diese Formate überhaupt einzusteigen. Im Umfeld der AfD, der Neuen Rechten und der Identitären Bewegung gibt es eine enorm hohe Medienkompetenz und gezielte Schulungen, wie man diese Medien nutzt. Von der AfD ist bekannt, dass sogar Bundestagsreden unter dem Aspekt der Verwertbarkeit auf Social Media geschrieben werden.
Diese Verwertbarkeit sieht man auch in den AfD-Auftritten in öffentlich-rechtlichen Talkshows. Argumente der AfD werden dann auf Social Media aus dem Kontext gerissen und stehen für sich. Sind die Auftritte damit kontraproduktiv?
Das Problem ist vielmehr die Logik der sozialen Medien. Diese Art der Verwertung würde allen Parteien offenstehen. Das ist nichts, das exklusiv der AfD vorbehalten ist. Das zielt natürlich auf eine bestimmte, internetaffine Öffentlichkeit ab, besonders auch auf junge Menschen. Die Herausforderung ist, dass man dagegenhalten muss, damit solche exklusiven Bubbles erst gar nicht entstehen können. Und es ist die Aufgabe aller anderen Parteien, in den sozialen Medien präsenter zu sein und mit ihren Inhalten und Botschaften dem entgegenzuwirken.
Wäre es dann nicht sinnvoller, die AfD von einem öffentlichen Diskurs auszuschließen?
Ich bin da sehr zwiegespalten. Auf der einen Seite bedient man mit einer Ausschließung den Opfermythos, den die AfD ja ohnehin schon ständig für sich nutzt. Auf der anderen Seite ist es natürlich immer eine Gefahr, wenn man sich die AfD in Talkshows einlädt. Als Journalist:in muss man sich auf die AfD doppelt so gut vorbereiten. Ansonsten entgleitet die Diskussion. Dementsprechend sollte eine Talkshow als journalistisches Ereignis und nicht als Medienevent gesehen werden. So waren etwa die Moderatoren des TV-Duells zwischen Höcke und Voigt in Thüringen sehr gut vorbereitet. Mario Voigt im Übrigen auch. Wenn man gut vorbereitet ist, kann man die Leute festnageln und mit einem nüchternen Ton mehr erreichen als mit einem Ausschluss und einen Kandidaten inhaltlich stellen.
Wie sieht die optimale Berichterstattung über die AfD in den nächsten Jahren aus?
Live und direkt wäre gut, aber das ist sehr schwierig. Wenn, müssen die Journalist:innen perfekt vorbereitet und faktenfest sein. Im Printbereich sollten Zitate direkt eingeordnet und das Gesagte muss kontextualisiert werden. Wenn die AfD Dinge aus dem Kontext reißt, hört sich das erst mal gut an für die Partei, aber wenn man die drei Sätze davor und danach auch noch hinzuzieht, sind sie meist sehr entlarvend. Diese Art der Kontextualisierung sehe ich als besonders wichtig an. Medienveranstaltungen sollten auch nicht zu Kampagnen der AfD werden. Die Handlungsmacht sollte bei den Moderator:innen oder Journalist:innen liegen. Nicht zuletzt ist es wichtig zu sehen, welche Themenfelder die AfD besetzt. Welche könnten anders besetzt werden, damit die AfD dort nicht zum Zuge kommt? Zum Beispiel bei Migration. Was gibt es dort noch für andere Positionen und Diskurse, die gesellschaftlich vielleicht viel relevanter sind als die, die die AfD beherrscht? Wir dürfen die AfD nicht Themen setzen lassen, die sie dann skandalisiert, damit alle anderen ihnen hinterherrennen.
Läuft man mit einem starken medialen Fokus auf die AfD nicht auch Gefahr, andere extremistische Strömungen aus den Augen zu verlieren?
Es gibt auch immer noch weiter rechts von der AfD Bewegungen, Gruppierungen, Vereine und Kleinstparteien, über die man berichten sollte. Hinzu kommt mit der Werteunion eine Partei, die sich rechts der CDU/CSU positioniert und daher journalistisch begleitet und kritisch betrachtet werden sollte. Denn rechtsextremes Gedankengut diffundiert auch gerne mal in andere Milieus und möchte sich anschlussfähig machen im Konservatismus und der bürgerlichen Mitte. Und nicht zuletzt finden wir Elemente exkludierender Ideologien auch im linken Spektrum. Wir müssen also breiter schauen und auch rechtzeitig Entwicklungen erkennen und benennen.
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