Japanische Kriegsverbrechen: Streit um Zwangsprostitution
Ein Video zeigt erstmals koreanische „Trostfrauen“ im Zweiten Weltkrieg. Er bestärkt Südkoreas Regierung, ein Abkommen mit Tokio abzulehnen.
Bei dem 1944 in einem US-Camp gedrehten Material soll es sich um die ersten Bewegtbilder sogenannter Trostfrauen handeln. 200.000 Frauen, meist Koreanerinnen, wurden während des Zweiten Weltkriegs von Japans Armee als Zwangsprostituierte aus den Kolonialgebieten rekrutiert – oft mit Gewalt oder unter falschen Versprechen.
Bislang war das Schicksal der „Trostfrauen“ zwar hinlänglich durch Fotos und Zeitzeugenberichte dokumentiert. Die Videoaufnahmen heizen jedoch die jahrzehntealte, in Südkorea nie verstummte Debatte erneut an.
Dabei hatte erst 2015 die damalige Präsidentin Park Geun Hye mit Japans Ministerpräsident Shinzo Abe ein Abkommen vereinbart, das den historischen Zwist „abschließend und irreversibel“ beilegen solle. Japans Regierung verpflichtete sich, umgerechnet 8 Millionen Euro an einen Fonds für die „Trostfrauen“ zu spenden.
Vielen Südkoreanern reichen Japans Schritte nicht
Auch wenn einige der betroffenen Frauen die Einigung annahmen, lehnte die koreanische Zivilgesellschaft den Deal ab: Jeden Mittwoch fordern „Trostfrauen“-Aktivisten vor Japans Botschaft in Seoul, dass Tokio die „vollständige rechtliche Verantwortung übernehmen“, „sich offiziell entschuldigen“ und die Gräuel auch in Schulbüchern nicht herunterspielen solle.
Aktivisten stellten sogenannte Mädchenstatuen vor Japans Botschaft in Seoul, dem Konsulat in Busan sowie mehreren US-Städten auf. Regelmäßig schalten sie in internationalen Tageszeitungen Anzeigen, die Willy Brandts Kniefall in Warschau zeigen.
Eine ähnlich starke Geste wollen sie von Abe sehen – auch wenn der historische Vergleich hinkt, wenn man die Singularität des Holocaust ernst nimmt.
Moon spricht mit Abe in Hamburg
Südkoreas im Mai gewählter Präsident Moon Jae In setzt sich seit Jahren für die Anliegen der linken Zivilgesellschaft ein. Bei seinem ersten Treffen mit Shinzo Abe am Rande des Hamburger G20-Gipfels am Freitag machte er deutlich, dass die Koreaner die Einigung unter seiner Vorgängerin „emotional“ nicht akzeptieren können.
Das Wort „Neuverhandlung“ vermied Moon aber. Stattdessen äußerte er den Wunsch, dass der Zwist die Kooperation der beiden Nachbarstaaten nicht lähmen solle.
Damit spielt Moon vor allem auf die Bedrohung durch Nordkorea an, die einen engeren Austausch der zwei US-Alliierten erfordert. Zudem würden beide vom Ausbau gegenseitiger Handelsbeziehungen profitieren.
Innenpolitisch bleiben die „Trostfrauen“ aber ganz oben auf Moons Agenda: Seine frisch ernannte Ministerin für Gleichberechtigung, Chung Hyun Back, kündigte in ihrer ersten Amtshandlung am Montag an, in Seouls Innenstadt ein Gedenkmuseum für die „Trostfrauen“ errichten zu wollen.
Für die Betroffenen kommt eine Einigung ohnehin zu spät. Schließlich leben nur noch etwa 30 der registrierten „Trostfrauen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren