Japan bekommt einen neuen Kaiser: Ein Regent, so modern wie nie
Japans neuer Kaiser Naruhito will auf Volksnähe setzen, um populär zu bleiben. Aber das konservative Hofamt begrenzt seinen Spielraum.
Wie sein Vater Akihito besuchte der neue Kaiser die frühere Adeligenschule Gakushuin und absolvierte ein Bachelor-Studium an der Gakushuin-Universität, allerdings in Geschichte. Anschließend studierte er zwei Jahre am Merton-College im englischen Oxford Wirtschaftsgeschichte und beschäftigte sich besonders mit Wasserwegen.
Die ungewohnte Freiheit im Ausland fernab der höfischen Zwänge bezeichnete er als „großen Schatz“. „In England habe ich gelernt, selbst zu denken, selbst zu entscheiden und selbst Dinge in die Tat umzusetzen“, berichtete Naruhito nach seiner Rückkehr.
Der neue Kaiser will den volksnahen Stil seines Vaters fortsetzen, der sich durch persönliche Begegnungen mit Katastrophenopfern und sozial Benachteiligten als Tröster der Nation profilierte. „Bezüglich des Kaiserwesens lautet der Grundsatz, dass wir Freude und Schmerzen mit dem Volk von Herz zu Herz teilen“, betonte Naruhito bei seinem Geburtstag im Februar.
Erinnerung an Zweiten Weltkrieg wachhalten
Wie sein Vater dürfte er auch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wachhalten und die pazifistische Nachkriegsverfassung verteidigen. Schon als Kronprinz habe Naruhito eine kritische Haltung gegenüber Tendenzen zur Beschönigung von Japans Kriegsvergangenheit eingenommen, sagt der deutsche Historiker Sven Saaler von der Sophia-Universität in Tokio. Als Kaiser könne er seine Ansichten noch öffentlichkeitswirksamer ausdrücken, etwa zum Jahrestag des Kriegsendes.
Issei Nomura, Ex-Hofmeister
Jedoch will Naruhito auch eigene Akzente setzen. Das Kaiserhaus müsse seine Aufgaben an den Wandel der Zeiten anpassen und gesellschaftliche Erwartungen erfüllen, argumentierte er im Vorjahr. „Für solche neu verlangten Aufgaben möchte ich aufrichtig stehen“, sagte der damalige Kronprinz. Als mögliche Themen nannte er Wasser, Armut, Kinder und Alte.
„Auf der Basis seiner Erfahrungen wird Naruhito eine eigene Vorstellung vom Kaisertum entwickeln“, sagt Issei Nomura, einer seiner Ex-Hofmeister im Kronprinzenpalast. Der deutsche Kaiserexperte Ernst Lokowandt indes ist vorsichtiger: Nach einer Eingewöhnung werde sich Naruhito um das Thema Umwelt kümmern, aber in seinem privaten Umfeld erst einmal nichts ändern. „Dazu ist der Monarch zu traditionsgebunden“, meint Lokowandt.
Der unbekannte Faktor seiner Amtszeit ist seine Frau Masako. Die frühere Karrierebeamtin im Außenministerium und Absolventin der Universitäten Harvard und Oxford unterscheidet sich in Herkunft, Ausbildung und Weltläufigkeit deutlich von ihrer Vorgängerin Michiko, die eher das traditionelle Bild einer Japanerin verkörperte. Auf dem diplomatischen Parkett könnte sich eine Kaiserin Masako für Japan so engagieren, wie es ihr beim Eintritt in das Kaiserhaus vor 26 Jahren versprochen wurde. „Es wird mein lebenslanges Thema bleiben, welche Rolle ich als Mitglied der Kaiserfamilie für die Gesellschaft spiele“, sagte sie nach der Hochzeit mit Naruhito.
Druck, einen Thronerben zu gebären
Aber ihre angeschlagene Gesundheit könnte seine Amtszeit belasten. Vor allem wegen des Drucks aus der Kaiserfamilie und dem Hofamt, einen männlichen Thronerben zu gebären, entwickelte sie eine „stressbedingte Anpassungsstörung“, so die offizielle Beschreibung ihrer Erkrankung. Nach Angaben ihres Ehemanns schwankt ihre körperliche Verfassung immer noch.
Er wolle ihr helfen und sie unterstützen, bekräftigte Naruhito, der das Herz von Masako mit dem Versprechen gewann, sie lebenslang zu beschützen. Daher ist unklar, wie oft Masako an seiner Seite auftreten wird. Doch dies sei entscheidend, um die Volksnähe des Kaisers aufrechtzuerhalten, meint Historiker Saaler. Schließlich schreibe man den Erfolg des volksnahen Stils von Akihito zum großen Teil seiner Frau Michiko zu.
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