Jan Böhmermann gegen die „FAS“: Viel Wind
Jan Böhmermann behauptet, der Herausgeber der „FAZ“ habe ein mit ihm geführtes Interview verhindert. Empört er sich zu Recht?
Es klingt fast wie Satire: Jan Böhmermann bringt ein neues Buch heraus, in dem er seine Tweets aus dem Internet abdruckt. Zu diesem Buch gibt er Interviews, auch der FAS. Die FAS will das Interview veröffentlichen, doch kurz vor Druck kippt der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube das Interview aus der Zeitung. Böhmermann, wiederum bei Twitter, behauptet zumindest, dass es so gewesen sei. Er fordert eine Stellungnahme von Kaube und veröffentlicht schließlich das gesamte Gespräch, was am vergangenen Sonntag in der FAS hätte erscheinen sollen, in 73 Tweets bei Twitter.
Böhmermann bekommt für seinen Aufreger-Tweet über Kaube mehr als 10.000 Likes. Das ist selbst für Böhmermann mit seinen mehr als zwei Millionen Followern viel. Spekuliert wird viel und heftig: Wolle da ein konservativer Herausgeber einen linken Clown canceln? Fand Kaube das Interview einfach schlecht? Oder ist das alles womöglich wieder eine große Spaßaktion von Böhmermann?
Man könnte das abtun als die Abgehobenheit des Jan Böhmermann, der, leicht spießig, schreibt „Sowas habe ich wirklich noch nie erlebt.“ Immerhin beschert ihm sein Twitter-Furor mehr Aufmerksamkeit, als ein Interview in der FAS es gekonnt hätte.
Denn was diese Geschichte auch zeigt, ist, welche neuen Kräfteverhältnisse sich im öffentlichen Diskurs ergeben haben. Böhmermann gegen Kaube – da krachen neue auf alte Medien und damit Welten aufeinander. Jeder der beiden bedient sich des Mediums, dessen er mächtig ist: Kaube, der als Herausgeber der FAZ auch gleichzeitig der für das Feuilleton der FAS verantwortliche Chefredakteur ist. Natürlich darf er in redaktionelle Entscheidungen eingreifen und ein Interview herausnehmen. Schön ist das nicht immer, aber es passiert ab und zu, auch in anderen Zeitungen.
Neue MedienmacherInnen
Und Böhmermann, der so viele Twitter-Follower hat wie kaum ein Deutscher in diesem Medium. Wenn Böhmermann etwas twittert, dann erreicht das so viele Leute, davon kann die Feuilleton-Redaktion der FAS nur träumen. Man muss also kein Mitleid mit Böhmermann haben. Seine Gedanken über Twitter kann man in der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Wochenende nachlesen. Oder im Deutschlandfunk von dieser Woche nachhören. Oder eben in seinem Buch.
Böhmermann versus Kaube, das ist ein weiterer Beleg dafür, dass die neuen MedienmacherInnen die klassischen Medien nicht mehr brauchen. Im vergangenen Sommer zettelte die Influencerin Enissa Amani via Instagram einen Beef mit der Spiegel-Journalistin Anja Rützel an, die in einer Fernsehrezension schlecht über Amani geschrieben hatte.
Ein Jahr zuvor schickte Capital Bra, einer der erfolgreichsten deutsche Rapper, seine drei Millionen Follower gegen einen Redakteur der Rheinischen Post, nachdem der geschrieben hatte, den Hype um Capital Bra nicht zu verstehen. Manch einem Kulturjournalisten wird mulmig bei so viel potenziellem Gegenwind.
Böhmermann hat schon einmal gegen Kaube angetwittert. Als die FAZ 2019 ihr 70-jähriges Jubiläum im Berliner Edelrestaurant „Borchardt“ feierte, wurde durch ein Foto des Berliner Galeristen Johann König öffentlich, dass auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland Partygast war. Böhmermann teilte das Foto und formulierte bei Twitter zehn Fragen an die FAZ und ihre Herausgeber. Die FAZ schwieg.
Sie schweigt auch dieses Mal. Pikant ist, dass die Ausgabe der FAS, für die das Böhmermann-Interview offenbar geplant war, die erste unter der neuen Feuilleton-Ressortleiterin Julia Encke war. Ihr Vorgänger Claudius Seidl, der das Feuilleton 19 Jahre lang geleitet hat, ist seit Ende August kein Ressortleiter mehr. Geführt wurde das Interview also noch zu Seidls Zeit, produziert und gekippt zum Amtsantritt von Encke.
Aber die Frage, wie genau und vor allem warum Kaube in das Interview eingegriffen hat, ist ja mittlerweile sowieso in den Hintergrund getreten. Böhmermann hat viel Wind produziert. Sein neues Buch erscheint übrigens heute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen