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Jamaikanische Politikerin über UK-Royals„Kein Grund, sie zu verehren“

Auch in Jamaika ist Charles III bald Staatsoberhaupt. Seinen durch Sklaverei angehäuften Reichtum solle Großbritannien teilen, fordert Barbara Blake-Hannah.

In trauter Freundlichkeit: König Charles und der Premierminister Jamaicas Andrew Holness Foto: Jane Barlow/ap

taz: Frau Blake-Hannah, im Vereinigten Königreich wird die Krönung des neuen Königs Charles III gefeiert. Was geht Ihnen dabei durch den Kopf?

Im Interview: Barbara Makeda Blake-Hannah

ist 1941 in Jamaika auf die Welt gekommen und zog als junge Frau nach London, wo sie als eine der ersten Personen mit dunkler Hautfarbe im britischen Fernsehen auftrat. Aufgrund von rassistischen Einwänden durch Zuschauer blieb ihre Karriere aber kurzlebig. Sie kehrte nach Jamaika zurück, wurde dort unabhängiges Senatsmitglied im Parlament, und Teil der jamaikanischen Delegation bei einer UN-Konferenz gegen Rassismus, wo sie an der Forderung nach Reparationszahlungen mitarbeitete. Sie produziert Filme, schreibt für zahlreiche Medien und veröffentlichte Bücher, unter anderem über schwarze Haarstile.

Barbara Makeda Blake-Hannah: Es ist ein unnötiges Ritual, denn Charles wurde bereits nach dem Tod seiner Mutter als König anerkannt. Die Krönung beabsichtigt, eine stets etwas lächerliche Gestalt in eine Person zu verwandeln, die so respektiert wird, wie seine Mutter es wurde. Das wird aber nicht passieren, insbesondere wegen Charles' Vergangenheit: Die Beziehung, die er vor Diana mit der Camilla hatte, die nun zur Königin Englands gekrönt wird, das Ende der Ehe mit Diana, ihr Tod – niemand hat das vergessen.

Mit der Krönung wird Charles III auch Staatsoberhaupt Ihrer Heimat Jamaika, ein Mitgliedsstaat des Commonwealth of Nations. Sie sind in dem Inselstaat zur Schule gegangen. Was haben Sie damals über König George und die später Königin Elizabeth gelernt?

Als ich ein kleines Mädchen war, galt die britische königliche Familie als das wichtigste nach Jesus Christus und seiner Mutter Maria. Sie galten als „Heilige,“ als Menschen, die tadellos und fehlerfrei waren, die extra auf die Welt kamen, um über uns herrschen zu können. Wir mussten uns vor ihnen verbeugen, ihnen die Fahnen entgegenschwenken – alles in der Hoffnung, dass wir es eines Tages aufgrund einer besonders guten Tat verdienen würden, sie einmal persönlich zu treffen.

Wie sehen die Menschen des heutigen, unabhängigen Jamaikas die Royals mittlerweile?

Reparationsforderungen aus Commenwealth-Ländern

Indigene, anti-monarchische und Reparationsbewegungen aus zwölf Commenwealth-Ländern haben am Donnerstag einen gemeinsamen Brief an das britische Königshaus geschickt. Darin bitten sie König Charles III., mit seiner Krönung den Weg zu einer formalen Entschuldigung, sowie Gerechtigkeit bezüglich der“ schrecklichen Konsequenzen des Genozides und der Kolonialisierung indigener und versklavter Menschen“ zu beschreiten. Unter den Unterzeichnenden zählen Ver­tre­te­r:in­nen australischer Völkergruppen, genauso wie Ver­tre­te­r:in­nen aus Neuseeland, der Karibik und Kanada.

Charles habe letztes Jahr davon gesprochen, dass es an der Zeit sei, historisch falsches Handeln anzuerkennen. Nun solle er das Gespräch über die anhaltenden Konsequenzen der Sklaverei, „der Unterdrückung unserer Menschen, der Ausbeutung ihrer Ressourcen und der Erniedrigung unserer Kulturen“ ohne Zögern beginnen. Der Reichtum, der die Krone untermale, solle zurück an die Menschen, denen er genommen wurde. Außerdem sollen Kulturgegenständen und menschliche Überreste ihren Weg nach Hause finden. (taz)

Wie die Ehe von Charles und Diana uns zeigte, besteht die königliche Familie auch nur aus Menschen. Sie sind wie wir alle – obgleich wohlhabender und weiß. Sie haben die gleichen Probleme wie jede andere Familie – vielleicht sogar mehr, weil sie damit leben müssen, dass andere Menschen ihr Leben durchorganisieren, und dass über alles, was sie tun, berichtet wird. Das Leben als Royal ist keineswegs nur rosig. Es gibt keinen guten Grund, weswegen wir sie verehren sollten.

Die Vereinigung der karibischen Staaten Caricom und Ver­tre­te­r:in­nen von zwölf Länder des Commonwealth fordern Reparationszahlungen und eine Entschuldigung auf Grund der kolonialen Vergangenheit und der Sklaverei.

Als Großbritannien versklavte afrikanische Menschen in die Zuckerherstellung zwang und so riesige Reichtümer schuf, taten sie dies mit äußerster Brutalität und Unmenschlichkeit. Diese Ausbeutung verwandelte das Land in eine bis heute wohlhabende Nation. Die Länder und die einst Versklavten, die diesen Reichtum tatsächlich produzierten, verblieben jedoch in armen Verhältnissen.

Auch wenn diese Länder unabhängig und ihre Bürger frei wurden, war es ihnen nicht möglich, sich so zu entwickeln, wie es die Menschen im Vereinigten Königreich Großbritannien konnten. Es ist eine Sache der Fairness, dass wir eine gerechte Kompensation erhalten, um so etwas von dem Reichtum, den wir durch unbezahlte Arbeit unter brutalen Lebensbedingungen geschaffen haben, zurückzuerhalten.

Gibt es hier ein positives Beispiel?

Die Nachkommen jüdischer Menschen erhielten Wiedergutmachung für die Schoa, die sie im Nationalsozialismus erleiden mussten. Diese werden weiterhin jährlich gezahlt, als Zeichen der Sühne. Was das bedeuten kann, sieht man am Beispiel Israels: Diese Wiedergutmachungs- und Unterstützungsleistungen waren ein Faktor, der dem israelischen Staat half, schnell zu wachsen. Es ist heute ein wohlhabendes Land mit Erfindergeist. Die Nachkommen der versklavten afrikanischen Menschen verdienen die gleiche Behandlung!

Wenn sich der König morgen bei den Nachkommen von versklavten Menschen entschuldigen würde – könnte das den Blick auf die königliche Familie in Jamaika retten?

Sollte er sich für die Rolle seiner Familie und des vereinigten Königreichs entschuldigen, würden die Nachfahren versklavter afrikanischer Menschen ihm sicherlich Respekt zollen. Der christliche Glaube lehrt, dass wir um Vergebung unserer Sünden bitten können und danach wieder so „weiß wie Schnee“ sind – gereinigt und wie neugeboren. Ich glaube dennoch, dass Jamaika sein Staatsoberhaupt wählen möchte. Die Beziehung zu Großbritannien würde sich aber auf alle Fälle verbessern.

Werden Sie die Krönung im Fernsehen mitverfolgen?

Mein Fernseher ist permanent an, die Nachrichten laufen immer. Charles wird auch als König Jamaikas gekrönt, aber diesen Titel wird er nicht lange tragen. Wenn ich der Krönung zusehe, werde ich Zeuge der Geschichte. Eben werde ich der Ernennung eines neuen gewählten Staatsoberhauptes Jamaikas zusehen – welche Zeremonie auch auch immer es dann geben wird.

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5 Kommentare

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  • Frau Blake-Hannah sollte mal den Artikel im Feuilleton der heutigen FAZ lesen: die restituierten Benin Bronzen (eine Tat derer sich Außenministerin Baerbock und Kulturstaatssekretärin Roth rühmen) wurden nicht etwa dem „Volk von Nigeria“ übergeben sondern dem Oba (König) von Benin zur privaten Nutzung überlassen. Also dem Nachfahren eines nigerianischen Königsgeschlechts das durch Versklavung von Kriegsgefangenen sowie Sklavenjagt und -handel reich und mächtig geworden war.

    • @ROMIE:

      Das Eine hat mit dem Anderen nix zu tun. Zivilisationen haben jede für sich das Recht mit ihrem Kulturgütern so umzugehen wie sie es wollen, nicht wie es Deutschland will. Pech für uns wenn die andere Maßstäbe anlegen... oder?

  • Was für Reichtum in UK? Ist Vielerorts ein ärmliches runter gekommenes Land.

    Den Kolonialismus für heute Armut verantwortlich machen zu wollen ist mehr als Schräg. Nichts der heutigen Probleme Jamaikas hat auch nur irgendwas damit zu tun.

  • Scheint mir etwas sehr linear erzählt. Das während der Zeit der Kolonien der Reichtum stark umverteilt wurde halte ich für evident. Aber den heutigen Reichtum? Im Vergleich zu Nicht-kolonialen Staaten wie Schweden oder auch Polen scheint das nicht plausibel. Oder zum heutigen China. Es scheinen vielmehr strukturelle Probleme zu bestehen um für globale Investoren und Finanzströme attraktiv zu sein, wie Bildung, Infrastruktur, bestehende Industrie- und Dienstleistungskerne. Ist die Kolonisierung ursächlich? Oder Gegenbeispiel Äthiopien, nie kolonisiert. Wo stehen die heute im Vergleich? Signifikant besser als die Nachbarn? Und Reparationen und Ausgleichszahlungen wie in Israel führen dann zu vielen weiteren wirtschaftlich erfolgreichen Israels? Ich habe Bedenken für diese Logik.

    • @Tom Farmer:

      Sehe ich genau so.

      Und wo sind die Forderungen gegenüber Spanien?



      Diese waren für ~120Jahre die Ausbeuter vor den Briten.

      Wenn Jamaika eine Republik sein möchte, sind sie aus dem Commonwealth raus und der Wahl eines eigenen Staatsoberhauptes steht nichts mehr im Wege.

      Fehlt der Wille?