Jamaika-Parteien für Fleischmarkierung: Wie hat das arme Schwein gelebt?

Die Jamaika-Parteien vereinbaren eine verpflichtende Haltungskennzeichnung. Verbraucher sollen Fleisch aus schlechten Ställen meiden können.

Schwein nähert Hand mit Eicheln

Koteletts von diesem Schwein würden eine positive Kennzeichnung bekommen – wegen des Auslaufs Foto: dpa

BERLIN taz | Auf den Etiketten von Fleischwaren muss nach dem Willen der Jamaika-Parteien künftig stehen, wie das jeweilige Tier gehalten wurde. Darauf haben sich CDU, CSU, FDP und Grüne bei ihren Sondierungsgesprächen für eine Koalition geeinigt.

Das von der jetzigen Bundesregierung angestoßene staatliche Siegel für Produkte aus besonders tierfreundlichen Betrieben „wollen wir noch innerhalb der Legislatur zu einer verbindlichen europarechtskonformen Haltungskennzeichnung weiterentwickeln“, verlautete am Mittwoch aus Verhandlungskreisen. Verbraucher sollen ähnlich wie jetzt schon bei Eiern die Möglichkeit bekommen, durch ihre Kaufentscheidung schlechte Haltungsbedingungen abzustrafen.

Nach einer Umfrage im Auftrag des Bauernverbands glauben nur 31 Prozent der Bevölkerung, dass die Landwirte verantwortungsvoll mit ihren Tieren umgehen. Hintergrund sind die Enge in konventionellen Ställen, massenhafte Amputationen von Körperteilen oder teils hohe Verletzungsraten. Gleichzeitig müssen immer mehr Höfe schließen, weil die Preise für ihre Produkte zu niedrig sind.

Deshalb verlangen die Grünen eine obligatorische Haltungskennzeichnung. Der Partei zufolge sollen alle Produkte mit einer 0 auf dem Etikett aus der ökologischen Tierhaltung stammen. Die 1 wäre schlechter, würde aber immer noch Auslauf und mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben garantieren. Die 2 stünde für mehr Platz und andere Vorteile gegenüber dem Standard. 3 wäre das gesetzliche Minimum. Dieses System soll nicht nur Fleisch, sondern auch Milchprodukte erfassen. Da Waren mit einer besseren Kategorie in der Regel höhere Preise erzielen, könnte mehr Tierschutz für die Bauern attraktiver werden.

Die Finanzierung ist offen

Ob eine Jamaika-Koalition genau diesen Plan umsetzt, ist aber noch offen. Vieles hängt davon ab, welche Partei das Agrarministerium übernimmt. „Die Grundsatzeinigung bei der Jamaika-Sondierung ist genau das, was wir fordern“, sagte Fachreferentin Angela Dinter von der Tierschutzorganisation Provieh, die ein detailliertes Modell für eine Haltungskennzeichnung entworfen hat.

Auch die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) äußerte sich positiv. „Aus meiner Sicht ist es auch kein Manko, sondern notwendig, in zwei Schritten vorzugehen, denn eine Haltungskennzeichnung kriegen wir nicht in 2018 hin“, teilte Bundesgeschäftsführer Ulrich Jasper der taz mit. Ein freiwilliges Label dagegen sei schneller einzuführen. Er forderte aber, die Bauern auch finanziell zu unterstützen, wenn sie auf mehr Tierwohl umstellen. Der Umbau auf eine artgerechte Haltung koste mittelfristig vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr. Das Geld solle beispielsweise für Ställe mit Auslauf ausgegeben werden und Landwirten auch nach dem Umbau ihres Hofs zugutekommen.

Tierschützer und Bauernaktivisten loben die Einigung der Möchtegern-Koalitionäre

Doch eine Abgabe auf tierische Lebensmittel etwa haben die Jamaika-Parteien bislang nicht vereinbart. Weitere Millionen könnten aus den EU-Agrarsubventionen kommen. Denn die Europäische Union erlaubt den Mitgliedsländern, Direktzahlungen, die in erster Linie für den Besitz von Land vergeben werden, etwa in Subventionen für den tierfreundlichen Stallumbau umzuschichten. Die Grünen wollen diese Möglichkeit stärker nutzen, Union und FDP lehnen das allerdings ab.

Auch andere wichtige Fragen aus der Agrarpolitik sind immer noch offen. So wollen die Parteien zwar den Einsatz von Pestiziden reduzieren, aber unklar ist, um wie viel und wie. Ähnlich vage ist die Vereinbarung zu einem „Sofortprogramm“ für den Schutz von Insekten.

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