Jahreswechsel in Berlin : Berlin lässt die Sau raus
Nach zwei Jahren pandemiebedingter Ruhe ging es zum Jahreswechsel mal wieder richtig rund. Feuerwehr von der Heftigkeit der Angriffe überrascht
Nach zwei Jahren Pause, in der aufgrund eines pandemiebedingten Böller- und Feuerwerksverkaufsverbots nur wenig geballert wurde, haben die Berlinerinnen und Berliner zum Jahreswechsel mal wieder richtig die Sau rausgelassen. Sich mit Pyrotechnik zu bekriegen ist bei jungen Männergruppen in den Innenstadtbezirken schon lange ein beliebter Sport. Vielerorts waren es aber auch wieder die Einsatzkräfte der Feuerwehr, die zur Zielscheibe wurden. Im Steinmetzkiez in Schöneberg gilt deshalb schon seit Jahren ein Böllerverbot.
Wie Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Sonntag mitteilte, kam es zu Dutzenden Angriffen auf Rettungs- und Einsatzkräfte, 15 Beschäftigte der Feuerwehr und 18 der Polizei seien verletzt worden. Ein Feuerwehrmann und ein Polizist seien mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gekommen.
Die Feuerwehr teilte mit, man sei von der Masse und Intensität der Angriffe auf die Einsatzkräfte überrascht worden. Zu der Auflistung, die allerdings ohne Orts- und Zeitangabe erfolgte, gehören Ereignisse wie: Schreckschusspistole ins Gesicht gehalten, Bierkisten und Feuerlöscher auf Fahrzeuge geworfen, gezielter Beschuss mit Pyrotechnik während der Löscharbeiten, Behinderung der Einsatzmaßnahmen durch Barrikaden, Plünderung von Einsatzfahrzeugen durch vermummte Personen, starke Beschädigung mehrerer Fahrzeuge durch Pyrotechnik, sodass diese außer Dienst gehen mussten.
GdP fordert Böllerverbot
In Berlin gab es in diesem Jahr drei Böllerverbotszonen, neben dem Steinmetzkiez waren das der Alexanderplatz und das Gebiet vor dem Knast in Alt-Moabit. Auf Twitter kündigte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Sonntag eine Diskussion im Senat über eine Ausweitung der Böllerverbotszonen an.
Stephan Weh, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, hält die Zeit für ein deutschlandweites Böllerverbot längst für gekommen. Angesichts der Bilder der Silvesternacht müssten endlich die politischen Voraussetzungen „für ein tiefgreifendes Böllerverbot“ geschaffen werden, forderte Weh. Viele Baumärkte hätten durch Verzicht auf den Verkauf von Pyrotechnik in diesem Jahr bereits Stellung bezogen, und auch die Bevölkerung sei „viel weiter, als man denkt.“
Auch die Deutsche Umwelthilfe forderte die Bundesregierung zum sofortigen Handeln auf. Die Regierung müsse „angesichts dieser verheerenden Nacht endlich reagieren“ und den Verkauf und die Benutzung von Pyrotechnik zu Silvester verbieten.
Insgesamt rückte die Feuerwehr in der Silvesternacht zu rund 1.700 Einsätzen aus. 2021/2022 waren es im selben Zeitraum 1.026 Einsätze. Zu den größten Einsätzen gehörten laut Feuerwehr mehrere schwere Wohnhaus-, Keller- und Balkonbrände. Zwei Menschen verletzten sich lebensgefährlich, als sie in einem neungeschossigen Wohngebäude an der Mollstraße durch ein Deckenfenster stürzten. Von Knallern und Raketen wurden laut vorläufiger Bilanz 22 Menschen verletzt.
Reisebus ausgebrannt
Die Polizei war nach eigenen Angaben mit rund 1.300 zusätzlichen Kräften im Einsatz. Mehrfach hätten Gruppen, so wie in der Brunnenstraße in Mitte, versucht mit Baustellenabsperrungen Barrikaden zu bauen. Am Kottbusser Damm hätten circa 200 Vermummte die Feuerwehr beim Löschen von Mülltonnen angegriffen.
Kurz nach Mitternacht seien in der Suarezstraße in Charlottenburg durch eine Explosionswirkung die Scheiben von geparkten Autos, Geschäften und Wohnungen zerstört worden. Etwa zur gleichen Zeit hätten Unbekannte in der Sonnenallee in Neukölln die Scheiben eines Reisebusses eingeschlagen und den Innenraum mit Pyrotechnik in Brand gesetzt. Der Bus brannte aus.
Die Pressemitteilung der Polizei endet mit dem Satz: Ab 3 Uhr war eine deutliche Beruhigung der Situation in der Stadt festzustellen.
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